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Die für den 1.1.2005 geplante Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zu einem Arbeitslosengeld II (Hartz
IV) wird die Kommunen mit bis zu 5 Milliarden Euro belasten, da sie für die Unterkunftskosten der Langzeitarbeitslosen und Sozialgeldbezieher
aufkommen müssen.
Dabei hatte Superminister Clement ihnen anfänglich eine Entlastung von 2,5 Milliarden
Euro zugesagt: die »Agenturen für Arbeit« sollten die Unterhaltskosten für arbeitsfähige Sozialhilfeempfänger
übernehmen, die nach der neuen Regelung unter das ALG II fallen. Dieses Geld sollten die Kommunen u.a. in die Kinderbetreuung stecken. Doch daraus
wird wohl nichts.
Im März dieses Jahres musste Clement zugeben, dass die Berechnungen und
Schätzungen seines Ministeriums auf Sand gebaut waren, die seinerzeit versprochene Revisionsklausel gibt es bis heute nicht. Schon heute steht den
Kommunen das Wasser bis zum Hals, und damit ist klar, wer hier »zahlt«. Sie werden sich bald gezwungen sehen, den Druck an die erwerbslosen
Mieter weiterzugeben und Erwerbslose mit Mieten oberhalb der festgelegten Grenzen aus ihren bisherigen Wohnungen vertreiben.
In strukturschwachen Regionen mit hoher Arbeitslosigkeit gibt es nicht nur keine Aussicht auf
Arbeit, auch billiger Wohnraum wird nicht im benötigten Maße zur Verfügung stehen, zumal in den nächsten Jahren viele Wohnungen
aus der Sozialbindung herausfallen und große Wohnungsunternehmen wie die E.on-Tochter Viterra ehemalige Werkswohnungen als Spekulationsobjekt
betrachten.
In Bochum bspw. muss die Stadt statt wie bisher für 9000 Sozialhilfebeziehende im
kommenden Jahr für 19531 Menschen eine Unterkunft bezahlen. Es ist kaum anzunehmen, dass diese zusätzlichen 10000 Menschen schon heute
unterhalb der neuen Miethöchstgrenzen wohnen, denn viele dieser Arbeitslosenhilfeempfänger erhalten derzeit noch Wohngeld, worauf sie ab
Januar 2005 keinen Anspruch mehr haben.
Es bekamen bisher aber auch nicht alle Erwerbslosen Wohngeld. Wer früher gut verdient
hat, bekam auch als Langzeitarbeitsloser so viel Arbeitslosenhilfe, dass er keinen Anspruch auf Wohngeld hatte, weil die Arbeitslosenhilfe (im Gegensatz zum
ALG II) an den letzten Lohn gekoppelt war. Sie werden ab dem 1.1.2005 Post vom Amt erhalten, weil ihre Miete oberhalb des Grenzwerts liegt, der
künftig für sie gilt. Sie haben dann eine Frist von sechs Monaten, um entweder selbst eine »angemessene« Wohnung zu suchen oder sie
werden in eine solche eingewiesen. Da das Arbeitsministerium darauf verzichtet hat, eine Rechtsverordnung zu erlassen, entscheidet die jeweilige Kommune,
was »angemessen« ist.
Bis zu 318 Euro warm darf hier die Wohnung kosten, damit die Stadt die Miete übernimmt. »Es gibt Wohnungen zu diesem Preis aber
viel zu wenige«, wie ein Sozialarbeiter meint. Der Konkurrenzdruck steigt, und viele werden angesichts einer sich stetig verringernden Zahl an
Sozialwohnungen auf der Strecke bleiben. Die jetzt schon vorhandenen Vorbehalte von Vermietern gegenüber sozial Schwachen werden sich bald auch
gegen Arbeitslose richten. Ehe eine Wohnung an einen neuen Mieter geht, wird der Vermieter sich fragen, ob dieser die Wohnung in einem Jahr überhaupt
noch bezahlen kann.
