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Wolfgang Schaumberg war 30 Jahre bei Opel in Bochum tätig, davon 25 Jahre als Betriebsrat. Er ist
weiterhin aktiv in der IG Metall und in der Betriebsgruppe »Gegenwehr ohne Grenzen« (GoG), sowie in der Initiative zur Vernetzung
der Gewerkschaftslinken. Mit ihm führte Daniel Behruzi das folgende Interview, das zuerst am 16.Oktober in der Tageszeitung Junge Welt
erschien.
Als Reaktion auf das vom General-Motors-Konzern verkündete Kürzungsprogramm haben die Beschäftigten von
Opel in Bochum am Donnerstag spontan die Arbeit niedergelegt. Wie ist es dazu gekommen?
Das war für die Belegschaft ein Akt der Würde. Man war von der Heftigkeit dieses Angriffs, vom Ausmaß des
Arbeitsplatzabbaus und der Konzernforderungen, überrascht. Die Bochumer Belegschaft hat bereits viele negative Erfahrungen mit dem
Warten und Hoffen auf Aktionen von oben gemacht. Schon des öfteren haben Teile der Belegschaft deshalb spontane Aktionen auf die
Beine gestellt, ohne darauf zu warten, was Gewerkschafts- und Betriebsratsspitzen offiziell verkünden.
Gleichzeitig wissen die Kollegen, dass in Bochum immer noch das
größte Produktionswerk von General Motors (GM) in Europa steht und die Produktion des »Astra« und
»Safira« auf vollen Touren läuft. Viele andere Werke in Europa hängen von Bochum ab, wodurch ein gewisser
ökonomischer Druck erzeugt werden kann. Die Kombination dieser Faktoren hat den Streik ermöglicht, wobei gleichzeitig auch Angst
da ist.
Die offiziellen Beschäftigtenvertreter wollen den Streik ganz offensichtlich nicht. Welche Perspektive sehen Sie vor diesem
Hintergrund für die Auseinandersetzung?
Das ist sehr schwer zu sagen. Ein Vorstandsmitglied von GM in den USA hat angekündigt, das, was auf Belegschaften zukommt,
werde »hässlich«. Viele Kollegen sagen: Dann muss es eben auch für den Konzern »hässlich« werden.
Das ist die erste Reaktion.
Die Kollegen hoffen natürlich, dass auch von den anderen Belegschaften
bald Zeichen kommen, dass auch sie den Abbau so nicht hinnehmen wollen. Das große Dilemma aber ist, dass die Gewerkschaft derartige
Kämpfe nicht will. Bei DaimlerChrysler, VW und hier bei Opel überall sind 80%, 90% in der IG Metall organisiert aber
wir werden nicht in einen gemeinsamen Kampf geführt.
Für die Belegschaften und Aktivisten ist das eine schwierige Situation
zu registrieren, dass unsere Gewerkschaftsspitze bei dieser Aktion gar nicht auf unserer Seite steht und als erstes Ziel definiert hat,
Deutschland müsse Exportweltmeister bleiben. So rettet man die Profite, aber nicht die Leute! Allerdings haben auch viele Kolleginnen und
Kollegen die von der Führung vertretene Standortlogik verinnerlicht. Viele glauben tatsächlich, dass lediglich bessere Manager
nötig sind. Es ist aber unsinnig zu glauben, dass nur falsches Management für die Krise bei Opel, VW, Karstadt usw. verantwortlich
ist.
Worin sehen Sie denn die Ursachen?
Um es kurz zu sagen: Die tiefere Ursache liegt in dem bestehenden Wirtschaftssystem begründet, das auf Profit und Konkurrenz
basiert. Man arbeitet nicht, um Bedürfnisse zu befriedigen, sondern um die Profitzwänge der einzelnen Unternehmer zu erfüllen.
Leider hat die Linke derzeit nur wenig hoffnungsträchtige Alternativen zu diesem System anzubieten.
Während in Bochum gestreikt wird, scheint sich in Rüsselsheim und anderen Werken noch nicht viel zu regen.
In Rüsselsheim sind von den fast 20000 Beschäftigten nur etwa 7000 Produktionsarbeiter. Leider gibt es dort nur wenige
Kampferfahrungen und mir scheint, dass der Betriebsrat die Sache ideologisch und organisatorisch im Griff hat. Anders als in Bochum hat es
diese jahrzehntelange Tradition von Debatten über den Kurs des Betriebsrats und der Gewerkschaft in Rüsselsheim nicht gegeben.
Wie es in anderen europäischen Werken aussieht, wissen wir leider nicht genau.
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