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Obwohl die Einheit in der Aktion und ein gemeinsamer politischer Neuanfang dem tiefen Bedürfnis der meisten
griechischen Linken entspricht, verzögerte sich beides bis zum Erbrechen, weil tief verwurzeltes Sektierertum jede Initiative zur Einheit
verunmöglichte.
Den Anstoß zur Veränderung dieser Situation gab das gute Beispiel der
internationalen Bewegung gegen die neoliberale Globalisierung. Die ersten Versuche einiger linker Kräfte, gemeinsam zu handeln, gingen von den
»Europäischen Märschen gegen Erwerbslosigkeit und Ausgrenzung« und der Bildung eines Netzwerkes dieser
»Märsche« in Griechenland aus. Das war schon eine bedeutende Sache, denn es handelte sich um parlamentarische und
außerparlamentarische Kräfte, die sich zuvor bestenfalls gegenseitig ignorierten oder aber einander scharf polemisch beharkten. Der Erfolg dieses
ersten Schrittes inspirierte eine ganze Reihe weiterer Initiativen, die, wenn auch manche von ihnen (wie etwa Espace Marx) im Ansatz stecken blieben, dazu
beigetragen haben, politische Vertrauensverhältnisse unter Organisationen und Aktiven recht verschiedenen Ursprungs zu schaffen.
Diese positive Entwicklung, die vor allem den Gepflogenheiten gemeinsamer Aktion in der
internationalen Bewegung zu verdanken ist, hat fast auf natürlicher Weise die Bildung des »Gemeinsamen Raums der Linken für Dialog und
Aktion« herbeigeführt. Dieser »Raum für Dialog«, in dem sich eine reformistische Partei (Synaspismos), einige Organisationen
der radikalen Linken und Unabhängige zusammen gefunden haben, hat eine Vertiefung der kontroversen Debatte aber auch der Konvergenzen
ermöglicht, die vorher undenkbar schienen.
Fast gleichzeitig wurden diese Konvergenzen durch die spektakuläre Entwicklung der
internationalen Mobilisierungen (Genua 2001, Florenz 2002 usw.) begünstigt. Sie erstreckten sich nun in weitere Bereiche der politischen Linken und der
sozialen Bewegungen in Griechenland. Angesichts der immer breiteren Beteiligung von Griechen an dieser internationalen Bewegung hatte die Geburt des
»Sozialforums Griechenland« nichts Künstliches.
In der Tat zeigte das griechische Sozialforum von Beginn an eine Fähigkeit zur
Mobilisierung, die diejenige der organisierten politischen Kräfte übertraf. In der Zeit der Präsidentschaft Griechenlands in der EU für
ein halbes Jahr organisierte das Sozialforum anknüpfend an der Antikriegsbewegung allein oder zusammen mit anderen Dutzende von Demonstrationen
fast überall in Griechenland, wobei manchmal mehrere Hunderttausend teilnahmen! Das Ergebnis war mehr als positiv, übertraf wiederum alle
Erwartungen: Trotz des völligen Fehlens entsprechender Erfahrungen in der Vergangenheit und trotz aller ererbten Schwächen gelang dem
griechischen Sozialforum die Weiterentwicklung seines Programms, die Ausdehnung auf Dutzende Städte und das Hineintragen der Kritik an der
neoliberalen Globalisierung und der Diskussion über solidarische Alternativen dazu in die Jugend und auch in die Gewerkschaftsbewegung.
Sicherlich blieb das alles fragil. Die ursprünglichen Erfolge wurden nicht konsolidiert,
als die Präsidentschaft Griechenlands in der EU zu Ende war und die Antikriegsbewegung abebbte. Insgesamt war das eine eher normale Entwicklung, die
gleichwohl die brennende Frage nach einem politischen Ausdruck des vorangegangenen Aufschwungs der sozialen Kämpfe und der
außerparlamentarischen Proteste aufwarf.
Genau in diesem Moment des relativen Rückgangs der Mobilisierungen und angesichts
der im Frühjahr 2004 anstehenden allgemeinen Wahlen stellte sich die Frage einer Neuformierung der politischen Kräfte, die sich bereits beim
Aufbau des griechischen Sozialforums engagiert hatten. Das war die »Initiative für eine Neuformierung der griechischen Linken«, deren von
mehreren Organisationen der Linken und der radikalen Linken sowie von unabhängigen Persönlichkeiten unterzeichnetes Manifest die Grundlinien
eines wirklich alternativen Programms der gesellschaftlichen Veränderung zum Ausdruck brachte.
Auf der soliden Grundlage der Einheit in der Bewegung und konsolidiert durch lang
andauernde Diskussions- und Klärungsprozesse im Rahmen des »Raums für Dialog« war dieses Bündnis nun bereit für
einen großen qualitativen Sprung: dafür, mit einer gemeinsamen Liste bei den allgemeinen Wahlen anzutreten. Nach zwei Monaten intensiver
Diskussionen war die Sache geschafft und SYRIZA (Bündnis der Radikalen Linken) aus der Taufe gehoben.
Das bei den Wahlen erzielte Ergebnis (3,2% der Stimmen und sechs gewählte
Abgeordnete) war nicht triumphal, aber doch ein wirklicher Erfolg, wenn man bedenkt, dass die Radikalisierung von Synaspismos den Abgang seiner
»gemäßigten« Führungskräfte sowie die Entfremdung derjenigen seiner Sympathisierenden provozierte, die traditionell in
Richtung Sozialdemokratie schielten. Nach allgemeiner Einschätzung verdankt sich der Wahlerfolg Zehntausenden neuer Wählerinnen und
Wähler, die von dem viel radikaleren und die Einheit der antikapitalistischen Linken betonenden Dynamik des Projekts SYRIZA angezogen wurden.
Die darauffolgenden Ereignisse waren eher enttäuschend. Anstatt den Erfolg zu
konsolidieren, haben die Führungen der verschiedenen Organisationen des Bündnisses sich in harte Auseinandersetzungen verwickelt, die der
Mitgliedschaft unverständlich blieben, und es so geschafft, den Kredit des einheitlichen Projekts rasch zu verspielen. Doch gerade vor dem drohenden
endgültigen Zerfall von SYRIZA kam die Rettung genau von dieser Basis, der man zuvor die Mitsprache verwehrt hatte.
Zur Stunde ist das Schicksal der Neuformierung der griechischen Linken noch nicht
entschieden. Groß ist der Druck aus den Reihen derjenigen zahlreichen Linken, die an die Hoffnungen geglaubt haben, die von SYRIZA, vom griechischen
Sozialforum, von der Initiative für eine Neuformierung und von anderen Versuchen in den letzten sieben Jahren ausgingen. Das stimmt optimistisch. Kein
Sektierertum, kein Organisationsegoismus kann die Vertrauensverhältnisse und vor allem nicht das Streben nach Einheit und Radikalität vom Tisch
wischen, die Tag für Tag in diesen an Neuem so reichen letzten Jahren geschaffen worden sind.
Georges Mitralias, Athen
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