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Bundesumweltminister Trittin und sein Kollege Clement haben sich unter dem Druck ihres Chefs, des Kanzlers, in der Nacht
vor dem 30.März auf einen sog. Kompromiss in der Frage des Handels mit Emissionszertifikaten geeinigt. Sie ermöglichten damit dem Bundestag,
über einen »Nationalen Allokationsplan« zu entscheiden, wie es EU-Regelungen zum Klimaschutz vorschreiben. Dieser Verteilungsplan legt
fest, welche bundesdeutschen Betriebe wie viel Erlaubnisscheine für den CO2-Ausstoß für die Erstausstattung an Emissionsrechten erhalten.
Über die politische Qualität dieses »Kompromisses« hat der gesamte
Blätterwald einmütig geurteilt: Erstens wurde einmal mehr der Klimaschutz kurzfristigen Industrieinteressen geopfert; zweitens haben sich die
Grünen und Trittin wieder als »unbegrenzt belastbar« erwiesen und sind umgefallen und drittens hat sich Schröder wie immer als
Vollstrecker des Willens der Unternehmerverbände erwiesen.
Keiner ist aus der Rolle gefallen. Für die Sache selbst, den Klimaschutz, war schon die
Ausgangsposition nicht besonders gut. Das von der Europäischen Union unterzeichnete Kyoto-Abkommen verlangt von der EU ihre
Treibhausgasemissionen bis 2012 um 8% gegenüber dem Stand von 1990 zu reduzieren. Deutschland muss dabei eine Reduzierung um 21% umsetzen.
Die Reduktionszahlen von Kyoto sind unter Klimaschützern als längst nicht
ausreichend dargestellt worden, um die Erwärmung des Weltklimas wirklich einzudämmen. Um zu einem nach Umweltexperten und nach deren
derzeitigem Wissen »unbedenklichen« CO2-Ausstoß von ungefähr zwei Tonnen pro Kopf und Jahr zu kommen, müssten die
Einsparziele viel drastischer sein. In armen Ländern wie Indien wird heute ungefähr eine Tonne pro Kopf und Jahr an CO2 ausgestoßen. In
den USA sind es 20,5 und in Deutschland 10 Tonnen.
In Deutschland werden zurzeit jährlich 836 Millionen Tonnen CO2 ausgestoßen,
davon 505 Millionen von der Industrie, die vom Emissionshandel betroffen sein wird. Sie müssten also weder auf die von Trittin gewollten 488 Millionen
Tonnen, noch auf die von Clement erzwungenen 503 Millionen, sondern auf 170 Millionen reduziert werden. Gleichzeitig ist das Kyoto-Abkommen noch nicht
in Kraft, weil es von mindestens 55 Staaten, die 55% der Emissionen von 1990 verantworten, unterzeichnet werden muss.
Die USA haben sich bekanntlich aus dem Kyoto-Prozess ausgeklinkt. Ein ziemlich
überflüssiger Streit also, könnte man meinen. Politisch interessant sind deshalb auch im Wesentlichen andere Aspekte: Wie ernsthaft kann der
Kapitalismus mit seinen eigenen marktwirtschaftlichen Mitteln die Umwelt schützen und sanieren?
Deutschland habe seine Vorgaben aus dem Kyoto-Protokoll, so wird immer vollmundig
behauptet, schon fast erfüllt. Schließlich wären die CO2-Emissionen seit 1990 schon um 18% reduziert. Man solle doch um die letzten 3%
keinen Wirbel machen. In Wirklichkeit ist der Löwenanteil dieses Rückgangs eine Folge der massiven Deindustrialisierung der ehemaligen DDR.
Die letzten Prozent sind dagegen kaum ohne strenge Auflagen zu schaffen. Im Gegenteil, in den letzten zwei Jahren ist Deutschland von der Realisierung der
Kyoto-Ziele sogar wieder ein wenig weiter abgerückt.
