SoZ Sozialistische Zeitung |
»Willkommen bei der Ohne-mich-AG«, so ist das Faltblatt zum Film »Westend« überschrieben, den die beiden jungen
Kölner Filmemacher Markus Mischkowski und Kai Maria Steinkühler bereits 2001 realisierten und der seit dem 9.Oktober in unseren Kinos zu
sehen ist. Im Film gehen die beiden Langzeitarbeitslosen Mike und Alfred, die von den beiden Regisseuren dargestellt werden, konsequent den Weg von der
Arbeitslosigkeit über die Ich-AG zur Ohne-mich-AG. So ist der Film in Zeiten von Hartz, Rürup, Herzog, Agenda 2010 & Co. angenehm
gegen den Strich gebürstet. Eine gelungene Satire auf das Klischee des »Jung-dynamisch-erfolgreich«-Unternehmers. Denn neben Mike und
Alfred gibt es noch einen dritten Loser: Rasto. Dieser wirkt aber nicht wie ein Verlierer. Nur dass seine Geschäfte nicht sehr erfolgreich sind. Er handelt
mit allem, was ihm in die Finger kommt. Legal oder illegal sind ihm dabei scheißegal, Erfolg hat er meistens nicht, aber es gelingt ihm, die Aura des
ständig beschäftigten, von Terminen gestressten, erfolgreichen Jungunternehmers um sich zu verbreiten. Er ist der ideale Hartzianer, ein
»Profi der Nation« im Vortäuschen von Erfolg, ein Held der kapitalistischen prekären Arbeit, ein Hansdampf in allen Sackgassen.
In Mike und Alfred, zwei alten Kumpels, glaubt er die Richtigen für seine neueste
Geschäftsidee gefunden zu haben: Eine Imbissbude am Rande der Stadt, im kaum bebauten Niemandsland, wo sich vielleicht alle paar Stunden mal
jemand hin verirrt. Das Unternehmen entwickelt sich mit Hilfe eines geschickt platzierten Umleitungsschildes zunächst
überraschend erfolgreich. Doch dann kommt es, wie es kommen muss, und schließlich stehen Mike und Alfred wieder an ihrem angestammten Platz
am Kiosk, jeder mit einer Flasche Küppers Kölsch, zu überzeugten Ohne-mich-AGs bekehrt.
Der Film enthält einige sehr schöne Szenen. Hier ein Beispiel: Mike und Alfred
bewerben sich vor ihrem Engagement bei Rasto bei einem »aufstrebenden Medienunternehmer«. Als sie nach der Bezahlung fragen, versichert
dieser ihnen, dass das Praktikum für sie kostenlos sei. »Jede Arbeit ist besser als keine«, selbst wenn man nicht davon leben kann. Besser kann
man den Unsinn solcher Sprüche nicht darstellen.
Die karge Schwarz-weiß-Ästhetik, zwei arbeitslose Proleten als Protagonisten, da
drängt sich der Vergleich mit dem finnischen Filmemacher Aki Kaurismäki geradezu auf. Auch die Vorliebe Mischkowskis und Steinkühlers
für Autos aus den 70ern, die im Jahre 2001 kaum noch jemand fährt, und der treffend dargestellte schlechte Geschmack der proletarischen Helden,
was ihre Kleidung angeht, erinnert an den finnischen Meister des melancholischen Humors. Auch der frühe Jim Jarmusch oder Kevin Smith (der Macher
von »Clerks«) könnten einem in den Sinn kommen. Aber man soll die Vergleiche nicht überstrapazieren. Die Vorbilder sind zwar
erkennbar, aber der Film hat seine eigene Sprache, seinen eigenen Humor, seine eigene Qualität. Gelegentlich ist er zwar ein wenig hölzern und
vorhersehbar, aber das mindert das Vergnügen nur geringfügig. Eine romantische Liebesgeschichte mit einer Supermarktkassiererin gibts
auch. So ist der Film trotz einiger Schwächen ein kleines Juwel des zeitgenössischen deutschen Films. Vor allem macht er Lust auf mehr: Auf
weitere Filme des hoffnungsvollen Duos Mischkowski/Steinkühler, in denen die Schwächen des Erstlings überwunden und seine
Stärken weiter entwickelt werden.
Andreas Bodden
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