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Die Globalisierung des Arbeitsmarkts, die neoliberale Politik zur Senkung der Lohnkosten und der rassistisch motivierte
Ausschluss palästinensischer Arbeitskräfte vom israelischen Arbeitsmarkt gehen Hand in Hand. Eine europäische Gewerkschaftsdelegation
hat auf Einladung des israelischen Workers Advice Center (WAC) im April den Arbeitsmarkt in Israel genauer studiert.
Die israelische Rechtsregierung ist Musterschülerin bei der Umsetzung neoliberaler
Politik. 2002/03 hat die Regierung drakonische Sparmaßnahmen bei Arbeitslosen, Rentnern, Behinderten und Sozialhilfeempfängern umgesetzt. Die
Sparmaßnahmen lösten in Israel heftige Reaktionen hervor. Behinderte besetzten wochenlang die Zugänge von Ministerien und lieferten sich
heftige Auseinandersetzungen mit der Polizei, die Vertreter der Mizrahim (arabische Juden) führten letzten Sommer in Israel viel beachtete
Protestmärsche durch.
Trotzdem hat die nationale Regierung bereits weitere Lohnkürzungen für die
Staatsangestellten angekündigt, um das Staatsdefizit abzubauen. Gleichzeitig ist die Erwerbslosenrate in Israel auf bisher unbekannte Höhen von
über 10% oder 250000 Personen gestiegen. Die israelische Regierung nutzt den selbst erzeugten Kriegszustand und die »nationale Sicherheit«
gezielt aus, um das neoliberale Abbauprogramm durchzusetzen.
Mit der Globalisierung des Arbeitsmarkts und der gezielten Förderung des Importes von
rechtlosen Ausländern aus Niedriglohnländern (Asien und Osteuropa) versuchte die israelische Regierung das tarifvertraglich vereinbarte
Lohnniveau zu unterwandern und gleichzeitig den politisch motivierten Ausschluss von palästinensischen Arbeitskräften aus den besetzten Gebieten
zu verstärken. Nach dem Osloer Abkommen 1993 forcierte die Regierung die Einführung von ausländischen Beschäftigten.
Heute leben und arbeiten rund 300000 dieser ausländischen Billigstarbeitskräfte in
Israel (12,5% aller Erwerbstätigen), mehr als die Hälfte davon illegal. Israel hat damit den höchsten Anteil von ausländischen
Arbeitskräften nach der Schweiz. Professor Eckstein von der Uni Tel Aviv schätzt, dass mit dieser »Ausländerpolitik« die
Löhne in den hauptsächlich betroffenen Sektoren (Bau, Landwirtschaft und Hauspflege) durchschnittlich um rund ein Drittel gesenkt werden
konnten. Neben den niedrigen Löhnen ist um den Import ein hoch lukratives Geschäft für Leihfirmen entstanden, die nicht nur aus dem
Verleih sondern auch aus den hohen Vorauszahlungen der Arbeitenden Profit machen.
In den Herkunftsländern wie in Israel sind hohe staatliche Stellen in das Geschäft
involviert. Am bekanntesten ist die Leihfirma »Neot Golan« von Ronit Katz, die Ehefrau des Agrarministers Yisrael Katz. Eine weitere ist die Firma
des Bruder eines Likud-Abgeordneten in der Knesset, Armond Levy, die sich auf den Import von rumänischen Arbeitern spezialisiert hat.
Mit der Schaffung einer speziellen Polizei zur Deportation von jährlich 50000
»Illegalen« wurde ab September 2002 die Situation der ausländischen Arbeiter noch prekärer. Das Doppelspiel der Regierung wurde
damit perfektioniert: In der Öffentlichkeit wiederholt sie das rassistische Dogma der demografischen Gefahr durch die nichtjüdischen
Arbeitskräfte und tritt nationalistisch für »Israelis zuerst« bei der Verteilung von Jobs ein; gleichzeitig fördert sie mit
gesetzlichen Regelungen den Import und die Ausbeutungsmöglichkeiten der ausländischen Arbeitskräfte.
Von der Erwerbslosigkeit in Israel betroffen sind überdurchschnittlich die
palästinensischen Staatsbürger, die rund 20% der israelischen Bevölkerung ausmachen. Die Erwerbslosenrate unter palästinensischen
Israelis ist anderthalbmal höher als unter den jüdischen. 98% der Orte mit überdurchschnittlicher Erwerbslosigkeit sind arabisch. Die
Löhne in arabisch bewohnten Gebieten sind nur halb so hoch wie in jüdischen Orten. Die Abhängigkeit der arabischen Staatsbürger
vom Erwerbsarbeitsmarkt wurde zudem durch die Landenteignungen verschärft. Seit 1948 wurde mehr als die Hälfte des Landbesitzes der
arabischen Bevölkerung in Israel enteignet. Die palästinensischen Staatsbürger werden zunehmend wie zuvor die Palästinenser aus den
besetzten Gebieten durch die ausländischen Billigstarbeiter aus ihren angestammten Erwerbssektoren (Bau, Landwirtschaft) herausgedrängt. Von
der Entlassungswelle von 150000 Beschäftigten im Bausektor in den letzten zehn Jahren waren überdurchschnittlich arabische Angestellte betroffen.
Gleichzeitig hat sich die Zahl der ausländischen Billigstarbeitskräfte im Bausektor verdoppelt. Ihr Zahl hat die Zahl der Palästinenser
unterdessen überholt.
Die israelische Regierung nutzt die Wirtschaftskrise und kombiniert ihre neoliberale Politik mit
rassistisch motivierter Diskriminierung. Am offensichtlichsten ist der Zusammenhang zwischen der staatlichen Förderung des Imports von
Billigstarbeitskräften nach dem Abschluss des Osloer Abkommens und dem bis heute fast vollständigen Ausschluss von Palästinensern aus
den besetzten Gebieten. Besaßen 1993 noch 130000 Personen aus den besetzten Gebieten eine dauerhafte Arbeitserlaubnis in Israel, so sind es heute nur
noch 15000. Die meisten von ihnen haben aber wegen der häufigen Ausgangssperren ihre festen Stellen in Israel verloren.
Auf Einladung des Workers Advice Center (WAC-Maan), einer kleinen israelischen
Gewerkschaft, die palästinensische Arbeiter in Israel organisiert, besuchten vom 25.April bis 2.Mai 2004 Vertreter von 14 Gewerkschaften aus 7
europäischen Ländern Israel und die Westbank. Schwerpunkt waren die Arbeitsbedingungen der arabischen und ausländischen Arbeiter im
Bausektor in Israel. Die Delegation diskutierte mit Arbeitern auf Baustellen und in WAC-Lokalen, wurde im Finanz- und Arbeitsministerium von staatlicher
Seite sowie bei einem Treffen mit der staatstragenden Gewerkschaft Histadrut zu Gesprächen eingeladen und konnte verschiedene Vorträge von
Aktivisten der »Workers Hotline« für ausländische Beschäftigte, von engagierten Rechtsanwälten der Beratungsstellen Bar
und Adva Center und von Wissenschaftlern der Universität Tel Aviv und Jerusalem verfolgen. So entstand ein vielseitiges Bild der aktuellen
Arbeitsmarktlage in Israel, und es gab einen internationalen Austausch, wie aus gewerkschaftlicher Optik die Arbeitsbedingungen im Zeitalter der
kapitalistischen Globalisierung international verteidigt werden könnten.
Urs Diethelm
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