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Zur Europawahl am 13.Juni 2004 werden in Deutschland auf der Linken zwei Parteien kandidieren, die aus derselben Tradition
kommen und nun gegeneinander stehen: DKP und PDS. Dass sie das tun, hängt mit dem Werdegang der Europäischen Linkspartei (ELP)
zusammen, die am 8. und 9.Mai im Rom formell gegründet wird.
„Im Februar 2003 verabschiedete die EU-Kommission in Kooperation mit dem
Europaparlament eine Richtlinie über »Statuten und Finanzierung der europäischen politischen Parteien«. Demnach hängt die
Existenz einer europäische Partei davon ab, ob das Europaparlament (EP) sie anerkennt. Es kann sie vom Register nehmen, wenn »sie die
Grundwerte der Union, wie in den Verträgen und in der Grundrechtecharta festgelegt, nicht respektiert«. Auf europäischer Ebene sind
Parteien also Teil der EU-Institutionen, ihre Eigenständigkeit ist stark eingeschränkt. Eine europäische Partei bekommt von der EU ordentlich
Geld; bei fehlendem Wohlverhalten wird dies natürlich entzogen.
„Die Bildung der ELP ist der Versuch, an dieses Geld ranzukommen, und zwar auf ziemlich
unkritische Weise: Weder werden die politischen Gegenleistungen reflektiert, die für den Geldsegen erbracht werden müssen, noch bemüht
sich das Projekt um eine möglichst breite Repräsentation der EU-kritischen und antikapitalistischen Linken. Beides hat unter den (ehemaligen)
Kommunistischen Parteien in Europa zu heftigen Zerwürfnissen geführt.
„Die ELP ist ein exklusiver Klub. Die Parteien, die daran beteiligt sind (also vom Geld was
abbekommen), wurden handverlesen. Die DKP, aber auch die griechische KKE, die portugiesische PCP und die meisten osteuropäischen Parteien
gehören nicht dazu. Sie hatten den Vorschlag gemacht, die ELP nur als eine für alle offene technische Konstruktion zu behandeln,
die dem Prozess der inhaltlichen Neuformierung nicht vorgreifen würde. Das wurde abgelehnt, mit dem Erfolg, dass damit nicht nur die
»orthodoxe« Richtung düpiert wurde, sondern auch Wahlparteien, die aus der Zusammenarbeit von Organisationen verschiedener politischer
Tradition hervorgegangen sind, wie De Lenk aus Luxemburg.
Den tragenden und dominierenden Kern der ELP bilden jetzt vier Parteien: Izquierda Unida, Rifondazione Comunista, die PCF und die PDS. (Angeschlossen
haben sich weiter: Synaspismos, die Sozialdemokratische Arbeiterpartei Estlands, die Demokratische Linke der Tschechischen Republik, die
Menschenrechtspartei Lettlands, die KPÖ.) Sie alle akzeptieren die EU als strategischen Rahmen ihrer Politik und sind bereit zu
Regierungsbündnissen mit der Sozialdemokratie. Starke Differenzen gibt es unter ihnen u.a. über die EU-Verfassung: Rifondazione und PCF lehnen
sie ab, PDS und IU sehen sie positiv.
„Im EP haben vergangenes Jahr vier der fünf PDS-Vertreter für den
Verfassungsentwurf gestimmt. Im Vorfeld des Europaparteitags der PDS im Januar dieses Jahres wurde dies wieder rückgängig gemacht; im dort
verabschiedeten Europawahlprogramm heißt es, der Verfassung könne nicht zugestimmt werden, solange die Militärunion darin verankert sei.
