SoZ Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, März 2004, Seite 4

Kolumne von Jakob Moneta

Nur die Vermittlung ist das Problem

Robert Kurz — der manchmal mit seiner Theorie auch daneben liegt — hat diesmal auf ein entscheidendes Problem hingewiesen. Er geht davon aus, dass trotz der immer tieferen Weltkrise dieses kapitalistischen Systems die Menschen vor dem "unbekannten zurückschrecken. Sie klammern sich an die Illusion, dieses System könne wieder repariert werden." Deshalb gebe es für eine zu formulierende radikale Kritik ein Problem, "die Vermittlung".
Hierbei gehe es nicht bloß darum, die theoretische Kritik dem sperrigen Normalbewusstsein zugänglich zu machen, sondern auch um einen praktischen Weg, aus dem "Erdbebengebiet" der Ware-Geld- Beziehungsverhältnisse hinaus zu finden. Das aber sei so schwierig, weil dieses System "totalitär" ist. Die Warenform und damit die Geldform dehnte im Verlauf einer mehrhundertjährigen kapitalistischen Entwicklung ihren Zugriff derart tief in die Lebensverhältnisse hinein aus, dass sie nur von einem zentralen Hebepunkt aus überwindbar erscheint, etwa nach dem Motto: "Ganz oder gar nicht." Zur Überwindung der jetztigen Produktions- und Lebensweise seien Überlegungen für "Vermittlungs- oder Übergangsschritte anzustellen", meinte Robert Kurz.
Hier müsste allerdings aus den Marx‘schen Grundrissen zitiert werden: "In dem Maße, wie die große Industrie sich entwickelt, wird die Schöpfung des wirklichen Reichtums abhängig weniger von der Arbeitszeit und dem Quantum angewendeter Arbeit … als vom allgemeinen Stand der Wissenschaft und dem Fortschritt der Technologie oder der Anwendung dieser Wissenschaft auf die Produktion." Der jetztige Reichtum beruhe auf "dem Diebstahl fremder Arbeitszeit", das Kapital verhindere, die Arbeitszeit auf ein Minimum zu reduzieren, setze aber zugleich die Arbeitszeit als einziges Maß und Quelle des Reichtums … Es stellt sich heraus, dass das Wachstum der Produktivkräfte nicht mehr gebannt sein kann an die Aneignung fremder surplus labour, sondern die Arbeitermasse selbst sich ihre Surplusarbeit aneignen muss."
Aber Robert Kurz geht auf das Problem der Arbeitszeitverkürzung als "Vermittlungs- und Übergangsschritt" zu einer anderen Gesellschaftsform nicht ein. Er fragt, ob es nicht möglich sei, bestimmte Bereiche aus der Warenform herauszubrechen und nennt die Frage des Grund und Bodens. Die "Landbesetzerbewegungen in den Krisenregionen der Dritten Welt und das ersatzlose Wegfallen der Grundrente könnten eine Bresche in den totalitären Anspruch des warenproduzierenden Systems schlagen", meint er. Während aber die Arbeitsverkürzung immerhin bereits von Massenorganisationen erkämpft worden ist und im Bewusstsein der Arbeiterklasse eine Rolle spielt, kann solches von der "Kurz-Utopie" kaum gesagt werden.
Sogar nach der jetzt zu Ende gegangenen Tarifbewegung der IG Metall schrieb Eva Roth in der Frankfurter Rundschau: "Es ist zwar eine schöne Vorstellung, dass die meisten Vollbeschäftigten weniger arbeiten, Jobsuchenden Platz machen und sich selbst mehr Zeit für die Familie und Weiterbildung verschaffen. Die Chancen, dass dies auch Wirklichkeit wird, sind zurzeit allerdings gering."
Da die Statuten der IG Metall keine Urabstimmung vorsehen, um festzustellen, wieviel Widerhall das jetzige Traifabkommen bei der Basis hat, müssen wir mit "revolutionärer Geduld" 26 Monate warten, um festzustellen, was es wirklich gebracht hat.
Wenn aber wahr ist, dass Kinder und Narren (zu denen auch Schriftsteller gehören) die Wahrheit sagen, sollten wir uns merken, was Rolf Hochhut erklärte: "Es wird eine totale Revolution, nicht nur der Arbeitswelt, sondern unserer gesamten Lebensform stattfinden. Auch wenn es heute idiotisch klingt, der Gesetzgeber wird es jedem verbieten, länger als vier Stunden täglich zu arbeiten, damit auch der Nachbar mal vier Stunden Arbeit hat. Das kostbare Gut der Arbeit wird rationiert."

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