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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Januar 2004, Seite 4

Offiziell vertuscht

Arm sein tötet

von MANUEL KELLNER

Im Jahre 1998 kam eine Arbeitsgruppe der Europäischen Union (EU) zu dem kaum verwunderlichen Ergebnis, dass niedrige Lebenserwartung besonders stark mit geringem Einkommen, niedrigem Rang in der beruflichen Hierarchie und mangelnder Bildung korreliert ist. Ein niedriger Lebensstandard verkürzt das Leben sehr viel stärker als im Sinne der Lebenserwartung ungünstige genetische Anlagen — und die nützen entsprechend wenig, wenn es Menschen dreckig geht.
Doch was man ahnt und was man weiß, ist nicht dasselbe. Im Spiegel (Nr.44/03) steht im Rahmen eines Berichts über den Weltkongress von 2500 Statistikern aus 110 Ländern in Berlin Mitte August: »In Deutschland allerdings wird dies — um des sozialen Friedens willen — möglichst verheimlicht. Auf den Totenscheinen wird der Beruf, anders als früher, nicht mehr erwähnt.« Die Rentenversicherer ihrerseits hüten ihre umfangreichen Einsichten als profitträchtiges Geschäftsgeheimnis.
Die Ergebnisse der Statistiker zur Lebenserwartung sind in vieler Hinsicht interessant und regen teils auch zum Schmunzeln an. Grade für Männer etwa ist es viel gefährlicher, ledig oder gar geschieden alleinstehend zu sein, als zu rauchen, sich zu vernachlässigen, spät ins Bett zu gehen und allzuviel zu saufen. Obwohl das meist Hand in Hand geht. Es ist zu konstatieren, dass Männlein und Weiblein in den bayerischen Bergen sehr viel länger leben als in Neufünfland (wobei die ostalgischen Neigungen wieder abnehmen, wenn man liest, dass die Lebenserwartung in Deutschlands Osten seit der Einverleibung in den Westen stark steigt). Die Segnungen des Neokapitalismus bescheren russischen Männern allerdings eine Lebenserwartung von 58,9 Jahren, womit sie durchschnittlich 16 Jahre früher sterben als ihre deutschen Geschlechtsgenossen. Warum Frauen aller sozialen Schichten und Kulturkreise durchschnittlich viele Jahre länger leben als Männer, ist übrigens keineswegs eindeutig geklärt — am plausibelsten scheint eine Kombination hormoneller und kulturell bedingter Faktoren (dass Frauen sich oft gesitteter und vernünftiger verhalten als Männer, springt ins Auge).
Die skrupellosen bürgerlichen Politiker und Bürokraten aber, die bewusst verschleiern, wie sehr Armut und niedriger Lebensstandard das Leben drastisch verkürzen, seien aus möglichst vielen Kehlen und auf der Straße an eine einfache Wahrheit erinnert: Die meisten Schweine von heute sind die Schinken von morgen.

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