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Der Kerngedanke der Europäischen Union, die Realisierung des Binnenmarkts, ist ihr Hauptanliegen. Das kommt auch im
Verfassungsvertrag zum Ausdruck, wenn es zu den Zielen der Union heißt: Sie »bietet ihren Bürgerinnen und Bürgern … einen
Binnenmarkt mit freiem und unverfälschtem Wettbewerb« und gewährleistet die vier Grundfreiheiten »Personen-, Waren-,
Dienstleistungs- und Kapitalverkehr«. Der freie und unverfälschte Wettbewerb ist die Seele der EU-Verfassung; alles andere ist dem untergeordnet.
Die Wächterin dieses Ziels ist die EU-Kommission; in ihr verkörpert sich die Religion des Freihandels und sie hat das Recht, dieses Ziel auch gegen
Mitgliedstaaten durchzusetzen, die vom Glauben abfallen wie Deutschland und Frankreich, die derzeit vom Stabilitätspakt nichts wissen wollen.
Von Alters her aber gehört der freie Handel zum Schwert wie die linke Hand zur rechten.
In Lissabon hat der Europäische Rat als Ziel der Union definiert: »die wettbewerbsfähigste und dynamischste Region der Welt zu
werden«. Das lässt sich mit ökonomischen Mitteln allein nicht erreichen. Im Irakkrieg standen die »Großen« in der EU vor
der Frage, ob sie militärisch ein Juniorpartner der USA bleiben, oder durch Zusammenlegung ihrer militärischen Kräfte zu seinem
Konkurrenten aufsteigen wollten. Sie konnten darüber keine Einigkeit erzielen. Und so ging der Schritt zur Militärunion von einzelnen
Mitgliedstaaten aus Deutschland, Frankreich, Belgien und Luxemburg auf dem »Pralinengipfel« am 29.April 2003. Und damit deren
Rüstungsbestrebungen nicht durch das Vetorecht im Europäischen Rat torpediert werden, wurde eine neue Methode der Zusammenarbeit in der
Union in die Verfassung aufgenommen: die »verstärkte Zusammenarbeit«. Sie gibt den Kriegstreibern unter den EU-Staaten freie Hand.
Es ist nicht verwunderlich, dass Großbritannien auf dem EU-Gipfel am 16.Oktober 2003
dem Club beitrat. Die großen EU-Staaten sind über ihre außenpolitische Orientierung weidlich zerstritten vor allem über ihr
Verhältnis zu den USA; aber über den Nutzen, die militärische Hegemonie nicht den USA zu überlassen, sind sie sich einig. Und
solange sich Aufrüstung als Eindämmung des Supermachtsstrebens der USA verkaufen lässt, wird sie schamlos als Friedenspolitik
bezeichnet, und es gibt genügend, die darauf reinfallen.
Nicht nur die Grünen sehen in einem militärischen Gleichgewicht zwischen den
EU und den USA ein Faustpfand für den Frieden. Auch Bernard Cassen schreibt in einem Büchlein über die globalisierungskritische
Bewegung: »Es reicht nicht, die Autorität der UNO wieder herzustellen, man muss ihr auch die Mittel an die Hand geben, sie auszuüben. Hier
kommen wir zur Frage des Gebrauchs von Gewalt und damit der Existenz von bewaffneten Kräften und Militärkrediten im Gegensatz zu
den libertären und pazifistischen Traditionen zahlreicher Organisationen. Solange dieses Tabu nicht aufgehoben ist und die Debatten über
die europäische Verteidigung bieten dazu Gelegenheit , werden wir nicht sehr weit kommen.«
In Bezug auf die europäische Integration bedeutet das Europa der zwei
Geschwindigkeiten, das die Militärunion einleitet, einen Rückschritt zur traditionellen zwischenstaatlichen Machtpolitik einen
zusätzlichen Spaltpilz in Europa. Der neue Rüstungswettlauf, der jetzt mit den USA eingeläutet wird, wird damit nicht weniger
gefährlich.
Kernelemente sind ein eigenes Satellitennavigationssystem, ein eigenes Hauptquartier und die
Zusammenlegung der militärischen Potenziale in der Weise, dass arbeitsteilig hochgerüstet werden kann, Doppelungen vermieden werden und die
Haushalte nicht allzu sehr strapaziert werden. Strucks Pläne für den Umbau der Bundeswehr zu einer weltweit einsetzbaren Elitearmee, sein
Verzicht auf bestimmte Anschaffungen, weil sie »bereits in anderen EU- und NATO-Staaten entwickelt« würden, sind beispielhaft für
die Anpassung der Militärstrukturen in Teilen der EU.
Der militärische Aufschluß zu den USA setzt zudem voraus, dass die EU die US-
amerikanische Militärdoktrin übernimmt. Sie fordert unter dem Vorwand des »Kriegs gegen den Terror« die Kontrolle über alle
ökonomisch und militärisch wichtigen Regionen der Welt. Anders gesagt: das Recht zu Angriffskriegen.
Angela Klein
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