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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Juni 2004, Seite 21

UnChumbawamba, Mutt/Edel

Chumbawamba

An Chumbawamba scheiden sich die Geister. Für die einen galten die Musikerinnen und Musiker aus Leeds lange als Verräter, die es sich auf einem Label mit Kopierschutz und Playbackauftritten gemütlich gemacht haben. Auf der anderen Seite ist die neue CD UnChumbawamba für Funkhaus Europa die CD der Woche. Sicher, es sind nicht mehr die selben, die 1982 in einem besetzten Haus begonnen haben, Anarcho-Folk-Punk zu machen, aber wie sie schon ihren Song »Give the anarchist a cigarette« kommentierten: »Sich selbst treu bleiben, das ist was Positives für Metalbands.« Dabei sind sie sich treu geblieben, was die Aussagen ihrer Texte angeht. Das gilt auch für UnChumbawamba. Wenn die Band dies selbstironisch als »uncool« tituliert, wird deutlich, dass sie sich der Ambivalenz bewusster ist als die Kritiker beider Fraktionen.
Lange ist aus Folk-Punk Folk-Pop geworden, der auch schon mal als trojanisches Pferd linksradikalen Gedankenguts in den Mainstream oder eben auch als progressiver Text in reaktionärem musikalischen Gewande interpretiert wird. Eine solche Diskussion versucht etwas in Schubladen begreifbar zu machen, das sich genau diesen Schubladen entzieht. Chumbawamba setzt als Kollektiv vielmehr den Hintergrund sozialer und politischer Realität in eine Liedform um, die das rebellische Erbe englischer Folkmusic in den Zusammenhang mit verschiedenen Einflüssen populärer Musik stellt. Dass dabei auch mal Countrygefidel in »Everything you knows is wrong« auftaucht, sei ihnen dabei verziehen, wenn sie das in »A man walks into a bar«, wo es um die US-Blockade gegen Kuba geht, mit dem Einfließen von kubanischem Son wieder gut machen.
Die besondere Stärke der Band liegt allerdings immer noch in der Art und Weise, wie sie ihre Stimmen zwischen Spoken Poetry und Barbershop Singing einsetzen.
Vielleicht reicht es nach dem Top-Ten-Erfolg mit »Tubthumper« 1997 wieder zu einem Hit mit der Single-Auskopplung »On ebay«. In dem Lied geht es um die Plünderung von Museen in Bagdad unter den Augen der US- Soldaten. Das Teile der geraubten Kunstwerke via ebay in den USA gelandet sind, ist vielleicht nicht mehr als ein Gerücht, aber das dies vorstellbar ist, reicht eigentlich, um zu zeigen, wo wir heute stehen. Die Metapher »From Babylon back to Babylon« im Refrain bringt diesen Zustand genial auf den Punkt.
Mit Stücken wie »Following You«, in dem sie die Wichtigkeit von Sozialzentren gerade in den herunter gekommenen Wohngegenden der großen Industriestädte behandeln, greifen sie Themen jenseits der Massenmedien auf, die ansonsten im Mittelpunkt dieser CD stehen. Einen eigenen Blick werfen sie bei »We don‘t want to sing along« auf das Massaker an der Columbine-Highschool, das Michael Moore in die Medien hinein skandalisiert hat. Die acht Briten greifen die Themen dabei mit einer Musik auf, die beim ersten Hören verharmlosend wirkt. Doch die Musik steht immer im Kontext der Rezeption genau dieser Themen durch die Massenmedien.
Die CD endet mit »Rebel Code«. Dabei geht es sowohl um die Erfindung des Molotowcoctails als auch um den Linux-Computer-Code. »They called it Rebel code. It must be the cold weather. Or the vodka.« Leeds soll ja auch so ein richtiges Regenloch sein. Die Stimmung, die Wolf Biermann in seinen besseren Zeiten einmal »eins ins die Fresse, mein Herzblatt« nannte, durchzieht mit einer ungebändigten Spielfreude diese Produktion. Sie kann durchaus als Möglichkeit interpretiert werden, dem politischen, sozialen und kulturellen schlechten Wetter für eine Weile zu entkommen, ohne dabei zu vergessen, was alles Unmögliches geschieht.
Wer die Möglichkeit hat, sollte auf keinen Fall die Konzerte der Promotion-Tour zur CD verpassen. Im Lifeauftritt präsentiert Chumbawamba die neuen Songs in einer Show, die von Comedy über politisch-künstlerische Statements bis hin zur Tanzmusik reicht, die keinen der drei Generationen von Chumbawamba-Fans, die auf ihren Konzerten anzutreffen sind, ruhig sitzen bleiben lässt. Egal, ob sie Chumbawamba zum ersten Mal beim Besuch ihrer Kinder in besetzten Häusern kennen lernten oder ob sie die Lieder der »English Rebel Songs« beim Einschlafen im Kinderzimmer gehört haben.

Tommy Schroedter

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