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Hollywoods jüngster Blockbuster, The Day After Tomorrow, hat »skeptische« Wissenschaftler im Sold der
Energiekonzerne bewogen, eine Menge heiße Luft abzulassen.
Die industriefreundlichen Wissenschaftler fürchten, dass der Film die Aufmerksamkeit
auf die sehr realen Gefahren der industriell verursachten globalen Erwärmung lenken könnte. Sie fürchten auch, dass das Ausmaß der
Verantwortung ihrer Geldgeber und der Regierungen der reichen Länder für diese Krise offen gelegt wird.
Diesen »Skeptikern« wurde in den Filmbesprechungen der Medienkonzerne viel
Platz eingeräumt. Die Rezensionen stürzen sich auf die karikierendsten Elemente des Films, um ihn zu entlarven, aber ihr eigentliches Ziel ist, die
erschreckenden Wahrheit herunterzuspielen, die den Kern des Films ausmacht: Die globale Erwärmung ist eine Realität, es wird rasch schlimmer,
und es müssen jetzt auf internationaler Ebene politische Maßnahmen ergriffen werden, wenn die schrecklichen und nicht vorhersehbaren Folgen
vermieden werden sollen.
Der wissenschaftlich lächerlichste Aspekt des Films ist die zeitliche Abfolge, nach der
die von der globalen Erwärmung ausgelöste Katastrophe abläuft. Die Eiskappen der Pole schmelzen, überfluten die Ozeane mit
Süßwasser und bringen unmittelbar die ozeanischen Ströme zum Erliegen, die Europa und die Ostküste der USA erwärmen.
Tsunamiwellen schlagen über Sydney und New York herein. Ein globaler Megasturm
bricht los und führt extrem abgekühlte Luft aus dem oberen Bereich der Atmosphäre auf die Oberfläche der Erde. Nordamerika friert
rasch zu, in Neu-Delhi schneit es, und auf Tokyo gehen riesige Hagelklumpen herunter, während Tornados Los Angeles verwüsten. Innerhalb von
zwei Wochen bricht auf der Nordhalbkugel eine neue Eiszeit herein (einziger Trost: der US-Präsident und die britische königliche Familie
verwandeln sich in Eis am Stiel).
Zu den häufig zitierten Skeptikern gehört Robert Balling, der Leiter der Abteilung für Klimakunde an der staatlichen Universität
von Arizona. »Derselbe Typ [Regisseur Roland Emmerich] erzählte uns [in Independence Day] von einer Invasion von Aliens aus dem
Weltraum«, machte sich Balling, der sich gegen Katastrophenszenarien ausspricht, über den Film lustig. »Nachdem ich Godzilla gesehen
habe, habe ich auch nicht an meiner Hintertür nachgeschaut, ob eine Riesenechse in mein Haus eindringt«, spöttelte Balling in einem am
23.Mai in verschiedenen Zeitungen Kaliforniens erschienenen Artikel. »Dieser Film gehört in dieselbe Kategorie. Es ist Science Fiction.«
Balling nannte in The Satanic Gases: Clearing the Air about Global Warming den Klimawandel
»eine drastisch übertriebene Gefahr, deren vorgeschlagene Lösungen schlimmer sind als das Problem«. Das Buch verfasste er im Jahr
2000 zusammen mit Patrick Michaels, einem Professor für Umweltfragen an der Universität von Virginia und Mitglied des politisch weit rechts
angesiedelten Cato-Instituts. Michaels ist eine führende Leuchte in der kleinen, verschworenen Welt der Leugner des Treibhauseffekts, die von der
Industrie finanziert werden. In der Werbung für das Buch wird die von Menschen verursachte globale Erwärmung als »Mythos«
bezeichnet.
Kommentare in den Big-Business-Medien über The Day After Tomorrow stützen
sich regelmäßig auf Michaels. Weitere Vertreter dieser Clique bezahlter Leugner des Treibhauseffekts, die regelmäßig aufgeboten
werden, sind Sallie Baliunas und verschiedene Sprecher des gegen das Kyoto-Protokoll gerichteten Competitiveness Enterprise Institute.
