SoZ Sozialistische Zeitung

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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Dezember 2003, Seite 21

Ohne-mich-AG

Westend, BRD 2001, Regie: Markus Mischkowski und Kai Maria Steinkühler mit Markus Mischkowski, Kai Maria Steinkühler, Jens Claussen, Katharina Schaltz, Ralf Richter, Katy Karrenbauer u.a.

»Willkommen bei der Ohne-mich-AG«, so ist das Faltblatt zum Film »Westend« überschrieben, den die beiden jungen Kölner Filmemacher Markus Mischkowski und Kai Maria Steinkühler bereits 2001 realisierten und der seit dem 9.Oktober in unseren Kinos zu sehen ist. Im Film gehen die beiden Langzeitarbeitslosen Mike und Alfred, die von den beiden Regisseuren dargestellt werden, konsequent den Weg von der Arbeitslosigkeit über die Ich-AG zur Ohne-mich-AG. So ist der Film in Zeiten von Hartz, Rürup, Herzog, Agenda 2010 & Co. angenehm gegen den Strich gebürstet. Eine gelungene Satire auf das Klischee des »Jung-dynamisch-erfolgreich«-Unternehmers. Denn neben Mike und Alfred gibt es noch einen dritten Loser: Rasto. Dieser wirkt aber nicht wie ein Verlierer. Nur dass seine Geschäfte nicht sehr erfolgreich sind. Er handelt mit allem, was ihm in die Finger kommt. Legal oder illegal sind ihm dabei scheißegal, Erfolg hat er meistens nicht, aber es gelingt ihm, die Aura des ständig beschäftigten, von Terminen gestressten, erfolgreichen Jungunternehmers um sich zu verbreiten. Er ist der ideale Hartzianer, ein »Profi der Nation« im Vortäuschen von Erfolg, ein Held der kapitalistischen prekären Arbeit, ein Hansdampf in allen Sackgassen.
In Mike und Alfred, zwei alten Kumpels, glaubt er die Richtigen für seine neueste Geschäftsidee gefunden zu haben: Eine Imbissbude am Rande der Stadt, im kaum bebauten Niemandsland, wo sich vielleicht alle paar Stunden mal jemand hin verirrt. Das Unternehmen entwickelt sich — mit Hilfe eines geschickt platzierten Umleitungsschildes — zunächst überraschend erfolgreich. Doch dann kommt es, wie es kommen muss, und schließlich stehen Mike und Alfred wieder an ihrem angestammten Platz am Kiosk, jeder mit einer Flasche Küppers Kölsch, zu überzeugten Ohne-mich-AGs bekehrt.
Der Film enthält einige sehr schöne Szenen. Hier ein Beispiel: Mike und Alfred bewerben sich vor ihrem Engagement bei Rasto bei einem »aufstrebenden Medienunternehmer«. Als sie nach der Bezahlung fragen, versichert dieser ihnen, dass das Praktikum für sie kostenlos sei. »Jede Arbeit ist besser als keine«, selbst wenn man nicht davon leben kann. Besser kann man den Unsinn solcher Sprüche nicht darstellen.
Die karge Schwarz-weiß-Ästhetik, zwei arbeitslose Proleten als Protagonisten, da drängt sich der Vergleich mit dem finnischen Filmemacher Aki Kaurismäki geradezu auf. Auch die Vorliebe Mischkowskis und Steinkühlers für Autos aus den 70ern, die im Jahre 2001 kaum noch jemand fährt, und der treffend dargestellte schlechte Geschmack der proletarischen Helden, was ihre Kleidung angeht, erinnert an den finnischen Meister des melancholischen Humors. Auch der frühe Jim Jarmusch oder Kevin Smith (der Macher von »Clerks«) könnten einem in den Sinn kommen. Aber man soll die Vergleiche nicht überstrapazieren. Die Vorbilder sind zwar erkennbar, aber der Film hat seine eigene Sprache, seinen eigenen Humor, seine eigene Qualität. Gelegentlich ist er zwar ein wenig hölzern und vorhersehbar, aber das mindert das Vergnügen nur geringfügig. Eine romantische Liebesgeschichte mit einer Supermarktkassiererin gibt‘s auch. So ist der Film trotz einiger Schwächen ein kleines Juwel des zeitgenössischen deutschen Films. Vor allem macht er Lust auf mehr: Auf weitere Filme des hoffnungsvollen Duos Mischkowski/Steinkühler, in denen die Schwächen des Erstlings überwunden und seine Stärken weiter entwickelt werden.

Andreas Bodden

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