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Dem Entstehen von Obdachlosigkeit entgegenzutreten, besonders durch vorbeugende Unterstützung der Betroffenen bei
drohendem Wohnungsverlust, bleibt ab dem 1.1.2005 auch nach den Reformgesetzen Pflichtaufgabe kommunaler Sozialhilfe. Dass Kommunen und ihre
Sozialämter dieser Pflicht wirklich nachkommen, steht kaum zu erwarten.
Heute schon kommen die Sozialämter ihrer Aufgabe, Obdachlosigkeit zu verhindern, oft nur unzureichend nach, wie die auch von der
Wohnungslosenhilfe beklagte steigende Zahl Obdachloser zeigt. Nach §15a Bundessozialhilfegesetz (BSHG) soll Hilfe zum Lebensunterhalt gezahlt
werden, wenn dadurch Wohnungsverlust verhindert werden kann z.B. eine Wohnungsräumung durch Mietschuldenübernahme abgewendet
werden kann. Von Räumungsklagen erfahren die Sozialämter, weil die Amtsgerichte eine Informationspflicht haben.
An dieser Situation werden auch die Hartz-Gesetze rechtlich nichts ändern. Das ab dem
1.1.2005 geltende neue Sozialhilferecht (SGB XII) übernimmt die bisherige Regelung des §15a BSHG, womit die Kostenübernahme (z.B.
für Mietschulden) durch die Kommune (Sozialamt) vorgeschrieben bleibt, wenn dadurch Wohnungslosigkeit abgewendet werden kann. Diese Hilfe hat
weiterhin einzusetzen, wenn der Hilfebedarf (bspsw. durch Mitteilung des Amtsgerichts) dem Sozialamt bekannt wird (§18 SGB XII). Die Einweisung von
Menschen in Notquartiere ist hingegen keine Verhinderung von Obdachlosigkeit, sondern bestenfalls eine polizeiliche Maßnahme zur Sicherung der
»öffentlichen Ordnung«. Das Sozialamt hat bei der Verhinderung von Obdachlosigkeit die Möglichkeit, zwischen einer (nicht
rückzahlbaren) Beihilfe oder der Vergabe eines Darlehens zu entscheiden.
Die grandiosen Konstrukteure der aktuellen »Reformgesetze« haben nun noch eine
weitere Variante zur Verhinderung von Obdachlosigkeit geschaffen. In die »Grundsicherung für Arbeitsuchende« (SGB II, z.B.
Arbeitslosengeld II) wurde die Möglichkeit der darlehnsweisen Mietschuldenübernahme für den Fall reingeschrieben, dass eintretende
Obdachlosigkeit »die Aufnahme einer konkret in Aussicht stehenden Beschäftigung verhindern würde« (§22 Abs.5 SGB II).
Diese Hilfe wird zwar auch von der Kommune finanziert, doch ist für deren Anwendung nicht das Sozialamt zuständig, sondern die Behörde,
die das Alg II zahlt. In aller Regel dürfte das ab dem 1.1.2005 wohl das »Job-Center« sein (und nicht das Sozialamt, das für das SGB
XII zuständig bleibt).
Da es im Job-Center nur eine darlehnsweise Übernahme von Mietschulden gibt, wird es
für viele Betroffene günstiger sein, eine Wohnungssicherung über die Sozialhilfe/das Sozialamt und die dort mögliche, nicht
zurück zu zahlende Beihilfe anzustreben. Wer im Job-Center angesichts eines bevorstehenden Arbeitsantritts darlehnsweise Mietschuldenübernahme
beantragt, verschuldet sich nur einmal mehr.
Das Sozialamt ist ab dem 1.1.2005 wie schon heute dafür
zuständig, drohende Obdachlosigkeit abzuwenden. Das macht Sinn. Denn was würde es nützen, wenn ein Amtsgericht eine Mitteilung
über eine Räumungsklage dem Job-Center bekannt geben würde? Dort wird ab dem 1.1.2005 und in absehbarer Zukunft!
wegen der »Reformen« das blanke Chaos herrschen. Das bei laufender Räumungsklage unumgängliche schnelle Eingreifen ist vom
Job-Center kaum zu erwarten.
Ob die Hilfe des Sozialamts im Ergebnis besser funktionieren wird, muss leider auch
bezweifelt werden. Denn die zunehmende Abwälzung gesellschaftlicher Kosten für die Massenerwerbslosigkeit auf die Kommunen (vgl. letzte
Ausgabe von Quer) wird die kommunalen Haushaltsprobleme weiter zuspitzen. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund rechnete im März vor,
dass die »Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe« für die Kommunen statt der versprochenen Entlastung von 2,5 Mrd. Euro
Mehrausgaben in Höhe von 2,4 Mrd. Euro bringe. Im gesellschaftlichen Mainstream heißt das: Weniger Sozialhilfe, weniger kommunales Personal,
mithin auch weniger Eingreifen bei drohendem Wohnungsverlust, egal was das Gesetz nahelegt.
Im Ergebnis wird es auch bei der Gegenwehr gegen zunehmende Obdachlosigkeit darauf
ankommen, sich vor Ort zusammenzuschließen, den örtlichen Politikern und Behörden Druck zu machen und die noch verbliebenen (Rechts-
)Ansprüche kollektiv durchzusetzen. Hier liegt auch ein kommunalpolitisches Untersuchungs- und Handlungsfeld bestehender oder sich entwickelnder
Sozialforen und Anti-Hartz-Bündnisse!
Guido Grüner
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