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Die Montagsdemos, die von Mal zu Mal in mehr Städten und mit mehr Teilnehmenden stattfinden, werfen einen guten
Teil der bisherigen Aktionsplanungen für den Herbst über den Haufen.
Diese Planungen waren nach der Großdemonstration am 3.April in Berlin, Köln
und Stuttgart entstanden, die von den DGB-Gewerkschaften mit organisiert worden waren. Sie waren auf zahlreichen Treffen, darunter am Rande des
Perspektivkongresses Mitte Mai in Berlin konkretisiert worden mit dem Ziel, nach diesem Kraftakt »kein Loch« entstehen zu lassen, sondern eine
Perspektive für den Fortgang der Straßenproteste zu entwickeln. Daraus sind die Planungen für die Aktionskonferenz im Herbst entstanden,
die am 18. und 19.September darüber entscheiden soll.
Wie wir in früheren Ausgaben berichtet haben, hatten sich die Organisatoren der
Aktionskonferenz, namentlich die Initiative für eine Vernetzung der Gewerkschaftslinken, Attac, das Rhein-Main-Bündnis und die Friedens- und
Zukunftswerkstatt darauf verständigt, am 17.November republikweit einen dezentralen Aktionstag durchzuführen. Bis dahin sollten zahlreiche
Aktivitäten vor Ort stattfinden: Betriebs- und Personalversammlungen, Infoaktionen auf der Straße, Flugblattverteilaktionen zur Aufklärung
über Hartz IV, öffentliche Informations- und Diskussionsveranstaltungen, Zeitungsanzeigen, Plakatwände, Aktionstrainings u.v.a.
Der 17.11. ist dieses Jahr Buß- und Bettag, der vor wenigen Jahren als Feiertag
abgeschafft wurde und wieder angeeignet werden sollte.
Diese Planung fällt inzwischen hinter das Niveau zurück, das mit den
Montagsdemonstrationen bereits erreicht ist. Im Mittelpunkt der Debatte müssen nunmehr Fragen stehen wie:
Wie können die Montagsdemonstrationen so weiterentwickelt werden, dass Hartz
IV zurückgenommen wird?
Wie können wir im Herbst einen Schritt nach vorn kommen?
Um diese Fragen zu beantworten, mag es nützlich sein, sich anzuschauen, welche
Aktions- und Mobilisierungsvorschläge bisher gemacht worden sind.
Grottians Vorschläge sind darauf gerichtet, in einem ersten Schritt (September) die ansprechbare Intelligenz zu verpflichten, dass sie an vorderster
Front den Protest gegen Hartz öffentlich macht und damit die Betroffenen ermuntert sich zu beteiligen. Wissenschaftler sollen bis Anfang Oktober
Alternativen zur Agenda 2010 vorstellen; Rechtsexeperten, Menschen- und Bürgerrechtsorganisationen Ende September einen Aufruf zur
begründeten Verweigerung des Hartz-IV-Fragebogens starten; Hochschullehrer in der 1.Oktoberwoche zum zivilgesellschaftlichen Ungehorsam gegen
Hartz-IV-Gesetze aufrufen. Professoren und Studierende sollen einen eigenen Beitrag dazu leisten in Form eines einwöchigen Streiks.
In einem zweiten Schritt (Oktober) sollen der Reichtum und die Enteignung thematisiert
werden: Die reichen Arbeitslosen fahren vor die Arbeitsämter und geben ihr Letztes für die Agenda 2010: »mit Bugattis und Rolls Royce, mit
Rembrandts und Miros, mit teuren Schmuckstücken und Gucci-Mode, mit Vodafone-Aktien und Fondszertifikaten des Bankenskandals«
alles Gegenstände, die für ALG II anzurechnen sind. Am Vorabend des Tags der deutschen Einheit sollen sich Prominente auf einem zentralen
öffentlichen Platz (in Berlin der Gendarmenmarkt) auf Aktionen des zivilen Ungehorsams festlegen.
Grottian denkt auch an Aktionen zivilen Ungehorsams von Menschen, die in den Institutionen
beschäftigt sind.
Parallel dazu sollen die Betroffenen in ausgewählten Stadtbezirken angeschrieben und
ihnen kleinere und größere Protest- und Widerstandsformen angeboten werden. Dabei soll die Rolle der Arbeitsämter problematisiert werden,
bis hin zur Forderung ihrer Schließung. Die Reichen sollen anders als bisher mit dem Ausmaß der Armut konfrontiert werden:
Lumpendemonstrationen anlässlich festlicher Ereignisse, demonstrative Aufruf zum Schwarzfahren, Betteldemonstrationen in wohlhabenden Stadtteilen.
