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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, März 2004, Seite 16

Arbeiterkommunistische Partei Irak

Gegen Besatzung und Widerstand

Aso Jabbar ist seit dem Krieg in Afghanistan Aktivist des Schweizer Bündnisses gegen Krieg. Außerdem ist er Mitglied der Arbeiterkommunistische Partei Iraks (API), Koordinator der Organisation für die Freiheit der Frauen im Irak in der Schweiz und Leiter des Netzwerks der Repräsentanten der Gewerkschaft der Arbeitslosen im Irak im Ausland. Mit ihm sprach Harald Etzbach für die SoZ.

Wie ist die Geschichte der API? Was unterscheidet die API von anderen linken Organisationen der Region?
Die API ist 1993 durch den Zusammenschluss von vier marxistischen Gruppen gegründet worden. Wir haben jetzt Aktivitäten unterschiedlicher Intensität und Komitees in den meisten irakischen Städten. Mehr als 65% der Mitglieder sind Araber, der Rest sind Kurden. Die API hat intensive Auseinandersetzungen mit kurdischen Nationalisten, Islamisten und dem Baath-Regime erlebt. Unser Ziel ist die Schaffung einer sozialistischen Republik im Irak. Im Unterschied zu anderen linken Gruppierungen vertreten wir klare Positionen gegen Nationalismus, Islam und islamistische Gruppierungen. Wir analysieren die Konflikte in der irakischen Gesellschaft aus der Sicht des Marxismus und treten für die Organisierung der Arbeiterklasse und benachteiligten Menschen in Arbeiterräten und unabhängigen Organisationen, die Gleichberechtigung von Frauen und Männern und die Entwicklung einer sozialistischen Perspektive in der Arbeiterklasse ein.

In der letzten Zeit ist die API insbesondere durch ihre scharfe Kritik an der Kampagne »10 Euro für den irakischen Widerstand« aufgefallen…
Diese Kampagne unterstützt den politischen Islam und arabische Nationalisten. Diese Gruppen wollen einen islamischen Staat im Irak schaffen oder die Nationalisten wieder an die Macht bringen. Die Anschläge haben die politische, wirtschaftliche und soziale Situation für die Menschen im Irak sehr verschlechtert, Hunderte unschuldiger Zivilisten wurden Opfer. Auch linke Organisationen, Frauen und Arbeiteraktivisten werden angegriffen. Vor zwei Wochen hat eine solche Gruppe Yanar Mohammad, Gründerin der Organisation für die Freiheit der Frauen im Irak, bedroht. Die Rede vom »nationalen Widerstand« vergisst, was eine ethnische, nationale oder religiöse Bourgeoisie und Diktatur mit Individuen, die frei denken und leben wollen, grausam und brutal anrichtet. Das Groteske an dieser Situation ist, dass westliche Regierungen mit westlichen Linken, die sich eigentlich als Opposition verstehen, gemeinsam gegen die Sache der freien Gewerkschaften, Arbeiterräte, Frauen- und Menschenrechtsgruppen, gegen die säkularen und fortschrittlichen Bewegungen in Nahost aktiv sind. Für den militärischen Widerstand ist die Besatzung ein Vorwand, um terroristische Aktionen zu rechtfertigen, und für die USA ist dieser Widerstand ein Vorwand, um die Besatzung des Irak zu verlängern. Dabei haben die Menschen im Irak nichts zu gewinnen. Sie brauchen weder diejenigen, die die westlichen Regierungen an der Macht sehen wollen, noch diejenigen, für die hier nun Spenden gesammelt werden sollen.

