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Im Mittelpunkt dieses 1.November stand die spontane Bereitschaft von vielen Agenda- und Hartz-Betroffenen bei den zumeist
von breit getragenen Hartzbündnissen in den verschiedenen Regionen angestoßenen Protesten mitzumachen und sich von unten mit Fantasie und
ihren Fähigkeiten einzumischen. Sichtbar war das an den vielfältigen handgeschriebenen Plakaten und umgehängten Losungen. Auch die
Kundgebung und die Redner markierten etwas Neues, denn die Redebeiträge gaben der Stimmung der Menschen Ausdruck, sie zeigten auf, dass hier im
Lande alltäglich der Krieg gegen Arbeitslose, Kranke, alte Menschen, gegen die Unrentablen und Unproduktiven mit Beleidigungen und Beschimpfungen
geführt wird. Es wurde aber nicht nur aufgeklärt, sondern auch Mut gemacht.
Wir sollten nicht vergessen, dass auch bei Hartz schon nicht die
Gewerkschaftsführungen aktiv waren, sondern die unterschiedlichsten Initiativen, Verbände und Gewerkschaftsgruppen. Die Gewerkschaftsvertreter
saßen in der Hartzkommission und genauso sitzen sie auch den Verwaltungsausschüssen der Arbeitsämter und Sozialversicherungen und
unterstützen diese »Gegenreformen«. Es gibt in diesem Lande wie übrigens auch in Frankreich und anderen europäischen
Ländern Gewerkschaften und Gewerkschafter, die sich auf den Egoismus und die Entsolidarisierung in Teilen der Lohnabhängigen stützen
und diese durch ihr praktisches Verhalten sogar noch verstärken. Diese Regierungs-Gewerkschafter sind Armutsverwalter mit fürstlichem Lohn und
offiziell unkündbar. Ihnen kann nur von der Straße gekündigt werden.
In dem Widerstand gegen die Agenda 2010 und all den Maßnahmen, die noch kommen
werden, müssen wir versuchen, bei dem zunehmenden »unrentablen und unproduktiven Pöbel«, den betroffenen und leidenden
Individuen, den praktischen Widerstandsgeist zu wecken, den kämpferischen Anspruch auf ein schönes oder zumindest bescheidenes und
würdevolles Leben. Denn genau das ist doch der Kern der neuen Agendazumutungen: die soziale Entrechtung und Verarmung, also die Enteignung von
legitimen Ansprüchen auf Sozialleistungen und auf das Recht, angebotene unzumutbare Arbeit abzulehnen. Durch unsere Praktiken und unsere
solidarische und egalitäre Kooperation muss es gelingen, viel mehr Betroffene in diesen Widerstand hereinzuholen und Räume zu schaffen wie die
Sozialforen, damit sie sich auch entfalten können. Wir brauchen heute die Militanz derer, die vom Kapital und den Herrschenden zu
Überflüssigen und Kostgängern der Nation erklärt werden.
Brauchen wir die Gewerkschaften? Was wir brauchen, sind aktive Gewerkschafter und
Gewerkschafterinnen, die in ihrem alltäglichen Tun versuchen, gerade auch in den Betrieben Solidarisierungsprozesse mit den Erwerbslosen praktisch
herzustellen. Warum werden nicht Vertreter gerade der Initiativen wie Harald Rein oder Rainer Roth auf die Betriebsversammlungen eingeladen, um den
Kollegen die Agenda vorzustellen und sie zu gemeinsamen Aktionen aufzufordern? Das »tous ensemble«, auch am 1.November in Berlin immer
wieder als Parole gerufen, bedeutet doch gerade, dass sich bspw. die privilegierten Eisenbahner 1995, beim großen Streik in Frankreich, eingesetzt haben
für all die Menschen in der Gesellschaft, die viel weniger soziale Rechte haben als sie selbst. Genau das brauchen wir als unsere Zielvorstellung: Daimler-
Beschäftigte aus Mettingen und Sindelfingen und Opel- Beschäftigte aus Bochum, die gemeinsam die Initiative ergreifen für einen
Solidaritätsstreik mit den »Unproduktiven« in dieser Gesellschaft, den Erwerbslosen, Kranken, Alten und vielen mehr.
Das wäre ein Kultursprung auch für die Gewerkschaftsbewegung. In diese
Richtung sollten wir orientieren und dann verändert sich auch das gesellschaftliche Klima und andere Verhältnisse werden denk- und vorstellbar.
»Unproduktive aller Geschlechter, Nationalitäten und Länder, vereinigt euch und werdet produktiv im Widerstand!«
Informationen und Meinungen sollten keine Waren sein. Und Geld ist ein Fetisch.
Dennoch und ganz praktisch: Die Online-SoZ sieht nur umsonst aus. Wir brauchen Eure Euros.
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