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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Mai 2004, Seite 4

Die Logik des Krieges

Israel/Palästina

von CHRISTOPH JÜNKE

Die Ermordung des Hamasführers Yassin Ende März, das Treffen von Bush und Sharon und die unmittelbar folgende Ermordung des Yassin-Nachfolgers Rantisi Mitte April markieren nicht nur einen tiefen Einschnitt im Nahostkonflikt. Sie sind auch aufs Engste verknüpft mit der parallel vor sich gehenden Zuspitzung des »Krieg gegen den Terror« im Irak.
Israel will die meisten (nicht alle) seiner illegalen Siedlungen und seine etwa 7500 Siedler im palästinensischen Gaza-Streifen räumen. Im Gegenzug sollen mindestens sechs große Siedlungsblöcke im palästinensischen Westjordanland, wo insgesamt über 200000 israelische Siedler leben, annektiert und ausgebaut werden. US-Präsident Bush unterstützt nun diesen Plan und hat sich ebenfalls gegen das bisher geltende Rückkehrrecht der palästinensischen Flüchtlinge ausgesprochen.
Die »Road-Map« ist damit auch formal Geschichte, Bush hat sich vollends und bedingungslos hinter Sharon und die israelische Aggressionspolitik gestellt. Internationales Recht und Menschenrecht werden mit den Füßen getreten und das seit 1991 geltende Prinzip, dass der seit Jahrzehnten schwelende Nahostkonflikt nur durch Verhandlungen zwischen Israel und den Palästinensern gelöst werden könne und solle, wieder aufgegeben. Die als vermeintlicher »Sicherheitszaun« verkaufte Mauer durch das Westjordanland offenbart sich damit sinnfällig als Mittel illegaler Landaneignung. Einen territorial zusammenhängenden Palästinenserstaat, der diesen Namen verdient, wird es damit wohl nicht mehr geben. Den Palästinensern ist das Recht abgesprochen, als politisches Kollektiv zu fungieren. Israel, die USA, und über kurz oder lang auch die vereinigten Verbrecherstaaten Europas akzeptieren, wie die israelische Journalistin Amira Hass kritisch pointiert feststellte, einzig noch eine »Ansammlung palästinensischer Individuen, deren private Eigentumsrechte auf ihren Familienbesitz wir in besonderer Großzügigkeit anerkennen werden«.
Das hat seine Logik: Wurden von israelischer Seite zuerst die wirtschaftlichen Grundlagen (Landwirtschaft und Tourismus) gezielt zerstört und danach die politischen Institutionen und ihre Infrastruktur (Autonomiebehörde und Zivilgesellschaft), ging man schließlich dazu über, die politische Führung der Palästinenser zu liquidieren — zuerst »Versöhnler« aus der zweiten und dritten Reihe, nun »Hardliner« aus der ersten. Ziel ist nicht nur die politische »Entwaffnung« des palästinensischen Widerstands und die sukzessive Vertreibung von Palästinensern aus den besetzten Gebieten, sondern auch eine Machtdemonstration, die sowohl die renitenten Palästinenser als auch die nicht mehr ganz so zahlreichen Oppositionellen in Israel selbst einschüchtern soll.
Wer in der Wende von US-Präsident Bush und dem hilflosen und ohnmächtigen Hinterherdackeln der Europäer — allen voran Deutschlands — eine Konsequenz des beginnenden US-Wahlkampfs sieht, irrt. Es ist die Logik des vermeintlichen »Kriegs gegen den Terror«, der Bush und Sharon zu »Brüdern im Geiste« (Handelsblatt) werden ließ — nicht nur im Geiste und nicht nur die beiden.

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