Eine siebenköpfige Familie zahlt für ihre Wohnung 719 Euro warm, die vom Sozialamt bewilligte Höchstmiete beträgt 704,16
Euro. Wegen der Überschreitung um wenige Euro wird der Familie nun die Übernahme der Nebenkosten verweigert. Bereits zum Januar 2005
werden weit über 3000 Wittener Arbeitslosenhilfebeziehende und ihre Angehörigen mit einer Überprüfung zu rechnen haben.
Viele Menschen, die bislang Arbeitslosenhilfe bezogen haben, leben in Wohnungen, die
größer und teurer sind als nach Hartz IV vorgesehen, sie müssen damit rechen, dass nach einem halben Jahr ihre Stütze gekürzt
wird. Also wird die Nachfrage nach billigem Wohnraum sprunghaft steigen, aber es wird ihn nicht im erforderlichen Maße geben.
Das Mieterforum Ruhr geht davon aus, dass viele künftige ALG-II-Beziehende
höhere Wohnkosten haben als Sozialhilfeempfänger, besonders dann, wenn sie bis vor kurzem noch über »normale« Einkommen
verfügten. Da ist es nicht ungewöhnlich, wenn ein Angestelltenpaar eine Wohnung von 80 Quadratmeter bewohnt, das aber liegt deutlich über
der »Angemessenheitsgrenze«, da zählt auch nicht ein günstiger Quadratmeterpreis. Ähnliches gilt für Alleinerziehende
und Singles. »Für ausgebildete Leute bedeutet Hartz IV auch bei den Wohnkosten eine massive Degradierung unter die Armutsgrenze.«
Der Verkauf der städtischen Anteile der kommunalen Wohnungsgesellschaft Gewoge ist aufgeschoben, obwohl der Rat damit seinen Haushalt
sanieren wollte. Grund ist Hartz IV, denn schon im Mai ging der Bürgermeister von 12220 potenziellen »Kunden« aus. Ihn quält die
Frage, ob die Stadt nicht bei geschätzten 16 Millionen Euro Mehrkosten nicht doch lieber den Zugriff auf die Mieten bei immerhin über 7000
Wohnungen behält, um nicht noch tiefer in Haushaltsnöte zu geraten, zumal die Verkaufserlöse jetzt bei 57 Millionen Euro lägen
vor zwei Jahren sollten es noch 250 Millionen Euro sein.
Hier gehen 40% der Sozialwohnungen in den kommenden Jahren in den freien Wohnungsmarkt über. »Eine Wohnung für eine
alleinstehende Person darf höchstens 297 Euro kosten«, erklärt Sozialdezernentin Marlis Bredehorst, »andernfalls werden wir
auffordern müssen, eine preiswertere Wohnung zu suchen.« Die Stadt mit 57523 ALG-II-Empfängern verfügt aber gar nicht über
den benötigten preiswerten Wohnraum. Nach sechs Monaten, so schreibt es das Gesetz vor, werden die höheren Kosten nur noch in
Ausnahmefällen übernommen. Wird es zu einer Umsiedlungswelle kommen? Die Dezernentin verneint und hofft auf eine Verschiebung von Hartz
IV.
Die Leipziger Wohnungsbaugesellschaft will in ursprünglich für den Abriss vorgesehene Plattenbauten sozial schwache Mieter unterbringen. In
Sachsen-Anhalt wurden 12000 Quartiere aus dem Abrissprogramm genommen, weitere 5000 Wohnungen sollen aus Zwangsversteigerungen dazu kommen. Die
Wohnungen sollen für 3 Euro pro Quadratmeter, teilweise auch darunter, angeboten werden.
Auch die Hallesche Wohnungsgesellschaft hat bereits 5400 unsanierte Plattenbauwohnungen
an drei verschiedenen Standorten vorgesehen, will aber erklärtermaßen eine Ausgrenzung sozial schwacher Mieter vermeiden. Eine solche
Erklärung grenzt schon an Zynismus, denn das wäre die Quadratur des Kreises.
Larissa Peiffer-Rüssmann
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