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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Februar 2004, Seite 11

Münchener Sicherheitskonferenz

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Vor 40 Jahren, im Jahre 1962, wurde auf dem Hintergrund einer strategischen Neuausrichtung der US-Politik und der NATO im Gefolge der Kuba-Krise die Münchener »Wehrkundetagung« ins Leben gerufen, die eine zwanglose Diskussion der Militär- und Rüstungspolitik der NATO-Staaten ohne Entscheidungsdruck und unter Hinzuziehung von sog. »Experten« gewährleisten sollte.
Die Leitung dieser Konferenz wurde damals in die Hände des ehemaligen Wehrmachtsoffiziers Ewald von Kleist, eines Sympathisanten der Offiziere des 20.Juli 1944, gelegt. Nach und nach entwickelte sich die Veranstaltung zu einem jährlichen Treffpunkt von hochkarätigen Politikern, Militärstrategen und Rüstungsplanern. Die mittlerweile in »Sicherheitskonferenz« umbenannte Veranstaltung jährt sich dieses Jahr also zum vierzigsten Mal.
Aus Anlass dieses Jubiläums wird die Bedeutung der Tagung zusätzlich dadurch unterstrichen, dass diesmal sämtliche Kriegsminister der NATO-Staaten ihr Kommen zugesagt haben. Die von einigen Seiten unternommenen Versuche, auch die UNO einzubinden und deren Generalsekretär Kofi Annan zum Kommen zu bewegen, sind (wohl wegen der US-amerikanischen Vorbehalte der UNO gegenüber) gescheitert.
Auf der Internet-Seite der Münchener Konferenz wirbt Horst Teltschik, Vorstandsmitglied der »Herbert-Quandt-Stiftung«, die dem BMW-Konzern und der Milliardärsfamilie, die dort die Aktienmehrheit besitzt, nahesteht — er war bis 1998 Kanzlerberater von Helmut Kohl und ist mittlerweile für den US-Rüstungsgiganten Boeing tätig —, als verantwortlicher Organisator der Konferenz für diese Veranstaltung: »Was das Weltwirtschaftsforum in Davos für die Spitzenvertreter der internationalen Wirtschaft ist, ist die Sicherheitskonferenz in München für die Repräsentanten der strategischen Gemeinschaft.« Angeblich befasse sich das Treffen »ausschließlich mit der Frage, wie Konflikte friedlich gelöst werden können«, daher sei die Tagung eine »internationale Friedenskonferenz«. Erwartet werden Politiker und Militärstrategen aus 33 Ländern.
Was hier unter Frieden verstanden wird, zeigt allein schon die Tatsache, dass in Teltschiks eigenen Worten »Spitzenmilitärs aus aller Welt« nach München kommen werden. Die Sicherheit, um die es hier geht, ist die Sicherheit der Plünderung der Rohstoffe des Planeten im Interesse der reichen Länder des Nordens und die Unterdrückung von Gegenmaßnahmen, wie sie aus der immer schärferen Polarisierung von Reichtum und Armut weltweit erwachsen.
Während im vergangenen Jahr die Konferenz im Zeichen des bevorstehenden Irakkriegs stand, zeichnen sich heuer Vorträge und Debatten zu vier »Problemkreisen« ab:
♦  Die Schwierigkeiten der USA und ihrer Satelliten bei der Kontrolle des Irak und der Installierung einer ihnen gewogenen Regierung, die von der Bevölkerung nicht als Marionette wahrgenommen wird; außerdem die Beteiligung jener Staaten an einem Übergangsregime, die der US-Invasionspolitik bisher eher skeptisch gegenüber standen, also die BRD und Frankreich.
♦  Der »Kampf gegen den Terrorismus« und die Verbindung von militärischen und Rüstungsmaßnahmen mit Aktionen, die bisher eher verschiedenen Einheiten der Polizei vorbehalten waren.
♦  Die Entwicklung der »europäischen Verteidigungsidentität«, wie sie unter anderem vom vorliegenden Verfassungsentwurf des Europäischen Konvents verlangt wird. Hierbei geht es insbesondere um die Frage der von den NATO-Strukturen unabhängigen militärischen Eingreifstrukturen und die mögliche Konkurrenzsituation zu den USA.
♦  Schließlich finden Rüstungsexperten und -lobbyisten jedes Jahr genügend Gelegenheit, ihre neuen Erfindungen und Technologien zu präsentieren, im Moment steht die Hightechausrüstung des »neuen Infanteristen« sowie das Equipment der »schnellen Eingreiftruppen«, die in vielen Ländern gebildet werden, ganz oben auf der Liste.
Wolfgang Schäuble dürfte mit seiner in der Süddeutschen Zeitung (7.1.04) getroffenen Aussage: »Der Frieden in der globalisierten Welt wird deshalb … davon abhängen, wie wir zu einer ganz wesentlich intensivierten Entwicklungspolitik und zu einer neuen Form der Abschreckung gelangen«, durchaus den allgemeinen Tenor der Konferenz vorgegeben haben. Wobei man kaum falsch liegen dürfte, wenn man annimmt, dass nicht nur er auch die militärischen Interventionen in Afghanistan und den Irak als »Entwicklungspolitik« begreift.