Es ist wohl richtig, dass die durch Spezialeffekte hervorgerufenen Übertreibungen von
The Day After Tomorrow der Propaganda der Leugner des Treibhauseffekts Munition liefern. Doch es sind deren Argumente gegen die Notwendigkeit
durchgreifender internationaler Maßnahmen zur Eindämmung der Erderwärmung, die wahrlich Schöpfungen von Science Fiction sind.
Die Konzentration von Treibhausgasen vor allem Kohlendioxid (CO2) aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe sowie die Emission von Methan,
Kohlenwasserstoff, Stickstoffoxiden und Wasserdampf steigt in der Atmosphäre rasch an, diese Gase binden Wärme und verursachen so die
globale Erwärmung.
Im Jahre 2001 warnten 2500 Wissenschaftler aus etwa 100 Ländern, die das
Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) bilden, davor, dass die Durchschnittstemperatur auf der Erde bis zum Ende des Jahrhunderts um
1,45,8°C steigen wird, wenn der Anteil an Treibhausgas nicht stabilisiert wird. Um eine Stabilisierung zu erreichen, müsste die Gesamtheit der
Emissionen an Treibhausgasen innerhalb eines Zeitraums von 25 Jahren um mindestens 60% gesenkt werden. Jede geringere Reduzierung wird die globale
Erwärmung nicht unter Kontrolle bringen.
Studien, die seitdem gemacht wurden, deuten an, dass das IPCC die Erwärmung
womöglich noch unterschätzt. Im April 2002 erklärten Forscher an der Universität Bern, dass die Erdtemperatur mit 40%iger
Wahrscheinlichkeit im Jahre 2100 höher sein wird als vom IPCC geschätzt.
Gleichzeitig kamen Wissenschaftler des englischen Hadley Centre for Climate Prediction and
Research zur Auffassung, dass es bis 2080 in Großbritannien zu einem Temperaturanstieg von 78°C kommen könnte, weil die durch das
wärmere Wetter und die geringeren Niederschläge abgestorbenen Bäume und sonstigen Pflanzen zusätzliches CO2 freisetzten und eine
größere Anzahl von Warmwettermikroben im Erdboden ebenfalls mehr CO2 produzierten.
Die Durchschnittstemperatur der Atmosphäre war im Jahre 1998 die wärmste,
seitdem man in den 1860er Jahren mit den Aufzeichnungen begonnen hatte so die World Metereological Organization (WMO) der UNO. Das
zweitheißeste Jahr war 2002, gefolgt von 2003 und 2001. Die globale Durchschnittstemperatur liegt um 0,6°C höher als gegen Ende des 19.
Jahrhunderts, was hauptsächlich der Industrie geschuldet ist. 17 der 18 wärmsten Jahre fielen in die Zeit nach 1980, 10 davon in die Zeit nach 1990.
»In den vergangenen 25 Jahren hat sich die Erwärmung eindeutig beschleunigt«, so Kenneth Davidson (WMO) auf einer Pressekonferenz im
Dezember 2002. »Die Zuwachsrate ist beispiellos für die letzten tausend Jahre.«
Die Temperaturänderungen spiegeln Änderungen der CO2-Konzentration in der
Atmosphäre wider. Laut den Zahlen des IPCC wird der CO2-Anteil in der Luft auf 650 bis 970 Teilen pro Million (ppm) steigen, wenn der Entwicklung
nicht Einhalt geboten wird. Doch auch diese Schätzungen könnten sich als zu zurückhaltend herausstellen.
