SoZ Sozialistische Zeitung

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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Februar 2004, Seite 4

Das Kopftuchverbot oder:

Die Rettung des Abendlands

von ANGELA KLEIN

Vor fünf Monaten hat das Bundesverfassungsgericht im sog. Kopftuchurteil gefordert, die Frage, ob Lehrerinnen an deutschen Schulen ein Kopftuch tragen dürfen, gesetzlich zu regeln. Dabei hatte Karlsruhe verlangt, alle Religionen müssten gleich behandelt werden.
Bundespräsident Rau hat dazu den einzig richtigen Vorschlag gemacht: Jedes religiöse Symbol — gleich ob Kreuz, Kopftuch oder Kippa — hat in den öffentlichen Einrichtungen eines Staates, der Staat und Religion trennt, nichts zu suchen. Jeder Versuch, das Kreuz zu retten, das Kopftuch aber zu verbannen, ist scheinheilig und bedeutet nichts anderes als die Privilegierung einer Religion, und somit die Unterdrückung einer anderen.
Art.140 GG fordert ausdrücklich die Trennung von Kirche und Staat. In Deutschland ist sie allerdings auf halbem Weg stecken geblieben: Der Staat zieht die Kirchensteuer ein und das Grundgesetz gewährleistet den Religionsunterricht an öffentlichen Schulen. Im laizistischen Frankreich, aber auch in den USA gibt es beides nicht. Allerdings kennt das Grundgesetz keine Festlegung auf die christliche Religion, auch nicht auf die Werte des Abendlands. Beides aber wollen Bundesländer wie Niedersachsen, Baden-Württemberg und Bayern jetzt durch gesetzliche Festlegungen zum Kopftuch erreichen.
Niedersachsen wie Baden-Württemberg wollen an öffentlichen Schulen »politische, religiöse, weltanschauliche oder ähnliche Bekundungen«, die die Neutralität des Landes in Frage stellen oder »den Schulfrieden gefährden«, untersagen. Das Bekunden christlicher, jüdischer und abendländischer »Bildungs- und Kulturwerte« bleibt vom Verbot jedoch ausgenommen. Es liegt somit in der Willkür der Staatsbeamten zu entscheiden, ob Flugblätter (weltanschauliche) oder Kopftücher (religiöse Bekundungen) an Schulen zu untersagen sind, die Begegnung mit der christlichen oder jüdischen Religion hingegen nicht. Der niedersächsische Kultusminister Busemann rechtfertigt dies mit dem Hinweis: »Wir leben nun mal in der abendländischen, christlich-jüdischen Tradition.« Als »Neutralität« kann eine Haltung kaum bezeichnet werden, wenn der Staat sich das katholische Dogma zu eigen macht, dass es auf der Welt nur eine Kultur und eine Religion geben darf. Damit wären wir wieder in der Zeit der Kreuzzüge gegen »Ungläubige«.
Solche Gesetzentwürfe bilden die Grundlage für die Diskriminierung des Islam und mit ihm der muslimischen Gemeinden in der BRD. Sie widersprechen dem Geist des Grundgesetzes. Eine muslimische Lehrerin aus Wolfsburg will gegen das Gesetz klagen. Recht hat sie.

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