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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Juli 2004, Seite 13

Die niederländische SP

Ein nationales Phänomen

Bei den Wahlen zum Europäischen Parlament erhielt die niederländische Socialistische Partij (SP) 7% der Stimmen und damit zwei Abgeordnetenmandate beim zehnten erfolgreichen Abschneiden in Folge. Dies ist ein bemerkenswertes Resultat für eine Partei, die sich eindeutig links von den Sozialdemokraten und den Grünen positioniert.
Der Durchbruch für die SP kam bei den Parlamentswahlen von 1994, als sie ihre ersten zwei Sitze erhielt. Mittlerweile zählt die Partei 43000 Mitglieder, neun Abgeordnete im Parlament, Hunderte Gemeinderatsmitglieder und seit den letzten Kommunalwahlen sogar einige Beigeordnete.
Die ursprünglich maoistische SP entschloss sich in den 80er Jahren, eine offenere und pluralere linke sozialistische Partei aufzubauen. Es gelang ihr, das Vakuum zu füllen, das entstanden war, als die CPN (die niederländische KP), die Pazifistisch-Sozialistische Partei (PSP) und die linkschristliche PPR sich 1989 zu GroenLinks, den niederländischen Grünen, zusammenschlossen.

Sammelsurium

Die heutige SP ist eine Partei, in der Menschen mit sehr verschiedenem Hintergrund aktiv sind: von Ex-Maoisten, früheren CPN- und PSP- Mitgliedern, enttäuschten Sozialdemokraten über Aktive aus den sozialen Bewegungen bis zu revolutionären Linken. Das breite Spektrum hat dafür gesorgt, dass die Partei in den vergangenen zehn Jahren nicht nur bei Wahlen zunehmen konnte, sondern es gelang ihr auch — mehr als GroenLinks — der wichtigste politische Orientierungspunkt für Aktive aus sozialen Bewegungen und kritischen Teilen der Gewerkschaftsbewegung zu werden.
Das öffentliche Bild der SP ist vor allem das einer linken Partei, die sich konsequent für die Belange der Lohnabhängigen und Sozialhilfebeziehenden gegenüber den Reichen und den Berufspolitikern einsetzt. Dieses Bild war in den letzten Jahren während der größten politischen Krise der Niederlande seit dem Ende des Krieges der Garant für ihren Erfolg. Die »Revolution Fortuyn« war neben einem Ausbruch an Fremdenfeindlichkeit auch ein massiver Ausdruck der Abkehr vom gesamten politischen Establishment. Während Fortuyn auf der Rechten einen Durchbruch bei den Wahlen erzielte, konnte auf der Linken die SP von der Krise profitieren.

International

Wenngleich die SP Teil der europäischen Fraktion der Vereinigten Linken (GUE/NGL) ist, bleibt die Partei im Wesentlichen doch ein »niederländisches« Phänomen. Darin liegt auch einer der Schwachpunkte ihrer Entwicklung.
Das erste Europäische Sozialforum 2002 hat in der Partei nur wenig oder gar keine Aufmerksamkeit für die globalisierungskritische Bewegung hervorgerufen. Dies hängt mit dem Rückstand der Bewegung in den Niederlanden zusammen. Aber es charakterisiert auch die SP als solche: Sie fühlt sich wie ein Fisch im Wasser im Kampf für unmittelbare Belange, gegen den Abbau des Sozialstaats. Aber das Bewusstsein, dass dieser Kampf etwas mit der neoliberalen Offensive auf Weltebene zu tun hat und eine Opposition allein auf nationaler Ebene letztendlich chancenlos ist, ist in der Partei wenig präsent.
So erklärt sich auch die Neigung einer Reihe von Parteiprominenten, wie des Vorsitzenden Jan Marijnissen, die Kritik an der EU und an ihrem Verfassungsentwurf mit einer Verteidigung der nationalen Souveränität und des nationalen Parlaments zu beantworten.
Die Migrantenfrage hat die SP in der Vergangenheit recht fragwürdig behandelt. In den 80er Jahren brachte die Partei eine Broschüre über die Arbeitsimmigration heraus. Darin wurde dargelegt, türkische und marokkanische Gastarbeiter würden die Löhne und sozialen Rechte der niederländischen Arbeiter untergraben, weil sie unterhalb der normalen Löhne arbeiteten. Die SP stellte sich in der Broschüre eine baldmögliche Rückkehr der Gastarbeiter in ihre Heimatländer vor.
Dieser Standpunkt wurde in den 90er Jahren praktisch aufgegeben. Mittlerweile verteidigt die Partei aktiv die Rechte von Asylsuchenden und tritt für eine generelle Legalisierung sog. »Illegaler« ein. Außerdem sind zunehmend auch Migranten aktive Mitglieder der SP geworden.
Aber auch jetzt noch stimmt die Parlamentsfraktion der SP für Anträge, mit denen Arbeitskräfte aus den neuen EU-Ländern (namentlich Polen) ferngehalten werden sollen.

