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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Dezember 2003, Seite 6

SPD — Sie Plündern Dich

Szenen vom Parteitag der Wichtig-Tuer in Bochum

Am Kongresszentrum in Bochum hängt das Transparent, das die Parteitagsdelegierten der SPD auf ihre Aufgabe vorbereiten soll: »Das Wichtige tun«. Und so beginnt dann am Montagmorgen mit der Auffahrt der großen Limousinen und Taxis der Auftritt der »Wichtig-Tuer« — begleitet vom gellenden Pfeifkonzert von rund 10000 Demonstranten, zumeist in bunter Kleidung und Uniformen aller Art!
Das seltsame Gefühl, mitten zwischen Polizei und Bundeswehr, Feuerwehr und Beamten neben vielen Ver.di-Fahnen gegen die Agenda 2010 zu demonstrieren, verliert sich dem Zivilisten nach einer Weile: auch hier geht es um die soziale Abwertung, auch hier sind es verkleidete »normale Menschen«, deren Verdienst gekürzt und deren Arbeitszeit verlängert wird, und die nicht einsehen, dass den Reichen die Steuern gesenkt und ihnen die Lasten aufgebürdet werden.
Das alles wird auf einer Kundgebung direkt gegenüber dem Eingang zum Parteitag lautstark der SPD vorgehalten. Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei sagt: »Statt das scheinbar Wichtige zu tun sollen die Delegierten dafür sorgen, dass die SPD einmal das Richtige tut!«
Der erfreuliche Eindruck dieser Demo: Polizei passt auf Polizisten auf, die schon mal ihren Landesvater mit Tieren vergleichen, oder »Holt sie da raus!« brüllen.
Zwischendurch immer wieder: »Wir sind das Volk!«, wenn die Delegierten sich — meist die Demonstration keines Blickes würdigend — in das Gebäude verziehen. Ein SPD-Delegierter, der sonst Polizist ist, versucht, an der Absperrung mit seinen Kollegen ins Gespräch zu kommen — »Hier wird nicht diskutiert — hier wird demonstriert!« heißt es da.
Der für Beamte zuständige Sekretär von Ver.di hat es mit den Feuerwehrleuten, deren Alltag er schildert, und dem Abbau von Urlaubs- und Weihnachtsgeld. »Wir können nicht nur Feuer austreten, wir können der SPD auch Feuer unterm Hintern machen«, endet er unter Johlen und Beifall.
SPD wird umdefiniert als »Sie plündern dich«. Ob die Delegierten auf den Druck der Straße überhaupt reagieren, steht aber in den Sternen.
Der Vorsitzende des Bundeswehrverbands weist darauf hin, dass die unteren Besoldungsgruppen, die zahlreich vertreten sind, besonders von den Kürzungen betroffen sind. Dass der Kriegsminister Peter Struck schon im Kreis von vier Bodyguards am Rande der Straße den Aufmarsch beobachtet hat und ein wenig angemacht wird, ist ihm einen Hinweis wert — immerhin ist Struck lange Zeit der einzige, der sich sehen läßt. Strucks Schau ist es jedoch, während die nächste Audi-8-Limousine auffährt, unter den Augen der Kameras mit wehendem Mantel im Kreise seiner Armada über den Platz zu laufen, und den Coolen zu mimen. Trotzdem gibt es keine Sympathiepunkte bei den Hunderten seiner hier aufmarschierten Untergebenen.
Einzig der ehemalige Ministerpräsident von Niedersachsen Gabriel kommt für einige Minuten an die Absperrung und redet auf einen Pulk demonstrierender Polizisten ein, während noch der Sprechchor »Wir sind das Volk« wiederholt wird — ein gefundenes Fressen für die Kameras.
Von Peer Steinbrück, dem NRW-Ministerpräsidenten, wird über Mikrofon weitergeben, dass er angesichts der Demonstration gesagt hat, die hätten es nötig, die hätten ja sichere Arbeitsplätze. Das kontert ein Redner mit Hinweis auf Kabul, und dass nicht am Hindukusch, sondern hier die Sicherheit der Republik zur Debatte stünde.
Und DGB-Chef Michael Sommer als Gast des Parteitags macht bei einem Abstecher aufs Podium der Demo darauf aufmerksam, dass die Beamten zu Recht demonstrieren und protestieren, denn was bei ihnen begonnen wird, soll bei Arbeitern und Angestellten fortgesetzt werden: länger arbeiten und weniger verdienen. Aber Peer Steinbrück kann sich wohl nicht vorstellen, dass es noch Solidarität gibt unter den Beschäftigten, und nicht jeder nur an sich denkt bei der Verteidigung sozialstaatlicher Errungenschaften.
Der GdP-Vorsitzende bedankt sich ironisch beim Innenminister Behrens, dass er so vielen Polizeibeamten die Teilnahme an der Kundgebung — allerdings auf der anderen Seite der Absperrungen — ermöglicht habe. Oder ob die Volksvertreter womöglich gar Angst vor der eigenen Polizei hätten?
Erfreuliche Ankündigungen der beteiligten Gewerkschaften: Es geht weiter. Demnächst in Hessen gegen Koch, in Hannover gegen Wulff, und am 1.12. beim CDU-Parteitag in Leipzig.

Rolf Euler, Bochum

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