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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Mai 2004, Seite 22

Buchenwald

Widerstand

Ulrich Peters: Wer die Hoffnung verliert, hat alles verloren. Kommunistischer Widerstand in Buchenwald, Köln: PapyRossa, 2003, 531 Seiten, 34 Euro

Ulrich Peters hat sich mit seinem Buch an ein schwieriges Thema gewagt. Der kommunistische Widerstand in Buchenwald war schon immer Gegenstand heftiger Kontroversen. Im offiziellen Antifaschismus der DDR wurde Buchenwald ein Ort undifferenzierter Heldenverehrung und zur Legitimation der SED-Regierung benutzt. Von westlicher Seite wurden die in Buchenwald inhaftierten Kommunisten aufgrund der bürgerlichen Totalitarismustheorie oft mit den Nazis auf eine Stufe gestellt und es wurde ihnen sogar Kumpanei mit den Nazis vorgeworfen. Nach 1989 schien letztere Sicht zu triumphieren, der Kapitalismus als scheinbarer Sieger der Geschichte wollte auch die Sicht auf die Geschichte diktieren. Dementsprechend wurde die Ausstellung in der Gedenkstätte Buchenwald umgestaltet und es wurde auf dem Gelände des ehemaligen KZ auch eine Gedenkstätte für die Insassen des sowjetischen Internierungslagers von 1945 bis 1947 errichtet, ungeachtet der Tatsache, dass viele von diesen an den Verbrechen des NS-Faschismus beteiligt waren.
All diesen Vereinnahmungen, Verdrehungen und Diffamierungen setzt Peters eine Sichtweise entgegen, die zugleich differenziert und parteiisch antifaschistisch ist. In einer umfangreichen Einleitung setzt er sich mit den westlichen und östlichen Geschichtslegenden auseinander und kommt zu dem Schluss, dass beide nicht zur Findung der historischen Wahrheit beitragen. Vor allem gegen das 1995 von Lutz Niethammer verfasste Buch Der »gesäuberte Antifaschismus«. Die SED und die roten Kapos von Buchenwald, das die Sicht der gesamtdeutschen Historiografie auf Buchenwald seit 1989 prägt, bezieht Peters Stellung. Den darin unternommenen Versuch, die kommunistischen Gefangenen von Buchenwald, die Funktionen im Lager übernahmen, zu Handlangern der Nazis umzudefinieren, widerlegt Peters überzeugend. »Das Ziel der vorliegenden Arbeit besteht demzufolge in einer keinesfalls denunziatorischen, aber eingehend kritischen Reflexion über den Widerstand, bei der es eben darauf ankommt, nicht die zum Teil geschönte Lesart der DDR-Literatur zu kolportieren, sondern die wirkliche Erfahrung militanter Resistenz, soweit irgend möglich, ans Tageslicht zu bringen.« Diesem Anspruch wird das Buch weitgehend gerecht.
Das Buch ist thematisch gegliedert und versucht dabei, der Chronologie der Lagergeschichte gerecht zu werden. Es werden auch die Rahmenbedingungen des Widerstands behandelt, der sich nicht im luftleeren Raum abspielte. Er war von der Strategie der KPD einschließlich ihrer Irrtümer geprägt.
Bei der zum Teil sehr detaillierten Darstellung wird deutlich, dass unter den unmenschlichen Bedingungen eines KZ auch Antifaschisten zu menschlich schwierigen Entscheidungen getrieben wurden. Wenn kommunistische Gefangenenfunktionäre gezwungen waren, für »wichtige« Genossen »unwichtige« Gefangene auf einen Transport in ein Vernichtungslager zu schicken, so ist das eine grausame Entscheidung. Es wird aber klar, dass diese Unmenschlichkeit von den Nazis ausging und dass der Widerstand gezwungen war, solch brutale Entscheidungen zu treffen, um seine Funktionsfähigkeit zu erhalten und die Gefangenen im Großen und Ganzen besser schützen zu können. Das ist keinesfalls Ausdruck von Kumpanei mit den Nazis oder gar einer der Naziideologie vergleichbaren Einstellung.
Peters befasst sich auch mit der Frage, ob es innerhalb der Parteiorganisation des Lagers zu Säuberungen gekommen ist und wie die KPD im Lager mit linken Oppositionellen umging. Dabei kommt er zu dem Ergebnis, dass Angehörige der »rechts«-kommunistischen KPD-Opposition (KPO) hohe Funktionen in der Widerstandsorganisation des Lagers bekleideten. Trotzkisten und Anarchisten waren aus diesen Strukturen ausgeschlossen. Die Behauptung, dass die KPD linke Oppositionelle absichtlich in den Tod trieb, lässt sich allerdings nicht beweisen und ist unwahrscheinlich.
Alles in allem ist Peters eine akribisch recherchierte, detaillierte und differenzierte Darstellung des kommunistischen Widerstands in Buchenwald gelungen. Das Buch ist dabei konsequent antifaschistisch, ohne in Mythenbildung und undifferenzierte Heldenverehrung zu verfallen. Es ist ein Muss für jede/n, der/die sich für die Geschichte des Lagers Buchenwald und allgemein für den Widerstand gegen das Nazi-Regime interessiert.

Andreas Bodden

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