Sozialistische Alternative

Die Grundsätze der SP wurden 1999 im Programm »Heel de Mens« festgelegt. Es vermittelt eine gute Vorstellung vom Charakter der Partei: sozialdemokratisch, aber links und kämpferisch. Das bedeutet auch, dass die Anhänger und Aktiven der SP zum Teil gegensätzliche Vorstellungen vertreten.
Die einen wollen eine neue sozialdemokratische Arbeiterpartei als Ersatz für die PvdA, die anderen eine wirklich sozialistische Partei, die sich auf ein Programm struktureller Veränderungen und sozialer Kämpfe stützt. Gegenwärtig führen die verschiedenen Zielvorstellungen nicht zu großen Meinungsverschiedenheiten und Flügeln. Das hat verschiedene Gründe. Das enorme Wachstum der Partei — in zwei Jahren von 20000 auf 43000 Mitglieder — gibt der Parteiführung natürlich viel Kredit. Aber viel wichtiger ist das Ausbleiben sozialer Kämpfe in den Niederlanden. Seit Antritt der Regierung Balkenende leidet das Land unter einer noch nie dagewesenen rechten Offensive, die sich gegen die Reste des Sozialstaats, die sozialen Rechte, die Löhne und Renten sowie gegen das multikulturelle Zusammenleben richtet.
In diesen zwei Jahren beschränkte sich die Gewerkschaftsbewegung darauf, mit dieser Regierung Vereinbarungen abzuschließen, um »Schlimmeres zu verhüten«. Die SP ist, teilweise zusammen mit GroenLinks, die einzige Kraft, die noch unter allen Umständen versucht, eine aktive linke Opposition zu bilden. Der Kampf gegen rechts führt in der SP zu Einmütigkeit.
Außerdem liegt eine Beteiligung an oder Duldung einer künftigen PvdA- Regierung durch die SP außerhalb jeder Reichweite. Anders als GroenLinks wird die SP vorläufig nicht als »regierungsfähig« betrachtet.
Trotz aller Mängel ist die SP gegenwärtig in den Niederlanden neben den außerparlamentarischen Bewegungen der beste Anknüpfungspunkt, um einer sozialistischen Alternative in der Zukunft Gestalt zu geben. Ein größeres Engagement der SP in der globalisierungskritischen Bewegung und in den Strukturen der europäischen antikapitalistischen Linken ist dabei von großer Bedeutung.
Doch die wesentlichste Aufgabe für die Linke in den Niederlanden besteht darin, die Wahlerfolge der SP in einen wachsenden sozialen Widerstand umzusetzen.

Leo de Kleijn

Der Autor ist Redakteur der marxistischen Zweimonatszeitung Grenzeloos und aktives Mitglied der SP in Rotterdam. (Übersetzung: Hans- Günter Mull.)



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