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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, November 2004, Seite 10

2.Oktober, Berlin

Guter Abschluss

von Angela Klein

Tolle Demo, gutes Wetter, ausgelassene Stimmung — Heiterkeit, Offenheit, Buntheit. Solche Attribute vergibt man bei deutschen Demonstrationen selten, aber desto lieber. Die Stimmung am 2.Oktober ähnelte eher der am 1.November 2003 als der am 3.April 2004. Das war fast das Wichtigste, denn es war nicht selbstverständlich: Warum soll man noch nach Berlin fahren, wenn man eh jeden Montag zu Hause demonstriert und nicht ersichtlich ist, wie eine Busfahrt in die Hauptstadt die Bewegung einen qualitativen Schritt vorwärts bringen soll? Es waren dann aber doch sehr viele, die den Weg nach Berlin gefunden haben. Die Gewerkschaften zählten allein 40000—60000 Personen, die in Bussen gekommen waren, davon etwa 5000 aus den alten Ländern, dazu gab es noch Sonderzüge und natürlich die Berliner Bevölkerung.
Die Organisatoren der Demonstration hatten sich bemüht, die Zahlen mit der Polizei abzustimmen, sind dabei aber wohl ziemlich heruntergehandelt worden. Jedenfalls hieß es anfangs 110.000, dann 70.000, schließlich 45.000. Das sollte die gemeinsam vorgetragene Zahl sein; später am Abend verließ die Polizei aber diesen Boden und landete bei 25.000.
Ein erfahrener Euromarschierer gab eine Erklärung für das Verwirrspiel: Die Demonstration war durch einen ungerechtfertigten Polizeieinsatz in der Mitte auseinander gerissen worden, sodass die Demonstrierenden in den jeweiligen Blöcken das Gefühl hatten, ihr Teil sei das Ganze.
Die bürgerliche Presse hat unbedachte Äußerungen der Organisatoren über die erwartete Teilnehmerzahl (100000) und das Verwirrspiel mit den Zahlen genutzt, um die Parole auszugeben: Die Bewegung ist tot, die Teilnehmer enttäuscht. Solche Art Pressearbeit, die die eigenen Hoffnungen für die Wirklichkeit ausgibt, geht meist nach hinten los.
Die Demonstration hat tatsächlich eine Mobilisierungsphase abgeschlossen — nicht weil jetzt die große Enttäuschung um sich greifen würde, sondern weil nicht klar ist, welches der nächste Schritt für die Ausweitung der Bewegung sein kann.
Die Berliner Organisatoren der Montagsdemos haben an diesem Abschluss sogar einen eigenen Anteil. Sie haben es sich geleistet, ein Gesprächsangebot aus der SPD-Parteizentrale, dessen Resultat auf einer Pressekonferenz hätte vorgestellt werden sollen, in den Wind zu schlagen. Sie haben sich damit eine wichtige Möglichkeit zu einer direkten — und mobilisierenden — Auseinandersetzung entgehen lassen.
Aber auch die Bürgerlichen halten ihre Träume häufig für die Wirklichkeit. Die Teilnehmenden waren nicht enttäuscht und die Bewegung ist nicht tot. Sie kann sich jederzeit an einem neuen Funken entzünden.

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