SoZ Sozialistische Zeitung

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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Dezember 2003, Seite 6

Nach dem Godesberg der PDS

Linke Opposition in der PDS zieht Bilanz

Die sog. Parteilinke der PDS hatte nach dem Parteitag von Chemnitz, auf dem das neue Programm nach fast fünfjähriger Debatte beschlossen wurde, ausgiebigen Verständigungsbedarf. Mit der Mitgliederversammlung des Geraer Dialogs fand am 16.November das letzte eines Reigens von drei PDS-internen linken Strömungstreffen statt. Bei allen drei Beratungen (KPF, Leute um Diether Dehm, Geraer Dialog) stand im Mittelpunkt der Debatte, ob und wie eine weitere Mitgliedschaft in der PDS für die Anwesenden möglich und sinnvoll ist. Bei KPF und Geraer Dialog wurde auch über den Fortbestand der Strömung diskutiert. Im nachfolgenden möchte ich mich bemühen, die vom Geraer Dialog gefundene Position darzustellen.

Nur eine kleine Minderheit der ca. 60 Teilnehmenden konnte im angenommenen Programm einen akzeptablen Kompromiss erkennen. Der Geraer Dialog und seine Mitglieder hatten sich in den vergangenen Jahren intensiv in die programmatische Debatte eingebracht. Unter anderem 2001 mit dem Programmentwurf 2 und seiner Fortschreibung als Entwurf 2.2, aber auch aktuell mit einer Reihe exemplarischer Änderungsanträge an den Chemnitzer Parteitag.
Bei den Teilnehmern überwog nun deutlich die Einschätzung, dass die von der Parteiführung angestrebten programmatischen Veränderungen in den Grundsätzen durchgebracht wurden. Zwar wurde verbal vieles »entschärft« im Vergleich zu den vorangegangenen Entwürfen, und kleinere Erfolge der »Linken« wurden erzielt. Aber insgesamt wurde der Text damit auch ungenauer und noch schwammiger und lässt damit Interpretationen in alle Richtungen zu. Es ist, so Ekkehard Lieberam, »wie bei der Bibel, wo man für alle Zwecke etwas findet. Dabei sind die Widersprüche keine dialektischen, sondern logische«.
Konsens war auch die Meinung, dass das neue Programm nicht isoliert zu betrachten ist, sondern vielmehr im Zusammenhang mit der realen Politik der PDS, vor allem dort wo sie an Landesregierungen teilnimmt, zu sehen ist.
Bei dieser Gesamtsicht ist festzustellen, dass sich der Anpassungskurs durchgesetzt hat. Was mit der Hinnahme und Legitimierung der Regierungspolitik in Berlin und Schwerin seine praktische Ausformung schon länger gefunden hat, wurde nun auch programmatisch abgesegnet. Daran ändert sich auch dadurch nichts, dass das neue Programm sehr wohl an einigen Stellen auf den ersten Blick links erscheint.
Überwiegend einig waren sich die Versammelten, dass »die PDS hat sich mit dem Chemnitzer Parteitag als sozialistische Partei verabschiedet« hat.
Die Mitteldeutsche Zeitung hatte sich wenige Tage nach dem Programmparteitag die Mühe gemacht, das neue Programm mit dem von 1993 in einigen zentralen Punkten zu vergleichen. Einige dieser Punkte möchte ich nachfolgend zitieren, um exemplarisch deutlich zu machen, wie auch die Mitgliedschaft des Geraer Dialogs zu diesem vernichtenden Urteil kommt.