Wegen ihrer Festlegung auf die neoliberale Wirtschaftsdoktrin lehnt die PDS den Entwurf nicht ab. Ihr Nein steht deshalb auch auf schwachen Beinen: Das
zentrale Faltblatt zu den Europawahlen, in dem sie ihre Positionen verdichtet, weiß vom Nein zur EU-Verfassung nichts mehr. Hier heißt es
stattdessen: »Die PDS bekennt sich zu ihr [zur EU] und zur Vertiefung der europäischen Integration.« Die PDS will gar »eine
europäische Wirtschaftspolitik, die auf die Stärkung des europäischen Binnenmarkt gerichtet ist«. Sie will ein auch eine
europäische Sozialpolitik, von gemeinsamen sozialen Standards mit Angleichung nach oben steht da aber nichts. »Europa braucht eine Verfassung
und wird eine Verfassung bekommen.« In der Tat. Sie begrüßt ausdrücklich die Grundrechtecharta.
„Eine wichtige Aufgabe für Europa sieht die PDS im Kampf gegen
Kriminalität, »Terrorismus muss entschieden bekämpft werden«. Europol soll ausgebaut werden. Kein Wort der Kritik an der
Wucherung neuer, unkontrollierte Repressionsorgane… Man versteht diese Position nur, wenn man berücksichtigt, dass die PDS die bestehende EU
als einen positiven Gegenpol zum »Weltgendarm USA« sieht.
Selbst bei gutem Willen kann man eine solche Partei nicht ins EP schicken. Auf der anderen Seite legt die DKP ein Europaprogramm vor, das sich mit den
Positionen der Europäischen Antikapitalistischen Linken weitgehend deckt. Es denunziert in klaren Worten die EU als imperialistische Groß- und
Militärmacht, als ein Projekt der Banken und Konzerne, fordert die Aufhebung des Stabilitätspakts und des Schengener Abkommens, eine
»Neufassung der europäischen Sozialcharta mit der Festlegung verbindlicher sozialer Rechte und Mindeststandards in der gesamten EU, die eine
Angleichung nach oben« vorsehen, partizipative Demokratie auf allen Ebenen usw. Der einzige Schönheitsfehler an der Kandidatur der DKP ist,
dass sie den heutigen Bemühungen um breite Bündnisse nicht entspricht. Das ist jedoch nicht ihre Schuld, mindestens haben in Deutschland die
Partner gefehlt, die ihren erklärten Willen getestet hätten.
„Beiden Programmen ist gemeinsam, dass sie sich mit dem besonderen föderalen
Charakter der EU, den das kapitalistische Binnenmarktprojekt diktiert, nicht auseinandersetzen. Die PDS steuert schnurgerade auf ein »europäisches
Sozialstaatsmodell« zu, das eine Übertragung des nationalstaatlichen Wohlfahrtsmodells auf die europäische Ebene nahelegt. Das entspricht
zwar den Vorstellungen des DGB, ist aber dennoch nicht realistisch; die staatliche Einheit, die für 80 Millionen Einwohner möglich ist, ist es nicht
mehr für 450 Millionen. Die USA sind ein gutes Beispiel dafür.
„Die DKP spricht vom grundlegenden Bruch mit den kapitalistischen Produktions- und
Eigentumsverhältnissen, aber auch sie weicht der Frage nach dem Verhältnis von Nationalstaat zu supranationalen Strukturen aus. Hier steht eine
Debatte noch ganz am Anfang. Erfreulicherweise schreibt die DKP: »Eine fortschrittliche Alternative zur heutigen EU kann nicht in einer Rückkehr
zur nationalstaatlichen Abschottung … liegen.« Das hebt sich wohltuend ab von der Europa-Ignoranz zahlreicher Linker. Damit ist aber weder
geklärt, wie eine EU-Staatsbürgerschaft definiert werden soll, noch welche Rechten und Pflichten damit verbunden sind, noch welche
Entscheidungen auf welchen Ebenen gefällt werden sollen, noch welche Befugnisse die einzelnen Ebenen haben sollen. Weniger denn je reicht es heute
aus, andere Eigentumsverhältnisse zu fordern.
Angela Klein
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