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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, April 2004, Seite 6

Bochum:

Demo gegen Faschismus und Antisemitismus

»Wiederaufbau der Synagoge unterstützen! Neonazi-Aufmarsch verhindern!« Unter diesem Motto versammelten sich am 13.März etwa 2000 Menschen zu einer Demonstration in Bochum. Sie sollte sich ursprünglich gegen einen Aufmarsch der NPD richten, der jedoch am 12.März vom Bundesverfassungsgericht endgültig verboten wurde. Die Neo-Nazis wollten gegen den Bau einer neuen Synagoge demonstrieren. Das Bochumer Bündnis demonstrierte unabhängig vom Stattfinden der Nazi-Zusammenrottung für den Bau der Synagoge und damit gegen Antisemitismus.

Während linke Gegendemonstrationen in der Vergangenheit nach Verboten von Nazi-Kundgebungen oft ausfielen oder schlecht besucht waren, hielt das Bochumer Bündnis an seinem Aufruf fest und bekam großen Zuspruch. Das ist die erste Besonderheit der Bochumer Antifa-Mobilisierung. Die zweite Besonderheit ist das Verbot des NPD-Auflaufs auch durch das Bundesverfassungsgericht. Dieses hatte sich in der Vergangenheit eher damit hervorgetan, rechtsradikale Aufmärsche in letzter Instanz doch noch zu genehmigen. »Im Vorverständnis des Bundesverfassungsgerichts hat das Ziel, nazistische Äußerungen aus dem demokratischen Willensbildungsprozess auszuschließen offenbar keine herausragende Bedeutung«, stellte der Bochumer Richter Feldmann in seiner Rede auf der Abschlusskundgebung der Demonstration dazu fest. Ausschlaggebend war in diesem Fall die Tatsache, dass der Aufruf der NPD als Volksverhetzung, also als Straftat, zu gelten habe. Ein Umdenken des obersten deutschen Gerichts ist aus diesem Urteil also nicht abzuleiten.
Doch halt: Ein Richter als Redner auf einer antifaschistischen Demonstration? Damit wären wir bei der dritten Besonderheit dieser Demonstration in Bochum. Am 22.Januar hatten 24 Bochumer Richterinnen und Richter ein Verbot der Nazi-Demonstration gefordert. Ralf Feldmann war einer von ihnen. Tatsächlich wurde der Aufmarsch dann verboten. Es zeigt sich also, dass es in der deutschen Justiz Menschen gibt, die mit der aus Kaiserreich und Weimarer Republik überkommenen Tradition, dass die deutsche Rechtspflege auf dem rechten Auge blind oder mindestens stark kurzsichtig ist, brechen wollen. Bisher wirkt sich das aber kaum auf die Rechtsprechung aus.
Auch die Bochumer Polizei agierte zunächst vorwiegend gegen rechts. Am 11.März durchsuchte sie die NRW-Zentrale der NPD in Bochum-Wattenscheid. Im Anschluss daran wurde gegen Oliver W. vom Landesvorstand der Jungen Nationaldemokraten ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Während der Demonstration agierte sie aber wieder nach dem gewohnten Muster.
Auf der Internetseite www.bo-alter nativ.de wird berichtet, dass die Polizei vor dem Hauptbahnhof eine Absperrkette bildete, um »jüngere Leute, die so aussahen, als gehörten sie zur Antifa« zu kontrollieren. Weiter heißt es dort, dass während der Demonstration zwei Jugendliche festgenommen werden sollten, die angeblich Eier geworfen hatten. Anstatt sich mit der Feststellung der Personalien zu begnügen, wollten die Beamten die jungen Leute unbedingt mit zur Wache nehmen, was erst nach längeren Verhandlungen und einer halbstündigen Unterbrechung der Demonstration verhindert werden konnte. Falls die Bochumer Demonstration der Beginn eines Lernprozesses bei Polizei und Justiz in Bezug auf Antifaschismus sein sollte, was sowieso fragwürdig ist, haben beide Institutionen noch einen weiten Weg vor sich.
Es gab am gleichen Tag noch zwei weitere Demonstrationen in Bochum: Am Nachmittag hatte das »offizielle« Bochum unter Federführung von Oberbürgermeister Stüber ebenfalls zu einer Kundgebung für den Bau der Synagoge aufgerufen, zu der aber nur 500 Menschen kamen. Auch die sog. »Antideutschen« hatten zu einer separaten Kundgebung unter dem Motto »Antisemitismus bekämpfen! Solidarität mit Israel!« aufgerufen. Wesentlich wichtiger dürfte etwa die Erklärung von 89 Ver.di-Vertrauensleuten sein, in der sie sich mit der großen Demonstration und der jüdischen Gemeinde solidarisierten. So begrüßenswert die Mobilisierung so vieler Menschen gegen Faschismus, Antisemitismus und Rassismus ist, so zeigte die Demonstration auch, dass so breite Mobilisierungen nur auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner zu erreichen sind.
Von linker Kapitalismuskritik war in dem auch von linken Gruppen unterzeichneten Aufruf noch nicht einmal andeutungsweise die Rede. Da aber die Nazis nicht nur in diesem Falle die sich verschärfenden sozialen Gegensätze für ihre menschenverachtende Propaganda nutzen wollten — sie mobilisierten nach Bochum mit der Parole »Stoppt den Synagogenbau — 4 Millionen fürs Volk« — ist eine populäre emanzipatorische Kapitalismuskritik nötiger denn je.

Heinz Berg

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