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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Mai 2004, Seite 21

Dub Revolutionaries

»Sly und Robbie dürften zweifellos als die wichtigsten Musiker des Reggae gelten«, so die Musikzeitschrift Riddim in ihrer aktuellen Ausgabe. Auch wenn dies sicherlich etwas übertrieben ist, so hat diese Drum-and-Bass-Rhythmussektion auf unzähligen Plattenproduktionen mitgewirkt und den Sound des Reggae und der Dub-Musik maßgeblich mitgeprägt. Es ist vielleicht typisch, wie sie sich kennen gelernt haben: Der Bassist Robbie Shakespeare erinnert sich: »Ich kann mich nicht mehr genau an das Jahr erinnern, aber ich weiß, ich bin ‘74 oder ‘75 das erste Mal in ein Aufnahmestudio gegangen, und ich spielte mit einer Band in einem Club namens Evil People auf der Red Hills Road. Das ist gleich nebenan vom Tit For Tat, wo Sly gewöhnlich auftrat. Wir gingen also in diesen Club, um Sly spielen zu sehen und ich sagte gleich: ›Dieser Schlagzeuger hat‘s drauf‹, es gefiel mir sehr, wie er spielte. Ich erzählte meinen Leuten von ihm und wir gingen zu ihm hin, und Peter Tosh hatte gerade keinen Schlagzeuger — und so spielte Sly dann mit.« Das war so eine Geschichte, von der Mad Professor sagt: »Manche Träume realisieren sich über Nacht.« Dies hängt sicherlich auch mit der Situation Anfang der 70er Jahre in Jamaika zusammen, als Bob Marley and the wailers weltweit dem Reggae zum kommerziellen Durchbruch verhalfen.
Es sollte jedoch bis 2003 dauern, ehe die beiden Musiker mit Neal Freaser, besser bekannt als Mad Professor, in dessen Londoner Studio zusammenfanden. Dem ging jedoch eine ähnliche Geschichte voraus: Sly & Robbie waren zusammen mit Lee sratch Perry auf Tour, der von Mad Professor abgemischt wurde. Sly Dunbar erinnert sich: »Er fragte uns, ob wir etwas gemeinsames machen wollten. Wir sagten: ›Kein Problem‹, und gingen mit ihm in sein Londoner Studio. Es gab vier Sessions an zwei Tagen. Er mixte unsere Tracks und wir waren mit dem Ergebnis mehr als zufrieden. Er ist nicht nur ein großartiger Toningenieur, sondern ein echter Mad Professor.«
Das Ergebnis: The Dub Revolutionaries hat nun nicht etwas Revolutionäres, aber es ist der deutliche Beweis, dass diese ganze Boy- und Girlgroup-Castinggeschichte für den Mülleimer ist. 28 Tracks wurden eingespielt, 16 davon wurden als gut genug befunden, um auf die CD zu gelangen. Bass und Schlagzeug hat Mad Professor so angeordnet, dass die gesamte Platte über klar bleibt, wo der Groove herkommt. Das Saxofon ist meist im Hintergrund, jedoch immer sehr präsent. Mit Dean Fraser am Saxofon hat Mad Professor später einen weiteren Ausnahmemusiker ins Studio geholt, der es versteht den Sound abzurunden. Er spielt auf dieser CD alle Blasinstrumente, die Mad Professor einfügt, als wäre alles zusammen in einer Session entstanden. Auch die Gitarre von Black Steel, die Keyboards von Leroy Mafia und die Percussion von Sky Juice sind in einem Guss mit dem Rest der Produktion. Eine CD ist hier gelungen, bei der man in der Rockmusik der 70er Jahre mit Fug und Recht von einer Supergruppe gesprochen hätte. Ohne dass sich einer der Stars in den Vordergrund drängt, wird aus einer Musik, die man zu kennen meint, ein immer wieder neuer Sound kreiert.
Bei »Freedom Illusion« oder »Victory Jam« ist deutlich zu merken, dass es sich bei den vieren nicht nur um hervorragende Studiomusiker handelt, sondern dass sie zu denjenigen gehören, die auch im Studio vor einem imaginären Publikum spielen. Dabei wird das Ausgangsgenre Reggae oft durch Jazz-Elemente angereichert.
Nicht zuletzt ist diese CD eine Hommage an die 70er als Sly & Robbie für den sog. Rockers Sound verantwortlich zeichneten. Dieses Material ist wie in den 70ern eingespielt, kommt also ohne Drum- und Rhythmus-Maschine aus. Sly & Robbie setzen Schlagzeug und Bass analog ein und doch klingt es nicht wie ein Oldie. Sie zeigt vielmehr, dass diese Musik auch heute noch zu neuen Ufern finden kann, wenn sie vom Richtigen durch das Mischpult geschleust wird. Die »alten Herren« der Dub-Musik sind immer wieder auf der Suche nach neuen Sounds und Verknüpfung verschiedener Einflüsse. Die Zukunft ihrer Musik scheinen sie genau dort zu vermuten, wo sich Nahtstellen zwischen ihrer Herkunft und anderen Musikentwicklungen ergeben. Kein Wunder, dass Sly Dunbar höflich zum angesagten Reggae-Stil Dancehall bemerkt: »Dancehall ist cool und ich mag es auf jeden Fall, aber ich finde, es müsste sich stärker entwickeln, im Moment stagnieren mir die Dinge zu sehr. Wir sollten mehr mit anderen Sounds verschmelzen, wie wir es z.B. bei Beenie Mans Foundation mit den Bläsern in Richtung Latin versucht haben. Aber wir müssen noch mehr kreieren und herumtüfteln.«

Thomas Schroedter

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