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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Dezember 2003, Seite 19

Volle Deckung, Mister Bush

Die politische Kunst des Michael Moore

Michael Moore ist zurück und schwinkt erneut die Waffen linker Analyse, rechtschaffenen Zorns und beißendem Humor gegen alle dummen weißen Männer, vor allem gegen George W. Bush.
Bush spielt eine große Rolle in diesem, Moores viertem Buch, indem er sich erneut seinem Thema der USA als eines Landes von an sich anständigen, aber unter dem Daumen Reicher und Mächtiger gehaltenen Leuten widmet. Volle Deckung, Mr. Bush beschreibt ein nichtgewähltes Regime, das auf der Nutzung aller notwendigen Gewalt beruht, um die Welt für Konzernprofiteure sicher zu machen, und präsentiert Alternativen zur Herrschaft der republikanischen Rechten.

Journalistische Strategien

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Moore ist durch seine etwa 20-jährige Produktion zunehmend erfolgreicheren Journalismus, durch Filme und Bücher, hervorragend geeignet, die Machenschaften des Kapitalismus offen zu legen, indem er sich auf die Missetaten spezieller Repräsentanten der reichen Elite und ihrer politischen Lakaien konzentriert.
Sein erster Dokumentarfilm, Roger and me (1989), war eine schonungslos lustige Anklage der Zerstörung von Moores Heimatstadt Flint in Michigan. Als General Motors trotz der Erwirtschaftung von Rekordprofiten jene Anlagen still legte, in denen Generationen auch von Moores Familie arbeiteten, versuchte der Filmemacher den faden GM-Vorstandsvorsitzenden Roger Smith zu interviewen. Sein vergeblicher Versuch spiegelte dabei die Machtlosigkeit der entlassenen Arbeiter und verarmten Familien.
Der unerwartete Erfolg von Roger and me erlaubte es Moore 1993/94, TV Nation zu produzieren, eine Serie bei einem großen Sender, die sich auf humorvolle, progressive Tagespolitik und das Quälen der Reichen spezialisierte. Trotz ihrer Popularität wurde die Serie nach einer Saison gestrichen, führte jedoch zu einem Buch, Adventures in a TV Nation, das in Zusammenarbeit mit Moores Frau Kathleen Glynn geschrieben wurde, und in dem sie detailliert offenlegen, was vom Sender zensiert wurde, sowie zu einer weiteren, vergleichbaren Serie, The Awful Truth 2000/01.
Moores erstes Buch war Downsize This! (1996; deutsch: Querschüsse, Piper 2003), in dem er seinen Zorn abreagierte gegen sowohl die Konzernstilllegungen wie die Gewerkschaftsführer, die es versäumten, dagegen zu kämpfen. Eine chaotische Promotionstour für das Buch, auf der Moore an Streiks und Demonstrationen teilnahm und den Vorstand von Nike blamierte, wurde als The Big One (1997) gefilmt.
2002, mit der Veröffentlichung von Stupid White Men (verkaufte Auflage annähernd 5 Millionen) und dem Oscar-preisgekrönten Film Bowling for Columbine, in dem er die regelmäßigen Schusswaffengemetzel in der USA zur Geschichte des Kolonialismus, Rassismus und des ungezügelten Kapitalismus in Verbindung setzt, wurde Moore von einem Kulthelden der Linken zu einem Medienstar.
Wie in Stupid White Men (deutsch 2002 bei Piper) kombiniert Moore auch in Volle Deckung, Mr.Bush eine extensive Fülle von Bezügen und Quellen mit einem satirischen Biss auf die verschiedenartigsten Themen. Er wirft einen detaillierten Blick auf die unbeantworteten Fragen zum terroristischen Anschlag vom 9.11., verweist auf die umfangreichen Beziehungen zwischen der Bush-Familie, den Ölinteressen der US-Administration, der saudischen Königsfamilie und dem »Krieg gegen den Terror«. Moore deckt jene Lügen auf, die den Marsch in den Irak rechtfertigten und vergleicht das generelle Fehlen jeden Interesses von Seiten der Elite, Bush dafür verantwortlich zu machen, mit ihrem Versuch, Clinton wegen dessen Lügen zu seinen außerehelichen Sexaffären aus dem Amt zu heben.
Moore greift den von Bushs Team in Gang gesetzten »Krieg gegen Terror« ebenso scharf an wie deren innere Sicherheitspolitik, die er als Fortführung US-imperialistischer Traditionen einer permanenten Kriegführung darstellt. Einer Kriegführung, die zudem Diktatoren stützt, Staatsstreiche gegen widerständige Regierungen anzettelt, die Verelendung großer Teile der Weltbevölkerung ebenso betreibt wie Steuererleichterungen für die Reichen sowie die Unterdrückung von Dissidenz daheim. Mit einer geistreichen Bemerkung durchbricht er den Konsens der US-Elite: »Wie wir den Terrorismus stoppen können? Hören wir auf, Terroristen zu sein!«
Moores offensichtliches Bedürfnis nach Skepsis nicht nur gegen die Konservativen und die herrschende Klasse, sondern auch gegenüber den Wahrheiten der US-amerikanischen Linken hat ihm manchen Ärger mit seinen Fans und Verbündeten eingebracht. In einem Teil des neuesten Buches, drängt er linke Leser »einzusehen, dass die Linke Fehler gemacht hat«. Das ist noch nicht das Problem, wohl aber, wenn er von Mumia Abu-Jamal, dem schwarzen radikalen Journalisten, der wegen angeblichen Polizistenmords in der Todeszelle sitzt, behauptet, dass »Mumia den Kerl höchstwahrscheinlich umgebracht hat«. Solidaritätsaktivisten von Abu-Jamal verlangen deswegen von Moore, seine höchst umstrittenen Aussagen zu untermauern.

