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Durststrecke oder Marktbereinigung, Umstrukturierung oder Ausverkauf die Geschäftsführer in den Kliniken
und Altenheimen des Ruhrgebiets sind sich nicht einig, wie sie ihre Beschäftigten auf die bevorstehende Krise einstimmen sollen. Sicher scheint nur: Das Jahr
2004 wird die Krise dramatisch verschärfen.
Wenn die NRW-Gesundheitsministerin Birgit Fischer gute Stimmung macht wie jüngst am
18.September beim 89.Unternehmertreff, dann trumpft sie mit eindrucksvollen Zahlen aus dem Ruhrgebiet auf. Fast 51000 Betten stehen in 133 Kliniken, was
»in der Patientenversorgung einen Spitzenplatz in Europa bedeutet«. Hinzu kommen knapp 6000 niedergelassene Ärztinnen und Ärzte und
3000 Zahnärzte und Kieferorthopäden, rund 70 bio-medizinische Unternehmen und drei Universitäten mit medizinischen Fakultäten.
»Die Gesundheitswirtschaft ist leistungsstarker Motor für den Aufschwung im Ruhrgebiet.«
Im Zusammenhang mit der aktuellen Runde der Krankenhausplanung in NRW deutet die Ministerin
genau diesen »Spitzenplatz« ganz entgegengesetzt als »Überversorgung«. Seit Ende Dezember 2001 müssen die
Krankenhäuser in regionalen Planungsrunden, moderiert von den Krankenkassen, sich selbst 9500 Betten wegstreichen. Lediglich eine
»Grundversorgung« wohnortnah im Umkreis von 20 Kilometern soll es danach geben. Im Ballungszentrum zwischen Duisburg und
Dortmund kann damit jedes Krankenhaus von seinen Konkurrenten auf die Abschussliste gesetzt werden.
Da unterbieten sich die Krankenhäuser gegenseitig mit Sonderangeboten an AOK, Barmer
oder BKK. Sie treibt die Hoffnung, zum Schluss, wenn auch gerupft, so doch wenigstens zu den Überlebenden zu gehören. Und darum beschwören
sie ihre Beschäftigten, mit gehörigen Opfern ihre Arbeitsplätze sichern zu helfen.
Die Hälfte der Häuser werden von kirchlichen Trägern betrieben. Die haben in
diesem Preiskampf den Vorteil, ungebunden von Tarifverträgen und ungehindert durch Betriebs- oder Personalräte in die Abwärtsspirale abtauchen
zu können. So konnte das evangelische Bethesda-Krankenhaus in Essen mit seiner Mitarbeitervertretung vereinbaren, die Arbeitszeit um eine Stunde in der
Woche zu verlängern, das Weihnachtsgeld um 20% und den Monatslohn um 8% zu kürzen. Dagegen steht dort die zweifelhafte Hoffnung, wenigstens die
Hälfte der Arbeitsplätze retten zu können.
Hierbei spielt der örtliche Bedarf an Gesundheitsversorgung, die Patienten und ihre
Krankheiten, wenigstens als Idee noch eine Rolle. Im parallel bevorstehenden ersten Jahr der Einführung landesweit einheitlicher Preise für
Krankenhausleistungen sortiert die unsichtbare Hand des Marktes. Ungeachtet der medizinischen und pflegerischen Kompetenz geraten jetzt die wirtschaftlich
Schwächeren auf die schiefe Bahn; wer aber hat, dem wird gegeben.
Bei den im Revier niedergelassenen Ärzten können wir bereits heute beobachten, wie
ungesund eine solche Steuerung über »monetäre Anreize« wirkt. Der Herner Statistiker Klaus Marquardt weist nach, Städte mit
geringen durchschnittlichen Einkommen wie Gelsenkirchen, Duisburg, Herne oder Oberhausen haben auch eine kaum halb so dichte
Ärzteversorgung wie z.B. Bonn, Düsseldorf oder Münster. Marquardt: »Bei mir entsteht der Eindruck, dass trotz einer gesetzlichen,
verbandsrechtlichen und vertraglichen Regelung die Versorgung mit ambulanten ärztlichen Dienstleistungen ganz überwiegend vom Markt gesteuert
wird. Ärztliche Praxen agieren als Unternehmen und orientieren sich wesentlich an Gewinnerwartungen und damit an der Kaufkraft der
Bevölkerung.«
Nicht nur die Ärzte gehen nach Geld. Die privaten Klinikketten haben bislang einen Bogen um
die Krankenhäuser des Ruhrgebiets gemacht. Doch sie stehen für ein Schnäppchen durchaus bereit. In Oberhausen kaufte sich Anfang 2003 die
»Neue Pergamon« das bis dahin katholische St.-Elisabeth-Hospital. Bereits ein Jahr zuvor sicherte sich der MediClin-Konzern mit der Fachklinik Rhein-
Ruhr in Kettwig am Essener Stadtrand nach eigenen Worten »eine Brückenkopffunktion sowohl innerhalb des Ballungszentrums als auch
für die Aktivitäten des Unternehmens in Nordrhein-Westfalen«. Auch die Helios-Kette hat nach dem St.-Josefs-Hospital in Bochum-Linden nun
durch die jüngsten Übernahmen in Wuppertal und Schwelm mehr als einen Fuß in der Tür.
Es scheint nur noch eine Frage von 12 Jahren, bis die Krankenhauslandschaft im Revier
ähnlich fest in privaten Händen ist wie heute schon die »Seniorenresidenzen«.
Tobias Michel
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