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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, November 2004, Seite

Kolumne von Jakob Moneta

Keer Het Tij — Wendet das Blatt

Dass die Montagsdemos abflauen würden, war vorauszusehen. Solange aber die Bundesregierung ihre soziale Politik nicht grundsätzlich ändert, wächst die Gefahr, dass demokratische Willensbildung erlahmt. Noch mehr Menschen werden sich von den Wahlurnen abwenden.
Aber auch die Rechtsextremen, die heute nicht mehr die Altnazis sind, sondern viele Jugendliche, die ebenso wie die Linken sowohl den Irakkrieg als auch Hartz IV ablehnen, werden profitieren. Allerdings haben sie auch einfache Lösungen anzubieten, die auf einer »rechtsextremen Alltagskultur« beruhen. Beim Bier in den Kneipen oder beim Skat finden diese eine einfache Lösung: Ausländer raus, dann haben wir Arbeitsplätze für alle Deutschen.
Wie aber können wir den Menschen Mut machen, sich zur Wehr zu setzen gegen den verheerenden Kurs der Regierung, die den Reichen gibt, was sie den Armen vorenthält?
In den Streikbewegungen der IG Metall, angefangen mit dem legendären 114-Tage-Streik für die Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten im Krankheitsfall, wurden »Ermüdungserscheinungen« dadurch bekämpft, dass die Familien durch regelmäßige Veranstaltungen von Künstlern mit einbezogen wurden. Das müsste doch auch anstelle von Montagsdemos — vor allem im herannahenden Winter — möglich sein. Aber das allein reicht natürlich nicht aus, die Politik der Regierung zu ändern.
Auf der Kundgebung in Berlin am 2.Oktober gegen den Sozialkahlschlag sagte Gaby Kafka aus den Niederlanden, sie sei Mitglied einer Bewegung, die sich »Keer Het Tij«, deutsch etwa »Wendet das Blatt« nennt. »Darin sind 500 Organisationen vereint, die gegen die Regierung kämpfen, denn die niederländische Regierung macht das gleiche wie eure: Dem ›kleinen Mann‹ wird genommen, der große kriegt noch was dazu. Wir haben jetzt gerade in Amsterdam 200000 Menschen auf den Beinen, die gegen die Regierung demonstrieren. Die wissen dort auch, dass ihr hier in Berlin seid und das ist gut so: Europa steht auf!«
Warum aber sollten die Menschen Europas getrennt aufstehen und nicht zusammen? Warum sind nicht deutsche Gewerkschaften auch auf der Demonstration in Amsterdam mit 200000 Menschen präsent gewesen?
Es genügt nicht — wie der DGB es tut — zu berichten, dass 565000 Bezieher von Arbeitslosenhilfe künftig leer ausgehen und 978000 Kürzungen in Kauf nehmen müssen. Menschen, die bisher ein Recht auf Arbeitslosenunterstützung hatten, würden zu Bittstellern werden. Müssen sich nicht die Gewerkschaften in der europäischen Gemeinschaft zusammenschließen, damit sie nicht gegeneinander ausgespielt werden können? Gemeinsam nur können sie Mindestbedingungen für Löhne und Sozialleistungen festlegen. Gemeinsam muss die Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich reduziert werden, um die Arbeitslosigkeit zu beseitigen. Nur gemeinsam können sie die Drohung, Betriebe in Billiglohnländer zu verlagern, verhindern und zugleich durch einen Wirtschaftsplan helfen, die soziale Lage einander anzugleichen.
Sollte es hierfür nötig sein, demokratische Selbstverwaltung in den Betrieben und Behörden einzuführen, statt mörderischer Konkurrenz zukunftsträchtige Kooperation zu verwirklichen, dürfen wir auch davor nicht zurückschrecken.

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