Politische Strategien

Dieser Teil des Buches ist Teil eines Kapitels über die Gewinnung der Konservativen, in dem Moore auch argumentiert, dass die Linke aufzuzeigen hat, wie Gewerkschaftsrechte, gute Löhne, eine saubere Umwelt und anständige Kinderbetreuung, Gesundheitsvorsorge und Bildung »gut für die Profite« sein können. Moore kommt manchen konservativen Vorurteilen und Geschäftsinteressen entgegen, weil er glaubt, dass eine liberale, sozialdemokratische Form des Kapitalismus die grundlegenden Probleme der arbeitenden Menschen lösen kann. Der Zorn der Moore‘schen Denunziationen des gegenwärtigen Stands der Dinge passt nicht ganz zu jener ausgesprochen moderaten Natur eines von ihm vertretenen Wandels.
Einer der positivsten Aspekte der Moore‘schen Politik ist seine Fähigkeit, sich auf einfache Menschen einzulassen. Sie beruht auf seinem Optimismus über deren Potenziale. In Volle Deckung, Mr.Bush argumentiert er, dass die Mehrheit der arbeitenden US-Amerikaner wegen ihrer Lebenserfahrung und alltagserprobten Anständigkeit zur Progressivität neigen. Er zitiert eine Menge von Umfrageergebnissen zum Abtreibungsrecht, zu Bürger- und Gewerkschaftsrechten, zum Umweltschutz und zur Gesundheitsvorsorge, um dies zu untermauern.
Immer wieder wiederholt er, dass die großen Parteien Kreaturen der großen Konzerne sind und dass es einer politischen Alternative bedarf. In The Big One ruft Moore aus: »Die reichsten ein Prozent haben zwei Parteien und wir haben keine! Das ist ausgesprochen unfair!«
In Stupid White Men beschreibt er seine Rolle als prominenter Unterstützer von Ralph Naders Grüner Partei während dessen Präsidentschaftskampagne im Jahre 2000 und wie er damals für die Idee einer Einheitsfront der Grünen mit dem demokratischen Kandidaten Al Gore argumentiert hat, um für ein taktisches Wahlverhalten in einzelnen Staaten minimale progressive Forderungen durchzusetzen und auf die Arbeiterbasis der Demokraten zu orientieren.
In Volle Deckung, Mr.Bush argumentiert Moore für eine weitere Grün- Demokratische Allianz für 2004. Diesmal jedoch will er den Präsidentenwahlkampf der liberalen, kapitalistischen Partei überlassen und die Schwerpunktsetzung zugunsten der Bildung einer politischen Alternative für jenes »Kleineres-Übel«-Argument fallen lassen, »dass es bei den Wahlen von 2004 wahrscheinlich keinen wichtigeren Imperativ für die Nation gibt als die Niederlage George W. Bushs«. Er meint, es sei zu spät, eine grüne Kampagne aufzubauen, und wirbt für eine Handvoll progressiver, liberaler Prominenter wie Martin Sheen, Paul Newman, Oprah Winfrey oder anderer, als populäre Herausforderer für Bush.
Noch problematischer: er unterstützt das, was man als kaum kleineres Übel betrachten muss — General Wesley Clark, einen Demokraten, der für Moore trotz der Tatsache, dass dieser als NATO-Oberbefehlshaber in Serbien und im Kosovo in den 90er Jahren Zivilisten bombardiert hat, einige progressive Ideen habe.
Moore verachtet den »defätistischen Charakter dieser traurigen, impotenten Demokraten«, aber er scheint hier ebenso wenig optimistisch über die Bildung einer Alternative zu ihnen wie zu den Fähigkeiten arbeitender Menschen, die Dinge zu verändern.
Einmal vergleicht Moore die Bilanz der Regierung Richard Nixons mit späteren Präsidenten und behauptet, »dass man gezwungen ist, Nixon als den letzten ›Liberalen‹ im Amt zu betrachten, lässt mich kotzen«. Er vergisst dabei jedoch, dass es die in den späten 60er und frühen 70er Jahren existierenden sozialen Massenbewegungen waren, die Nixon gezwungen haben, einige progressive Reformen wie bspw. die Gesetze zur positiven Diskriminierung entgegen seiner eigenen Ansichten einzuführen.
Das Problem mit der von Moore und anderen prominenten Linken wie Noam Chomsky und Michael Albert vertretenen »Alles-außer-Bush«-Linie ist, dass sie nicht verstehen, dass die entscheidende Begrenzung jedweder kapitalistischen Administration in der Bereitschaft und der Möglichkeit der arbeitenden Menschen liegt, für ihre Rechte zu kämpfen. Und dass eine starke grün-alternative Wahlkampagne helfen kann, die arbeitenden Menschen zu politisieren und ihnen zu helfen, zu kämpfen, egal welcher Politiker des Big Business 2004 im Weißen Haus sitzen wird.
Trotz seiner Begrenzungen steht Moore mehr auf der Seite der Linken als sonst irgendjemand mit einem Fuß in den großen Medien. Moores Werk ist unterhaltsam, verständlich und zugänglich und hat Millionen beeinflusst — nicht die schlechtesten Voraussetzungen für Linke, sich daran zu orientieren.

Nick Fredman (Green Left Weekly)

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