Seit offenkundig ist, dass die kapitalistische Produktionsweise in besonderer und bedrohlicher
Weise die Umwelt ausplündert und gleichzeitig mit Abfallstoffen und Emissionen unerwünschter Gase überfüllt, also ungefähr
seit Anfang der 70er Jahre, bemühen sich die bürgerliche Ökonomen, das Problem dieser Zerstörung mit ihren unverrückbaren
Prämissen, Privateigentum an Produktionsmitteln, Lohnarbeit und Marktwirtschaft, in Einklang zu bringen, um kapitalismuskonforme Methoden des
Umweltschutzes zu finden.
Fangen wir mit der einfachsten Methode an: Auch ein Privatbesitzer eines großen
Unternehmens, ein Vorstand einer weltweit agierenden Aktiengesellschaft, ja sogar ein Wolfgang Clement könnte ja vernunftgeleitet reagieren. Wenn
festgestellt wird, ein Produkt oder eine Produktionsanlage hat gravierende Umweltauswirkungen, dann könnte diese doch im Interesse der Menschen
schnellstens stillgelegt oder umgerüstet werden.
Als die Kyoto-Verhandlungen im Gange waren, gab es ein Zeugnis dieser Vernunft: Am
19.Juli wurde in allen großen Tageszeitungen Europas eine ganzseitige Anzeige geschaltet, die nur einen Satz zum Inhalt hatte: »Wir fordern die
Regierungen der Welt auf, das Kyoto-Protokoll möglichst schnell, das heißt bis 2002, in Kraft zu setzen.« Darunter standen nur noch die
Namen von vielen kleinen und großen Unternehmen. Wenig später erklärte sich die deutsche Industrie und Energiewirtschaft in einer
freiwilligen Selbstverpflichtungserklärung bereit, bis 2010 den CO2-Ausstoß um 45 Millionen Tonnen zu reduzieren. Heute will von dieser
Erklärung niemand mehr etwas wissen.
Weil niemand wirklich an die Vernunft eines nur in ökonomischen Kriterien denkenden
und handelnden Unternehmers glaubt, kamen die Wirtschaftstheoretiker auf den schlauen Gedanken, man müsse die Natur und auch ihre Zerstörung
zu einer Ware machen, dann könne diese gehandelt werden und würde in die betrieblichen Kalkulationen als »interner Faktor« mit
einfließen.
Der Trick besteht darin, für den Ausstoß von bspw. CO2 Zertifikate auszuteilen.
Wenn ein Unternehmen jetzt mehr Verschmutzungen erzeugt, müssen Zertifikate zugekauft werden, im anderen Fall können Zertifikate verkauft
werden. Zukünftig könnte sogar eine richtige Börse mit Umweltschutzzertifikaten entstehen, mit allen guten und geschmacklosen
Börsenvermittlungsgeschäften, die man so kennt.
Der von der EU beschlossene CO2-Zertifikatshandel wäre der erste Versuch in der
Praxis solcher Theorien. Doch schon hier schreien die Marktapostel auf, dass es so nicht laufen könne. Die Emissionshandelsrichtlinie, mosert das Institut
der deutschen Wirtschaft, handele nur in einem Artikel von dem Handelssystem, der Rest der 33 Artikel regele nur Teilnahmebedingungen, Zuteilung der
Erstrechte und die Kontrolle. Es wird, so orakelt der Spiegel, eine neue Superbehörde nötig sein, um die Emissionen zu kontrollieren. Auch in
Deutschland gibt es über die politischen Vorgaben der Erstrechtvergabe verbitterten Streit.
Wir haben schon vor fast 15 Jahren an dieser Stelle festgestellt, dass wenn die Politik will, dass
die »Wirtschaft« für eine bestimmt Menge Emissionen Geld zahlen muss, dann bräuchte sie den Umweg über Zertifikate und
Zertifikatshandel nicht zu gehen. Eine Abgabe hätte die gleiche Wirkung und könnte direkter und leichter kontrolliert werden. Das passt aber nicht
in die Zeiten der Deregulierung. Außerdem können am Zertifikatshandel wahrscheinlich viele kleine Dienstleister gut mitverdienen.
Umweltzerstörung als Geldmaschine, das passt natürlich wieder. Zahlen wird aber in jedem Fall die Umwelt und der Endverbraucher, also wir alle.
Thies Gleiss
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