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Der Karstadt-Quelle-Konzern ist in diesem Jahr in eine schwere Krise gerutscht. Auslöser dieser Krise sind
die rückläufigen Umsätze im Einzel- und Versandhandel. Diese Krise trifft den Konzern besonders hart, weil er in den Bereichen
des Handels aufgestellt ist, die unter der Kaufzurückhaltung einerseits und dem veränderten Kaufverhalten der Kunden andererseits
besonders betroffen sind.
Der Karstadt-Quelle-Konzern besteht aus den Versandhäusern Neckermann und Quelle, den Karstadt Waren- und
Sporthäusern, den Textil-Filial-Ketten Sinn Leffers und Wehmeyer, der Sportkette Runners Point und dem Touristik Unternehmen Thomas
Cook (Neckermann Reisen, Condor). Weiterhin ist das Unternehmen noch an die Kaffeehauskette Starbucks und am Deutschen Sportfernsehen
beteiligt.
Im letzten Jahr hat der Karstadt-Quelle-Konzern nur durch Bilanztricksereien
noch einen Gewinn ausweisen können. Damit wurde versucht, die Hauptaktionäre ruhig zu halten, und auf eine bessere Entwicklung
in diesem Jahr gehofft. Diese Hoffnung hat sich aber schon im ersten Halbjahr zerstoben. Die Umsätze im Einzel- und Versandhandel sind
teilweise nochmals erheblich zurückgegangen. Nachdem diese Entwicklung nicht mehr zu verbergen war, ist der Vorstandsvorsitzende
Urban zum 30.Juni zum Rücktritt gezwungen worden.
Der neue Vorstand unter dem neuen Vorsitzenden Achenbach und der Aufsichtsratvorsitzende Middelhof berieten zu allererst, wie der
Konzern aus der Krise zu führen ist. Sie einigten sich auf ein Programm, das nur als ein Generalangriff auf die Beschäftigten
bezeichnet werden kann. Insbesondere ging es ihnen darum, die Verlustbringer möglichst schnell los zu werden und über ein
radikales, vor allem Personalkostensenkungsprogramm den Konzern zu sanieren.
Folgende Maßnahmen waren vorgesehen:
Verlängerung der Arbeitszeit auf bis zu 42 Stunden (tarifliche
Arbeitszeit 37,5 Stunden),
Kürzung des Jahresurlaubs um fünf Tage,
Abschaffung des tariflichen Urlaubs- und Weihnachtsgelds,
massive Entlassungen mit betriebsbedingten Kündigungen.
Hinzu kamen die Maßnahmen, die der Vorstand zur Sanierung des
Konzerns beschlossen hatte:
Verkauf der gesamten Logistik,
Ausgliederung von 77 Karstadt-Häusern in die Karstadt Kompakt
GmbH,
Verkauf oder Schließung von Sinn Leffers und Wehmeyer,
Verkauf von Runners Point,
Verkauf der Anteile an Starbucks.
Mit diesem Restrukturierungsprogramm soll der Konzern schon 2005 wieder
profitabel geführt werden. Die Betriebsräte und die Gewerkschaft Verdi gingen davon aus, dass von diesem Programm ca. 30000 von
100000 Beschäftigten durch personelle Maßnahmen betroffen sein werden. Die Vertreter im Aufsichtsrat lehnten das Programm des
Vorstands ab.
Auf den nachfolgenden Konferenzen wurde die Linie für die
Verhandlungen mit dem Vorstand festgelegt: Vor allem ein Eingriff in die Tarifverträge wurde strikt abgelehnt. Die Verlängerung der
Arbeitszeiten sowie die Kürzung des Urlaubs oder Streichung von Urlaubs- oder Weihnachtsgeld waren nicht verhandelbar. Weiterhin sollte
verhindert werden, dass es zu betriebsbedingten Kündigungen kommt.