Proteste und Repression

Die Münchener Friedensbewegung und die globalisierungskritische Bewegung haben gegen das Treffen der Kriegsplaner zu Gegenaktionen aufgerufen. Am 5.2. gibt es einen internationalen Kongress, am 6.2. sind Aktionen und eine Menschenkette in der Nähe des Nobelhotels »Bayerischer Hof«, in dem die Tagung stattfindet, geplant, und am 7.2. soll ab 12 Uhr eine Kundgebung auf dem Marienplatz mit anschließender Demonstration abgehalten werden.
Außerdem finden im Vorfeld zahlreiche Einzelveranstaltungen statt. Angesichts der Bedeutung der Konferenz werden zahlreiche Demonstrierende erwartet; allerdings wird es wohl schwierig sein, die Zahl von 30000 Kriegsgegnern, die sich im vergangenen Jahr auch vor dem Hintergrund des nahenden Irakkriegs in München eingefunden hatten, zu übertreffen.
Im Vorfeld der Aktionen kommt es seit Jahren zu Auseinandersetzungen mit den Behörden und der Polizei darüber, ob an den beiden Konferenztagen in München überhaupt demonstriert werden darf. Vor zwei Jahren wurde über die Stadt ein allgemeines Demonstrationsverbot verhängt, weil die Polizei angeblich »Erkenntnisse des Verfassungsschutzes« erhalten hatte, wonach »3000 gewaltbereite Autonome« in München einfallen wollten.
An der verbotenen Demonstration beteiligten sich trotzdem rund 10000 Menschen, und es kam zu über 800 Festnahmen sowie einem Überfall auf das Gewerkschaftshaus. Des Weiteren wurden wohl über tausend Leute an den verschiedenen Grenzen nach Süden unter Androhung von »Unterbindungsgewahrsam« abgewiesen. Nach Polizeiangaben gab es 8609 Personen-, 3499 Pkw- und 112 Zugkontrollen. Dies zeigt allein schon, wie lächerlich die von der Polizei immer wieder bei Gericht vorgebrachte Behauptung ist, sie habe wegen der Sicherheitsanforderungen der »NATO-Sicherheitskonferenz« nicht genügend Personal zur Verfügung, um auch noch für den »Schutz von Demonstrationen« sorgen zu können.
Im vergangenen Jahr gab es dann zwei Demonstrationen, eine »gute«, von der SPD, den Grünen und dem DGB unter Führung von Oberbürgermeister Christian Ude angemeldete, die sich nicht gegen die »Sicherheitskonferenz«, sondern nur gegen den drohenden Irakkrieg wandte, sowie eine »böse«, die beides im Zusammenhang sah und auch die Rolle von Rot-Grün und der EU thematisieren wollte.
Im Umfeld kam es zu zahlreichen polizeilichen Übergriffen; vor allem im »Tröpfelbad« wurden 264 meist junge Leute festgehalten und 22 in »Gewahrsam« genommen. Soweit bisher Prozesse gelaufen sind, wurde die Rechtswidrigkeit der polizeilichen Aktionen festgestellt. Insbesondere wurde die »Ingewahrsamnahme« von Claus Schreer, einem weithin bekannten Aktivisten der Friedensbewegung, vom Gericht nicht akzeptiert.
Nachdem die behördlichen Bemühungen, die Demonstrationen einfach zu verbieten, durch die massenhafte Teilnahme eine Abfuhr erlitten haben, möchte die Polizei offenbar zur Politik der selektiven Repression übergehen.
Am 29.12.2003 schlagzeilte die Süddeutsche Zeitung: »Die Berufs-Protestler werden ausgefiltert«, und gab völlig unkritisch einen Plan »aus Polizeikreisen« bekannt, wie »gewaltbereite Demonstranten« aus München herausgehalten werden sollen. »Neben einer massiven Polizeipräsenz in der Stadt und einem Sicherheitsgürtel rund um den Tagungsort Bayerischer Hof richten die Beamten an den Einfallsstraßen Kontrollstellen ein. Einschlägig bekannte Berufsdemonstranten — die Personalien liefern die Verfassungsschutzämter [sic!] — sollen hier herausgefiltert und umgehend zurückgeschickt werden.«
Der Kampf gegen die Kriegsplaner der Welt ist somit auch ein Kampf zur Verteidigung von demokratischen Rechten. Je stärker die Mobilisierungen ausfallen, umso schwieriger wird es für die Behörden, Demos zu verbieten oder ganze Gruppen zu kriminalisieren. Sorgen wir also dafür, dass die Aktionen gegen die NATO-Sicherheitskonferenz am ersten Februar-Wochenende ein voller Erfolg werden!

Paul Kleiser

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