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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, März 2004, Seite 22

AANO ruft ALB, AW, AH, TAG...

Kolumne von Thies Gleiss

Eine »Erklärung der Autonomen Antifa Nordost Berlin (AANO) zu den Ereignissen rund um den 31.Januar 2004 in Hamburg« unter dem schwer originellen Titel »Die Antifa ist tot, es lebe die Antifa…« komplettiert eine der Possen, die derzeit immer mal wieder passieren und die als dadaistische Performance noch Unterhaltungswert haben könnten, wenn denn ein wenig mehr Sprachbegabung mobilisierbar wäre.
Unter den Antis herrscht Unruhe. Die »Spaltung zwischen so genannten antideutschen und antiimperialistischen Antifaschisten« »wurde auf den unterschiedlichen ›linken‹ Events mehrmals vollzogen und in Hamburg ist dem nun die Krone aufgesetzt worden«. Dabei sollten »die Mobilisierungen im Januar nach Hamm sowie Hamburg eigentlich die ersten wichtigen Nagelproben zwischen den beiden Antipoden werden«, denn »diese Spaltung hat sich am Anfang der Auseinandersetzungen weder in organisatorischer, noch unbedingt in inhaltlicher Trennung der beiden konträren Positionen wieder gespiegelt.« Aber irgendwie war sie doch da, und widerspiegelte die Antipathie der Antideutschen gegenüber den Anti-Antideutschen.
So wie die Zapatisten Mexikos bekanntlich »fragend voranschreiten«, wollte auch die AANO einmal mehr »der kritischen Theorie folgend in den mörderischen Alltag dieses post-nationalsozialistischen Landes intervenieren.« Dazu reihte sie sich zusammen mit der »KP Berlin« und ausgerüstet mit Zeichen der »Solidarität mit den alliierten Streitkräften«, namentlich »Union Jack und Stars and Stripes« und Israelfahnen in eine Demonstration von Linken gegen Rechte ein. Die Interventionskraft solcherart kritischer Theorie hat sich dann schnell erschöpft, denn »teilweise vermummte Demonstranten entrissen (die Fahnen) den Antifaschisten unter Schlägen und Tritten«. Wenn sie jetzt nicht teilweise, sondern ganz oder vielleicht gar nicht vermummt gewesen wären, hätte es dann anders ausgehen können? Die Hamburger Polizei jedenfalls mischte sich in die Prügelei auf ihre bekannte Art ein. Einem »israelsolidarischen Antifa« zog sie dabei die geliebte Fahne ein, »doch trotzdem konnte er mit weiß-blauen Farben glänzen. Er zog seine Jacke aus und darunter erschien ein Sporttrikot der israelischen Nationalmannschaft«. Die »Sprecherin der AANO« stellte dennoch zerknirscht fest: »Unsere Mobilisierung war nur teilweise erfolgreich«. Das scheint auch auf die Selbstüberzeugung von der eigenen Analyse zuzutreffen. Denn im fatalen Rückfall in die so arg kritisierte »Böse/Gut-Politik« der Anti-Antideutschen wird konstatiert: »Auch die Tatenlosigkeit der umstehenden Antifaschisten überraschte leider auch an diesem Tag sehr negativ.« Haben doch in den sonstigen Feststellungen alle, die den Quark der Antideutschen nicht teilen, »ein Weltbild als ideologische Denkform, dass die gesellschaftlichen Verhältnisse simplifiziert, sowie … die Abwehr der selbstkritischen Auseinandersetzungen mit den eigenen Bedürfnissen nach individueller und kollektiver Identität als deren notwendiges psychologisches Korrelativ.«
Bei genauerer Beobachtung hat wohl keine Gruppe in unserem Land derzeit so heftige Bedürfnisse nach »individueller und kollektiver Identität« wie die »Antideutschen«. Deshalb muss die »Erklärung« auch mit prächtiger Identitätsstiftung enden: »Von Übergriffen wie in Hamburg werden wir uns nicht einschüchtern lassen. Gerade in der lokalen Kontroverse sind wir sehr zuversichtlich für die Zukunft, auch wenn es natürlich die überall bekannten Ausnahmen gibt.« Und damit die »lokale Kontroverse« — nicht zu verwechseln mit der Lokus-Streiterei oder dem Wirtshausgepöbel — auf den Punkt gebracht werden kann »erwarten (wir) darüber hinaus von den antifaschistischen Berliner Gruppen ALB, AW, AH, TAG, AAK, AAPB usw. eine Stellungnahme zu ihrem Nichtverhalten«.
Der vorletzte Satz der »Erklärung« heißt dann überraschenderweise: »Die Ereignisse zeigen deutlich, dass die zivilisatorischen Restposten in diesem Land verteidigt werden müssen.«
Das glauben wir nach solcher Lektüre allerdings auch.

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