Am 20.März berichtete AP, Wissenschaftler am Mauna-Loa-Observatorium von Hawaii
hätten die bisher höchsten CO2-Anteile in der Luft gemessen. Zehntausend Jahre vor der Industrialisierung betrug diese Konzentration etwa 280
ppm. Am 19.März 2004 erreichte sie die Rekordhöhe von 379 ppm, verglichen mit 376 ppm 2003 und 373 ppm 2002. Die Zuwachsrate ist nahezu
doppelt so hoch wie im Durchschnitt des vergegangenen Jahrzehnts (1,8 ppm) und dreimal zu hoch wie in den 50er Jahren. Die derzeitige CO2-Konzentration ist
die höchste in den vergangenen 420000 Jahren.
Der IPCC sagt einen graduellen Anstieg des Meeresspiegels voraus. Aufgrund der
Erwärmung der Ozeane und der Gletscherschmelze soll der Meeresspiegel um 0,2 bis 1 Meter ansteigen, wenn die Treibhausemissionen nicht drastisch
reduziert werden. Diese Zahlen setzen allerdings voraus, dass die Eiskappen der Polarregionen weitgehend intakt bleiben.
So verheerend dieses Szenario auch sein würde mit ausgedehnten
Überflutungen, extremeren Stürmen und Dürreperioden, die die Dritte Welt am härtesten treffen , es verblasst im Vergleich zu
der Katastrophe, die immer mehr Klimaforscher für realistisch halten, wenn die globale Erwärmung nicht gebremst wird.
Die Wissenschaft hält kolossale Klimaveränderungen für möglich diese könnten sich auch innerhalb kurzer
Zeiträume vollziehen. Selbstverständlich nicht binnen Stunden, Tagen oder Wochen wie in The Day After Tomorrow, aber innerhalb eines
Jahrzehnts oder der Lebenspanne eines Menschen. Dies ist ein winziger Bruchteil der Zeit, in der Klimaveränderungen normalerweise ablaufen.
Wissenschaftler geben freimütig zu, dass die Folgen der globalen Erwärmung so
komplex sind, dass man unmöglich vorhersagen kann, welche Ereignisse dadurch ausgelöst werden und wann das der Fall sein wird. Doch sie sind
sich darin einig, dass der Prozess, hat er erst einmal begonnen, nicht mehr aufzuhalten ist.
Im Februar 2002 veröffentlichte das angesehene Wissenschaftsmagazin Nature eine
Analyse der staatlichen Universität von Oregon. Danach kann der Zustrom massiver Mengen von Süßwasser in die polaren Ozeane die
globale thermohaline Zirkulation* verlangsamen oder gar zum Erliegen bringen. Diese gigantischen ozeanischen Ströme warmen
Oberflächenwassers bewegen sich von den Tropen zu den Polarregionen, bis die Strömungen so kalt werden, dass sie sinken und zu den Tropen
zurückkehren, wo sie wieder aufgeheizt werden.
Die Strömungen transportieren Wärme in den Nordatlantik. Infolgedessen sind die
britischen Häfen im Winter auf derselben nördlichen Breite eisfrei, auf der die Häfen Kanadas und Russlands eingefroren sind. Wenn sich die
atlantische thermohaline Zirkulation abschwächt, könnte dies atmosphärische Veränderungen auslösen, die zu weitaus
kälteren Wintern in Europa und Nordamerika führen. Großbritannien würde dann Alaska ähneln und in einem großen Teil
Nordamerikas würden sibirische Verhältnisse einkehren.
»Sollte die bisherige Zirkulation in den Ozeanen, die derzeit einen großen Teil des
Nordatlantiks erwärmt, sich verlangsamen oder erliegen, könnten die Folgen drastisch sein«, äußert sich Peter Clark, einer der
führenden Experten für prähistorische Klimaveränderungen, gegenüber Nature. »Dies könnte viel schneller
eintreten, als sich das viele vorstellen. Wenn die [globale] Erwärmung stark genug ist und lang genug anhält, kann ein vollständiger
Zusammenbruch [der thermohalinen Zirkulation] nicht ausgeschlossen werden.«
Die Paläoklimatologie das Studium des Klimas vergangener Erdzeitalter
gibt uns Hinweise darauf, was geschehen könnte, wenn in der uns verbleibenden Gnadenfrist von 25 Jahren die globale Erwärmung nicht gestoppt
wird. Daten, die von Eiskernen, Baumringen und Korallen gewonnen wurden, enthüllen, dass Perioden eines massiven, mit globaler Erwärmung
verbundenen Klimawandels wiederholt in der Erdgeschichte aufgetreten sind.