Kapitalismus und Marktwirtschaft
1993: »Gemeinsam sind wir der Ansicht, dass der kapitalistische Charakter der modernen Gesellschaften ursächlich verantwortlich ist für die Gefährdung der menschlichen Zivilisation und Kultur. […] Wir sind uns daher einig, dass die Herrschaft des Kapitals überwunden werden muss.«
2003: »Unternehmerisches Handeln und Gewinninteresse sind wichtige Voraussetzungen für Innovation und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Doch solange sie auf die betriebswirtschaftliche Logik der einzelnen Unternehmen beschränkt bleiben und dem Profitstreben des Einzelkapitals unterworfen sind, verwandeln sie sich in ihr Gegenteil. Sozial-ökologisches Wirtschaften setzt gesellschaftliche Kontrolle und demokratische Mitbestimmung voraus.«

Regierungsbeteiligungen
1993: »Die PDS hält den außerparlamentarischen Kampf um gesellschaftliche Veränderungen für entscheidend. […] Sie ist bereit, politische Verantwortung für radikale gesellschaftliche und ökologische Veränderungen zu übernehmen.«
2003: »Deshalb kämpfen wir auch um parlamentarischen Einfluss und sind bei entsprechenden Kräfteverhältnissen bereit, Vertreterinnen und Vertreter unserer Partei für Regierungsämter zu nominieren. […] Wir sind als sozialistische Partei bereit, langfristig an einem Mitte-Links-Bündnis mitzuwirken.«

Auslandseinsätze der Bundeswehr und UN-Kompetenzen
1993: Die PDS verlangt »das Verbot des Bundeswehreinsatzes außerhalb der Grenzen der BRD«.
2003: »Der Weltsicherheitsrat darf das allein ihm durch die Charta übertragene Recht, auch militärische Mittel, wenn alle zivilen ausgeschöpft sind, zur Abwendung der Gefährdung des Weltfriedens einzusetzen, nicht unter dem Druck und im Interesse der Großmächte missbrauchen.«

In Anbetracht dieses vernichtenden Resümees bleibt die Frage, wieso nur eine Minderheit der Anwesenden für einen Antrag votierte, als Strömung aus der PDS auszutreten. Zumal von nicht wenigen der Diskutanten thematisiert wurde, dass die Zukunft der PDS aus ihrer Sicht düster, zumindest aber ungewiss sei.
Auch wenn dem Versuch geringe Chancen auf Erfolg eingeräumt wurden, so hielten es nicht wenige der Anwesenden doch für notwendig, weiter um den Charakter der PDS als einer sozialistischen Partei zu kämpfen. Die Vergangenheit hat ja bereits zweimal (in Münster und Gera) gezeigt, dass Hinwendungen auch einer Mehrheit von Parteitagsdelegierten zu linken Positionen, selbst bei erbittertem Widerstand maßgeblicher PDS-Politiker, sehr wohl möglich waren. Daher war man mehrheitlich der Meinung, sich im PDS-Rahmen weiter für sozialistische Politik zu engagieren und dabei auch nach außen deutlich zu machen, welche Differenzen zur Politik des PDS- Parteivorstands und zur PDS-Politik in den Regierungen in Berlin und Schwerin bestehen.
Zum anderen waren sich alle Versammelten einig, dass die Bundesrepublik in der Zeit des neoliberalen Mainstreams dringend einer gesamtdeutschen sozialistischen Partei bedürfe. Die sich langsam entwickelnde außerparlamentarische Bewegungen, wie am 1.November bei der Demo der 100000 in Berlin könne, müsse aber nicht, zu einem verstärkten Interesse an sozialistischen Positionen führen. Es gilt nun für diese Menschen, sowie auch für die PDS-Mitgliedschaft und für anders organisierte Linke Ansprech- und Diskussionspartner zu sein. Dies beinhaltet aber auch, deutlich zu machen, wo die reale Politik der PDS auch auf unseren Widerstand stößt. All dies geht auch mit dem neuen Programm und von daher wurde mehrheitlich beschlossen, Zusammenschluss in und bei der PDS zu bleiben. Davon bleibt die persönliche Entscheidung eines jeden einzelnen bezüglich seiner PDS-Mitgliedschaft unbeeinflusst.
Weitere konkrete Vorhaben, auch die Wahl eines neuen Sprecherrats, stehen auf einer nächsten bundesweiten Mitgliederversammlung im Januar, voraussichtlich am 10.Januar 2004, auf dem Programm.

Dorothée Menzner

Dorothée Menzner ist aktiv im Sprecherrat des Geraer Dialogs.
Der Geraer Dialog will die Initiative zu einer Demonstration gegen die Sparpolitik des Berliner Senats ergreifen.


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