Sowohl Vertreter der Irakischen Kommunistischen Partei (IKP) wie auch antiimperialistische Linke im Westen werfen der API vor, im Grunde völlig unbedeutend zu sein. Welche Verankerung hat die API im Irak?
Die IKP ist eine nationalistische Partei und Mitglied des irakischen Regierungsrats, das heißt direkte Verbündete der USA, der kurdischen und arabischen Nationalisten und des politischen Islam. 60 Jahre nach ihrer Gründung ist die IKP heute ein Hindernis für die Arbeiterklasse. Gruppen wie die »Antiimperialistische Koordination« (AIK) hingegen sind auf der Seite des militärischen Widerstands, des reaktionären politischen Islams, des militanten Nationalismus. Es ist sehr normal, dass diese Gruppen uns als unbedeutend betrachten. Sie werden unsere Arbeit auch niemals gutheißen. Der API ist es gelungen, im ganzen Irak Dutzende unabhängiger Arbeitergewerkschaften, den Arbeiterrat der Öl-Gesellschaft in Kirkuk und die »Organisation für die Freiheit der Frauen im Irak« zu schaffen sowie Massenproteste sowohl gegen die Besatzung als auch für politische Freiheiten, Frauenrechte und wirtschaftliche Forderungen zu organisieren. Büros der Partei wurden in Bagdad, Kirkuk und anderen Städten eröffnet. Zudem haben wir die Gewerkschaft der Arbeitslosen im Irak mit mehr als 150000 Mitgliedern gegründet, die erste Arbeiterorganisation, die Proteste gegen die Besatzung und einen fünfzigtägigen Proteststreik vor der US-Zivilverwaltung durchgeführt hat. Ende der Besatzung, Sicherheit der Zivilbevölkerung, fortschrittliche Arbeitsgesetze, ein nichtethnischer und nichtreligiöser Staat im Irak, politische Freiheiten und moderne Zivilgesetze, Aufbau einer Zivilgesellschaft sind weitere Ziele der API.

Was tut die API gegen die US-Besatzung?
Kampf gegen die Besatzung ohne Organisierung und Ausbau einer starken politischen und gesellschaftlichen Bewegung ist nicht möglich. Die gegenwärtige katastrophale Situation im Irak und die aktuellen Konflikte sind das direkte Ergebnis des US-Krieges und der Besatzung. Deshalb kann dieses reaktionäre Szenario nur mit dem Abzug der USA und ihrer Verbündeten zu Ende gehen. Wir bestehen auf dem Abzug dieser Mächte und dem Aufbau einer Regierung, welche auf dem Willen der Massen basiert. Wir glauben, dass politischer und Massenkampf die geeignete Form der Auseinandersetzung in der aktuellen Situation im Irak sind. Wir rufen die Menschen auf, sich um diese Alternative herum zu organisieren, die Bewegung zu stärken, um die amerikanischen Besatzung zu entfernen und um die Baath-Partei und die islamischen Gruppen zu beseitigen oder sie zu Randgruppen zu machen.

Wie ist Ihre Position zur Forderung allgemeiner Wahlen, wie sie Schiitenführer al Sistani im Januar aufgestellt hat? Würden solche Wahlen zurzeit nicht unweigerlich zu einer schiitisch-fundamentalistischen Mehrheit führen?
Diese Forderung ist in erster Linie Propaganda des politischen Islam. Es geht darum, Macht zu demonstrieren und einen Staat nach dem Modell der Islamischen Republik in Iran zu schaffen. Al Sistani weiß genau, dass die USA mit sehr großen Schwierigkeiten konfrontiert sind. Er will die fortschrittlichen und linken Bewegungen der Organisationen und Menschen im Irak daran hindern, sich zu entwickeln und damit die Zivilbevölkerung unterdrücken. Unter der US-Besatzung sind freie Wahlen undenkbar. Die wichtigste Frage im Irak ist nicht die nach freien Wahlen, sondern der Abzug der Besatzungsmächte. Erst danach können Wahlen unter internationaler Beobachtung, eventuell durch die UNO, durchgeführt werden. Die Voraussetzung für Wahlen sind in meiner Sicht Abzug der US-Truppen, Entwaffnung der Milizen der Nationalisten und der islamischen Gruppierungen, politische Freiheiten und eine sechsmonatige Frist für alle politischen Kräfte im Irak, um sich auf die Wahlen vorzubereiten. Die Bevölkerung muss unter internationaler Beobachtung Raum haben, frei zu entscheiden.

Welche konkreten Formen der internationalen Solidarität sollte nach Ansicht der API die westliche Linke entwickeln?
Wir sprechen nicht nur von der Solidarität der westlichen Linken für die Menschen im Irak, sondern auch von der Front der zivilisierten Menschheit, die während der riesigen Antikriegsbewegungen weltweit gegen die Kriegstreiberei der USA auf den Straßen protestierte. Konkrete Solidarität wünschen wir uns in der Unterstützung für die Arbeiter- und Arbeitslosenbewegungen, ihre Organisationen und Gewerkschaften und die fortschrittlichen Frauenbewegungen. Die Menschen im Irak brauchen nach 35 Jahren Unterdrückung und Massakern wirklich und dringend Unterstützung in allen Aspekten — finanziell, moralisch und politisch.

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