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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, April 2004, Seite 4

Symbolisch

Köhler for President?

von CHRISTOPH JÜNKE

So wie das repräsentative Bundespräsidentenamt vor allem ein symbolisches ist, so ist der designierte neue Bundespräsident Horst Köhler ein Symbol, das nicht hoch genug veranschlagt werden kann. Einmal mehr, diesmal jedoch im höchsten Amte, hat sich im undurchsichtigen Parteienstreit ein politischer Apparatschik neoliberalsten Wassers als siegreicher Kreuzungspunkt zwischen Liberalismus und Sozialkonservatismus erwiesen.
Horst Köhler, den meisten Bundesbürgern bisher reichlich unbekannt, ist dabei kein unbeschriebenes Blatt. Der versierte Banker (u.a. Sparkassenpräsident und Chef der Osteuropabank) mit CDU-Parteibuch war als Finanzstaatssekretär unter Helmut Kohl federführend beteiligt am treuhänderischen Ausverkauf der alten DDR, eine der größten Enteignungsaktionen von gesellschaftlichem Eigentum, den unsere Geschichte kennt — und dies will bekanntlich was heißen. Dass dieser Mann sein räuberisches Tagewerk auf SPD-Bundeskanzler Schröders Geheiß seit einigen Jahren ebenso erfolgreich als IWF-Chef fortgesetzt hat, mag ihn ja als Repräsentanten von Deutschlands Stellung in der Welt prädestinieren. Ein Repräsentant der deutschen Bevölkerung wird er deswegen sicherlich nicht.
Köhlers mögliche Bundespräsidentschaft ist so vor allem ein Symbol für das Selbstbewusstsein unserer herrschenden Klasse und die andauernde Hegemonie ihrer Ideologie.
Köhlers mögliche Präsidentschaft ist aber auch ein Symbol für den Zustand unserer beherrschten Klassen. Hin und her gerissen zwischen empörtem Unmut über Sozialkahlschlag und Militarisierung sowie ohnmächtigem Desinteresse am politischen Geschäft, gewinnt einmal mehr das letztere.
Köhlers mögliche Präsidentschaft ist schließlich auch ein Symbol für den Zustand einer Linken, die noch immer zu glauben scheint, dass die Hauptgefahr vom ultrarechten Rand oder, in diesem Falle, vom Konservatismus, sprich: Wolfgang Schäuble komme — als ob Hamburg nicht soeben einmal mehr bewiesen hätte, dass und wie der rechtsradikale Populismus unlöslich am Tropf des herrschenden Systems hängt.
Sicher, es geht beim Bundespräsidentenamt um reichlich wenig, um Symbolik. Aber welche Symbolik hätte es, wenn sich eine globalisierungskritische Bewegung mit Verve in einen zweimonatigen Kampf zur Verhinderung eines solchen politischen Symbols werfen würde? Und was würde es bedeuten, wenn dies nicht einmal versucht werden würde?

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