Zum Beispiel verursachte vor etwa 12000 Jahren ein drastischer Treibhauseffekt die
Erwärmung der Erde um 10°C in nur 20 Jahren, was zur Beendigung einer Eiszeit in wenig mehr als einem Menschenalter führte. Die
Atmosphäre erwärmte sich infolge des plötzlichen Zustroms von Süßwasser aus schmelzenden Gletschern, Polareis und
arktischer Tundra, zerstörte die nordatlantische thermohaline Zirkulation und löste ein Sinken der Temperatur auf der Nordhalbkugel binnen eines
Jahrzehnts um 34°C aus.
Während die Leugner des Treibhauseffekts solche Szenarien schlichtweg abstreiten, werden sie von realistischeren Planern der herrschenden Klasse
ernst genommen. Ein vom Pentagon in Auftrag gegebener Bericht über die Auswirkungen der Erderwärmung wurde im Oktober 2003 fertiggestellt
und im Februar dem britischen Observer und dem US-Magazin Fortune zugespielt.
Verfasst von Peter Schwartz, einem früheren Planungschef des Shell-Konzerns, und
Doug Randell vom Global Business Network, drängt der Bericht darauf, dass der Klimawandel »von einem Thema wissenschaftlicher Debatten zu
einer Frage der nationalen Sicherheit der USA gemacht wird«. Die Autoren heben hervor, dass »es heute Anzeichen dafür gibt, dass die
globale Erwärmung die Schwelle überschritten hat, bei der es zu heftigen Auswirkungen auf die thermohaline Zirkulation kommt«.
Natürlich empfehlen Schwartz und Randall keine politischen Aktionen, um eine solche
globale Krise zu verhindern, sondern malen stattdessen eine an Mad Max erinnernde Vision aus, wie Washington sich militärisch durch die Führung
von Kriegen die knappen Ressourcen an Energie, Trinkwasser und Nahrung sichern kann und die USA in eine Festung verwandeln, die Umweltflüchtlinge
abwehrt, die Opfer steigender Meeresspiegel, extremer Wetterbedingungen, von Durst und Hunger wurden.
Es ist noch nicht zu spät für eine Wende, aber die Zeit ist knapp. Beim derzeitigen
Ausmaß der Freisetzung von Treibhausgasen wird der kritische Pegel der CO2-Konzentration in der Atmosphäre schätzungsweise in 25
Jahren erreicht.
Die reichen kapitalistischen Länder weigern sich, die Emissionen ernsthaft zu
reduzieren. Nordamerika, Europa, Japan, Australien und Neuseeland sind allein verantwortlich für über 80% der früheren und 75% der
gegenwärtigen Emissionen. Doch ihre Regierungen stellen den Schutz der Profite und der »Wettbewerbsfähigkeit« ihrer Konzerne vor
das Wohl der Weltbevölkerung.
Die USA sind die schlimmsten Missetäter. Sie zählen 4,5% der
Weltbevölkerung und emittierten 1990 36,1% der Treibhausgase. Bis 2010 werden die Emissionen schätzungsweise um 30% zunehmen. Die
Regierungen der USA und Australiens haben sich geweigert das Kyoto-Protokoll von 1997 zu ratifizieren, das das maßvolle Ziel einer Reduzierung um
5,2% gegenüber dem Stand von 1990 festlegt.
Grundlegende Änderungen in der Art und Weise, wie diese Welt organisiert ist, sind
erforderlich. Das System des privaten Profits, das uns an den Rand der Katastrophe gebracht hat, muss durch ein System ersetzt werden, das die Menschen und
den Planeten vor den Profit setzt.
Norm Dixon
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