SoZSozialistische Zeitung

Zur SoZ-
Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Juni 2004, Seite 4

Mit Marx und der Bibel

Kolumne von Jakob Moneta

Franz Seghers ist Theologe und Sozialwissenschaftler. Im Diakonischen Werk von Hessen-Nassau ist er Referent für Ethik und Privatdozent für Sozialethik an der Universität Marburg. Er hat die besondere Gabe schwierige wirtschaftswissenschaftliche Probleme allgemeinverständlich darzustellen. Seine marxistischen Kenntnisse setzt er hierfür ebenso ein wie die der Bibel.
So geht er in seinen zahlreichen öffentlichen Veranstaltungen jetzt davon aus, dass der Staat seine Finanzkrise durch die Steuersenkung selbst verschuldet hat. Das zwinge ihn zur Aufnahme öffentlicher Anleihen. Er leiht sich deshalb bei den Vermögenden Geld.
Wer aber ist in der Lage, dem Staat Kredit zu geben? Die oberen 10% der privaten Haushalte in Deutschland verfügen über mehr als die Hälfte des gigantischen Geldvermögens von 3,73 Billionen Euro. Sie kassieren für die gegenwärtig 1,424 Billionen, mit denen der Staat sich bei ihnen verschuldet hat, jährlich 50 Milliarden an Zinsen. Sie sind letztlich die Profiteure der Staatsverschuldung, deren Darlehen mit Zins und Zinseszins zu erstatten sind. Der Schuldenberg ist nicht abzutragen, wie massiv die Kürzungen der öffentlichen Haushalte auch ausfallen mögen. Denn selbst bei einer jährlichen Rückzahlung der Schulden in der schier unglaublichen Höhe von 12 Milliarden Euro wäre der Schuldenberg in 100 Jahren immer noch nicht abgetragen, denn zusätzlich zur Tilgung müssen ja die Zinsen weitergezahlt werden.
Um aus dem Teufelskreis der Überschuldung herauszukommen, gibt es jedoch in der internationalen Diskussion im Anschluss an die biblische Tradition — erinnert Franz Seghers — die Forderung nach einem Schuldenerlass. Die Bibel beschreibt das Schuldverhältnis als ein Marktverhältnis. »Der Reiche herrscht über die Armen; und wer borgt, ist des Gläubigers Knecht« (Spr.22,7). Der Schuldenerlass will deshalb die durch Überschuldung verursachte Abhängigkeit unterbrechen.
Die ethische Maxime besagt: Schulden, die nicht bezahlt werden können, müssen erlassen werden, denn das Leben darf nicht den Ansprüchen der Gläubiger geopfert werden. Vorrang vor dem Geld- und Kreditsystem haben die Lebensbedürfnisse des Menschen. Der ethische Grundsatz muss zur Geltung kommen, dass Schulden, die nicht zurückgezahlt werden können, auch nicht zurückgezahlt zu werden brauchen.
Nun ist Franz Seghers nicht so naiv zu glauben, dass auch die allerchristlichsten Gläubiger sich der Ethik der Bibel unterwerfen, sie sich zu Herzen nehmen würden. Es spricht deshalb für ihn, dass er sich auf ein Beispiel beruft, das auch den in Bewegung geratenen Sozialrevolutionären als Muster dient. Er sagt: »Statt nur die Interessen der Kapitaleigner zu bedienen, ist es nötig, dass auf demokratischer Basis politisch entschieden wird, welche öffentlichen Güter zur Verfügung gestellt werden, zu denen weiterhin alle Bürgerinnen und Bürger Zugang haben sollen. Die Finanzierung sozialer Dienste muss demokratisch sichergesellt werden, denn diese können nicht einfach dem Schuldendienst und den Interessen der Gläubiger geopfert werden. Die Bürgerhaushalte, wie sie in Porto Alegre in Brasilien und in einigen Kommunen auch in Deutschland Anwendung finden, stellen einen solchen alternativen Umgang mit Schulden und Überschuldung öffentlicher Haushalte dar. Nicht Banken, Finanzpolitiker oder ein Sachzwang leerer öffentlicher Kassen sondern die betroffenen Bürger bestimmen die Prioritäten der Politik.«

Informationen und Meinungen sollten keine Waren sein. Und Geld ist ein Fetisch. Dennoch und ganz praktisch: Die Online-SoZ sieht nur umsonst aus. Wir brauchen Eure Euros.
Spendet steuerlich abzugsfähig!
VsP, Postbank Köln, BLZ 370100 50,
Kontonummer 603 95 04


zum Anfang