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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Juli 2004, Seite 22

Kolumne von Thies Gleiss

Kommando Jens Ammoser

Der Junkfood-Konzern McDonald‘s wollte auf der Suche nach einem Image jenseits von Kindermästen und Fressen im Stehen ein Projekt starten, dessen dialektische Kniffligkeit den Werbefuzzis wahrscheinlich gar nicht aufgegangen wäre. Um Deutschlands »dynamischste Fraktion« zu ermitteln, wurde allen Bundestagsabgeordneten ein »Step-o-meter« geschickt, der eine Woche lang alle Schritte zählen sollte. Die bewegungsfreudigste Fraktion wäre mit 10000 Euro belohnt worden. Leider wurde das Projekt »einstimmig von allen parlamentarischen Geschäftsführern« abgelehnt. Dabei wäre es ein schönes Bild gewesen, wie die versammelten Kriecher von Berlin Bewegung mit Schrittezählen verwechseln. Eine wirkliche Bewegung »von links unten nach rechts oben« hat derweil den Kanzler erwischt und wäre in der SoZ ob des ungünstigen Redaktionsschlusses fast nicht gewürdigt worden.
Am 18.Mai hat Jens Ammoser dem Schröder Gerhard eine geknallt, geschallert und zwar in »optimaler Technik«. Das — seit 18.Februar 2004 — Mitglied der SPD aus Geiersnest, Mitgliedsnr.70112965, Jens Ammoser, hat das SPD-Mitglied aus Hannover, Mitgliedsnr. Agenda 2010, geohrfeigt, weil er »der mieseste, erfolgloseste und ahnungsloseste Kanzler« sei, »den es je gab«. »Ich wollte den Kanzler aufrütteln. Lieber jetzt eine Ohrfeige als später eine Bombe.« Die Superlativen sind vielleicht etwas voreilig, schließlich hat es Oskar L. noch gar nicht zum Kanzler gebracht, aber wo er Recht hat, hat er Recht, der Ammoser Jens. Er hätte Schröder »für alle Arbeitslosen und alle sozial Benachteiligten in unserem Land« geschlagen.
Die möglichen Folgen waren einkalkuliert: »Wenn der Rummel vorbei ist, wird sich meine Situation durch diese Aktion dramatisch verschlechtern. Die rollen jetzt über mich hinweg, und da habe ich keine Chance. Aber das Politische steht im Vordergrund, da muss das Einzelschicksal zurückstehen.« Im Laufe von 2003 hatte sich Ammoser aus Geiersnest mehrfach für hohe Ämter beworben. Er schrieb an das Bundeskanzleramt, um »Vorsitzender einer Kommission zur Vermehrung der Arbeitsplätze in Deutschland« zu werden. Blöder als mit Peter Hartz wäre es unter ihm niemals gekommen. Er bewarb sich auch um den Posten des Kanzlers, weil »ich glaube, dass ich ein besserer Bundeskanzler als der augenblickliche wäre«.
Im Juli 2003 wollte er den Leiter des Bundeskanzleramts ablösen: »Ich kann‘s und mach‘s für die Hälfte.« Doch statt der Ämter bekam er ein SPD-Mitgliedsbuch und — nach vier Monaten Mitgliedschaft — eine Kandidatur für die Kommunalwahl in Baden-Württemberg am 13.Juni. Wir wussten gar nicht, wie genau wir jüngst an dieser Stelle die neuen SPD-Mitglieder charakterisiert hatten. Bitte nachlesen! Aber den sich steigernden Frust können wir uns gut vorstellen.
Der Marsch von Geiers-Nest nach Mann-heim war kein langer. Der Geiersnester Ammoser findet jetzt viele Freunde. Bei den Kommunalwahlen hat es zwar nicht für ein Mandat gereicht, aber die SPD hat in dem schwarzen Schwarzwaldnest das beste Ergebnis erzielt. Die MLPD-Zeitung Rote Fahne veranstaltete eine Umfrage, »welche triftigen Gründe es für die Mannheimer Kanzler- Ohrfeige geben könnte und welche Alternativen dazu bestehen«. Dieses mehrdeutige Deutsch war mit einer Buchprämie für den besten Vorschlag verbunden, die Klaus Dumberger aus München gewonnen hat. Er meinte, dass Ammoser »die Zeichen der Zeit erkannt« hat. Der Spiegel schrieb eine zweiseitige Homestory über den Geier in seinem Nest. Darin wirft er ihm vor, »er merkt sich fast jedes Wort von Schröder, und dann erwartet er, dass der sich daran hält«. Der Kanzlergattin Schröder-Köpf waren diese zwei Seiten für eine Ohrfeige zu lang: »Bekommt er drei, wenn er mit dem Messer zusticht?« Der ahnungsloseste Kanzler aller Zeiten hat wohl auch die dümmste Ehefrau erwischt. Aber die kaum verhüllte Moral des Spiegel wäre ein gesundes Fazit für alle, die es angeht, und das der McDonald‘s-Ironie eine schöne Zugabe verpasst: Wer Schröder seine Worte glaubt, kann nur ein armer Irrer sein. Eine Backpfeife für jeden, der‘s nicht glaubt.

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