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Die europäische Konferenz von Peoples Global Action (PGA) vom 23. bis 29.Juli 2004 in Belgrad griff einen in
Deutschland stark diskutierten Begriff auf: Aneignung. Nach Jahren, in denen die Bewegung in Deutschland immer nur neidisch darauf schaute, was in anderen
Ländern passiert, ergibt sich hier die Chance, Anstöße für andere zu geben.
PGA war das erste internationale Netzwerk, über welches die Proteste gegen die
Welthandelsorganisation (WTO) koordiniert wurden. Ursprünglich aus den Treffen gegen den Neoliberalismus und für eine menschliche
Gesellschaft der Zapatistas entstanden, trafen sich im Februar 1998 in Genf rund 400 Delegierte aus über 70 Ländern, um gegen die zweite
Ministerkonferenz der WTO im Mai desselben Jahres zu protestieren. Hier entstand auch der erste Vorläufer der Global Action Days: eine Global Street
Party. Der erste »richtige« Global Action Day war dann der 18.Juni 1999 zum Doppelgipfel von G8 und EU in Köln.
Seitdem haben sich die Global Action Days verselbstständigt. Bis heute sind die
Anlässe meist Gipfeltreffen von internationalen Institutionen; so wird es auch im Sommer 2005 einen Global Action Day zum G8-Treffen in der
Nähe von Edinburgh geben. Dieser wird nicht nur von PGA unterstützt, es trafen sich auch mehrfach Arbeitsgruppen zur Vorbereitung der Proteste
anlässlich des G8. Darüber hinaus wurde jedoch beschlossen, in Zukunft globale Aktionstage auszurufen, welche nicht nur auf solche Ereignisse
reagieren, sondern welche eigene Praxen in den Vordergrund rücken und eigene Räume eröffnen.
Dass es der deutsche Begriff der Aneignung wurde, welcher für den ersten dieser Global
Days gewählt wurde, zeugt von einer größeren Präsenz von deutschen Gruppen auf dieser Konferenz. Von den rund 400 Anwesenden
waren rund 50 aus Deutschland insgesamt fiel auf, dass die Präsenz von Gruppen aus Deutschland, aber auch Großbritannien, Frankreich
und anderen nördlichen Ländern deutlich stärker war als aus denen Südeuropas, wie Italien und dem spanischen Staat, wo PGA
traditionell stark gewesen ist. Für Italien ist das besonders deutlich: War Ya Basta früher PGA-Koordinator für Europa, so wurden daraus die
Tute Bianche und daraus wiederum die Disobbedienti, womit auch inhaltliche Veränderungen verbunden sind.
Es zeugt aber auch von Veränderungen in Deutschland: Der Begriff der Aneignung war
nicht nur Thema des letzten Kongresses der BUKO in Kassel und von mehreren linken Zeitschriften, u.a. der Arranca! [und der Sozialistischen Hefte Nr.6],
sondern repräsentiert auch eine wachsende Bewegung rund um den Begriff »umsonst«: Hierunter fallen zum einen die in vielen Städten
inzwischen bestehenden Umsonstläden oder Nutzungsgemeinschaften, welche nicht nur die gemeinsame Ökonomie politisieren, sondern im
Unterschied zu z.B. Tauschbörsen bewusst versuchen, Wege jenseits einer Tausch- und Verwertungslogik zu finden. Zum anderen fallen hierunter die
Initiativen Hamburg umsonst!, Berlin umsonst! etc., die mit Aktionen wie ohne Eintritt zu zahlen ins Kino oder Museum zu gehen, umsonst im Freibad zu
schwimmen usw. spektakulär die Aneignung eines würdigen Lebens propagieren, ohne sich das Recht aufgrund von Geldmangel absprechen zu
lassen. In Kassel kam es während der BUKO sogar zu einer spontanen Aneignung von H&M-Artikeln, welche an Passantinnen und Passanten
weitergereicht wurden.
Diese Aktionsform wiederum geht auf die Praxis des YoMango! aus Spanien zurück,
wenngleich dort währenddessen gerne Tango getanzt wird. Dieser Gedanke der gegenseitigen Inspiration führte auf der Konferenz in Belgrad dazu,
den Global Day zu Aneignung als Startpunkt einer globalen Stafette zu nutzen, das heißt nicht nur gleichzeitig, sondern danach in kurzem zeitlichem
Abstand Aktionen in verschiedenen Teilen der Welt durchzuführen. Dies soll die Sichtbarkeit von Global Action Days mit den
»nachhaltigeren«, weil längerfristigen, Kampagnen von PGA verbinden, aber auch einem stärkeren Erfahrungsaustausch untereinander
dienen.
Friederike Habermann
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