Trotz einer massiven Medienkampagne und einer Öffentlichkeit, die förmlich nach Arbeitszeitverlängerung und Aufgabe
tariflicher Standards verlangt, wurde diese Linie auch durchgehalten. Im letzten Jahr hatten die Unternehmer in der Tarifrunde versucht,
Öffnungsklauseln in den Tarifverträgen durchzusetzen. Das konnte verhindert werden. Hätte Verdi dieser Öffnungsklausel
zugestimmt, gäbe es nach den Ereignissen bei Karstadt ganz andere Tarifvertäge für den gesamten Einzelhandel.
Nun ist es aber nicht so, dass keine Kröten geschluckt werden mussten. In
den unter großem Zeitdruck stehenden Verhandlungen wurden am 14.10. folgende Vereinbarungen getroffen:
Insgesamt 5500 Arbeitsplätze werden im Konzern gestrichen.
Es soll keine betriebsbedingten Kündigungen geben.
Arbeitszeit und Urlaub bleiben unverändert.
Das Urlaubsgeld (990 Euro) wird in Form von Gutscheinen ausgezahlt.
Die Tariferhöhungen für 20052007 werden gestundet.
Sobald wieder Dividende für die Aktionäre bezahlt wird, sollen die Tariferhöhungen an die Beschäftigten ausgezahlt
werden.
Das übertarifliche Weihnachtsgeld wird gestrichen (100700
Euro).
Damit sollen insgesamt 760 Millionen Euro eingespart worden sein. Die
Hauptaktionäre, Madeleine Schickedanz, Allianz Versicherung und verschiedene Banken, sollen das zur Voraussetzung für eine
weitere finanzielle Stützung des Konzerns gemacht haben. Ob allerdings Karstadt-Quelle damit über den Berg ist, bleibt abzuwarten.
Im Einzel- und Versandhandel wird es schwer sein, aus der negativen Umsatzentwicklung in diesem konjunkturellen Umfeld heraus zu kommen.
Vor allem wird der neue Vorstand sich endlich über neue Konzepte der
Warenhäuser in der veränderten Einzelhandelslandschaft Gedanken machen müssen. Die Attraktivität der Konsumtempel
wird bei weiter sinkenden Einkommen der Lohnabhängigen nicht leicht zu steigern sein. Allerdings wird die Konzentration auf nur noch 89
großflächige Häuser zumindest eine gewisse Rendite einbringen.
Die Beschäftigten werden die Ergebnisse mit sehr zwiespältigen
Gefühlen betrachten. Sicherlich konnte erreicht werden, dass es vorerst nicht zu betriebsbedingten Kündigungen, und einer
Verlängerung der Arbeitszeiten kommt. Das ist nicht gering zu schätzen, wo doch selbst in wesentlich besser dastehenden Konzernen
wie Siemens und DaimlerChrysler die IG Metall erhebliche Zugeständnisse machen musste.
Die Tarife im Einzelhandel sind allerdings nicht so, dass die Beschäftigten
da noch auf viel verzichten können. Bei einem Tarifgehalt von 1980 Euro brutto kann sich Mensch keine großen Sprünge
erlauben. Und drei Jahre auf Erhöhungen verzichten zu müssen, dürfte für viele ein dicker Brocken sein. Der Wegfall des
übertariflichen Weihnachtsgelds wird allerdings von vielen als gravierender angesehen werden.
Bei einer mehr objektiven Betrachtung bleibt allerdings festzuhalten, dass sich
die Positionierung von Verdi letztendlich auch für die Beschäftigten ausgezahlt hat. Bei solch einer Marktbereinigung, und nichts
anderes ist das Konzept des Vorstands, erreicht zu haben, dass keine betriebsbedingten Kündigungen ausgesprochen werden, ist gerade
vor dem Hintergrund der Einführung von ALG II nicht hoch genug einzuschätzen. Über eine Erhöhung der Arbeitszeiten
hätten nicht nur noch mehr Arbeitsplätze auf der Kippe gestanden, sondern es wären auch direkt die Einkommen gesenkt
worden.
Für eine generelle Antwort gegen die Absichten der Vorstände, die
Krise auf den Rücken der Beschäftigten auszutragen, müssen die Gewerkschaften allerdings versuchen, aus der Defensive
heraus zu kommen. Ohne die Forderung nach sofortiger und radikaler Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich wird dies kaum
möglich sein.
Helmut Born
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