Jugendzentren u.a. sinnvolle Arbeitsplätze sollen instandbesetzt werden, inkl. einer
»fürsorglichen Belagerung« der für die Schließung politisch Verantwortlichen.
Grottian ruft zur Demonstration nach Nürnberg am 6.11. auf und zu einem
Bürgerstreik gegen Hartz IV am 10.Dezember (da ein Generalstreik noch nicht machbar erscheint). Am nächsten Tag würde ein Hartz-
Tribunal in Berlin folgen und schließlich die Vorlage eines radikalen Entschuldungsplans für die Gemeinde. (Siehe auch Gastkommentar, S.4.)
Die »Sozialistische Alternative Voran« (SAV) trommelt seit längerem für diese Losung, was häufig für Unmut gesorgt
hat, weil völlig unklar blieb, wie er realisiert werden soll. Der Druck, der auf den Montagsdemos entfaltet wird, verleiht dieser Forderung eine
stärkere Resonanz. Zwar sind die Gewerkschaften weniger denn je geneigt, ihr stattzugeben. Schließlich hat DGB-Chef Sommer auf dem
Gewerkschaftsrat der SPD schon im Juli klipp und klar gesagt, dass der DGB nicht mehr bundesweit gegen die Hartz-Gesetze mobilisieren wird. In einer
Pressemitteilung vom 19.8. distanziert sich der DGB gar von der Forderung »Hartz IV muss weg« und besteht darauf, »die sozialen
Zumutungen zu korrigieren«.
Der DGB hat auch willig den Ball der Nazis aufgegriffen, die immer wieder an einigen Orten
versuchen, sich in die Montagsdemos zu mischen, und erklärt deshalb rundweg solche Veranstaltungen für »absolut inakzeptabel«,
ohne den mindesten Beitrag dazu zu leisten, dass die Nazis den Demos fern bleiben.
Streiks scheinen also nach wie vor in großer Ferne. Aber die Aktionsform Montagsdemo
erlaubt, jede von ihnen unter ein anderes Motto zu stellen. So hat man sich am 23.8. in Köln am Offenen Mikro darauf geeinigt, beim nächsten Mal
dem DGB einen Besuch zu erstatten und ihn mit der Notwendigkeit betrieblicher Aktionen zu konfrontieren. Diese Aktion könnte flankiert werden von
Besuchen in Betriebsratsbüros großer Konzerne. Man kann auf den DGB damit einen öffentlichen Druck ausüben.
Die Initiative »Agenturschluss«, die auf dem Labournet-Kongress Mitte Juni in Dortmund entstand, ruft dazu auf, am 3.Januar, den ersten
Werktag des neuen Jahres, den Start von Hartz IV zu stoppen »durch Besetzungen, Blockaden oder Versammlungen«. Die Aktion soll
vorbereitet werden durch eine Aktionswoche vor den Arbeitsagenturen vom 2. bis 5.11. (im Rahmen der Planungen der Aktionskonferenz). Die Montagsdemo
soll am 3.1. vor die Arbeitsagentur führen: »Wenn die Arbeitsagenturen zur Arbeitspolizei werden, stellen wir ihre Existenzberechtigung in
Frage.«
Eine andere Initiative entstand aus dem Runden Tisch der Erwerbslosen, sie nennt sich
»höhlenkampf« und fokussiert vor allem auf die drohenden Zwangsräumungen. Ziel ist, den Betroffenen in ihrer Furcht vor dem
Verlust der Wohnung zu helfen: durch Plakataktionen, Medienöffentlichkeit, Predigten, Infobüros, Unterstützung und Hilfestellung durch
Bündnispartner, Besetzungsaktionen, Mobilisierung der Stadtteile u.a. Die Initiative bietet eine Wanderausstellung über den Kampf der Arbeiter
gegen Wohnungsraub in den 20er Jahren an.
Das zentrale Anliegen aller Aktionstreffen muss aber sein, noch in diesem Herbst erneut zu einer Großdemonstration zu mobilisieren. Die Dresdner
Initiative »Aufbruch in eine friedliche und lebenswerte Gesellschaft« appellierte bereits am 18.Juli in einem Aufruf: »Eine in diesem Jahr im
Herbst stattfindende Großdemonstration in Berlin scheint dringend angeraten. Lasst sie uns zeitgleich zur geplanten Protestkundgebung in Nürnberg
in Berlin am 6.11. organisieren! Treffpunkt Brandenburger Tor mit anschließendem Marsch zum Kanzleramt.«
Angela Klein
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