SoZSozialistische Zeitung |
Zu den positiven Errungenschaften nach 1945 gehört die Kolumne. Diese
Textsorte kam, wie so vieles, aus den USA in ein Land, in dem es bisher nur den Leitartikel gab: die
Trompete, nach deren Signal sich das gesamte Blatt zu richten hatte.
Die Kolumne dagegen ist der gewollte
Fremdkörper in der Zeitung. Sie wird grundsätzlich nicht redigiert, der Verfasser ist autonom,
sein Artikel verhält sich kontingent zum sonstigen Blatt. Natürlich hat das Grenzen: man nimmt
nicht jede(n), und Autor(inn)en überlegen sich, wo sie schreiben. Ist das geklärt, melden sie
sich regelmäßig mit dem zu Wort, was sie ohne vorherige Absprache für wichtig halten.
Inzwischen ist diese Gattung teilweise wieder
heruntergekommen, unter anderem dadurch, dass Parteiführer bis herab in die Generalanzeiger-Presse mit
ihrem eigenen Bild und Texten ihrer Ghostwriter Verlautbarungen veröffentlichen. Es wäre
angemessen, wenn sie Anzeigenpreise zahlen müssten, und man fragt sich, ob sie stattdessen etwa auch
noch Honorar bekommen. Die Differenz zwischen Generallinie einer Zeitung und regelmäßigen
Gastbeiträgen ist in den meisten anderen Fällen nur gering. Die bekanntesten linken Kolumnisten
der Bundesrepublik, Ulrike Meinhof und Hermann L. Gremliza, waren (oder sind) aufs eigene Blatt angewiesen.
Auch zwischen Jakob Moneta und der
Sozialistischen Zeitung SoZ besteht ein unverkennbares Nahverhältnis. Und doch sind seine
Kolumnen, die dort erschienen sind, durch jene Kontext-Unabhängigkeit charakterisiert, die den ganzen
Mann charakterisiert.
Jakob Moneta, ein revolutionärer
Sozialist der IV.Internationale und grundsätzlicher Kritiker der Bürokratien (auch und gerade der
sozialistischen), hat doch auch in Apparaten gearbeitet, unter anderem als Chefredakteur von Metall, der
Mitgliederzeitung der IG Metall. Er war einige Zeit sogar in einer staatlichen Behörde tätig: im
Auswärtigen Amt und als Sozialreferent in der Pariser Botschaft der BRD unter dem ehemaligen Marxisten
und nachmaligen guten Katholiken Wilhelm Hausenstein.
Kann so etwas gut gehen? Wohl nur bei Jakob
Moneta. Wo er auch war und ist: in der Gewerkschaft, in der SPD, in der PDS immer stellt er eine
besondere politische Einheit dar, auf die die Umgebung nicht abfärbt. Sein politischer Charakter hat
etwas von einem Kristall, der nicht aufgelöst werden kann. Das macht die Prägung durch ein langes
Leben in der Arbeiterbewegung und der feste Ort des Emigranten und Vielgereisten in seiner eigenen kleinen
sozialistischen Organisation, die für ihn Priorität vor allen Großverbänden hat.
Der Kristall ist nicht opak, sondern klar
strukturiert und berechenbar. Er bietet eine die Welt gliedernde Sicht an. Da das Interpretationsmuster
rational ist, lässt es sich auf sehr verschiedenartige Gegenstände anwenden. Diese findet man in
seinen Kolumnen. Die Koordinaten sind: die Interessen der lohnarbeitenden Menschen und der
Internationalismus. Der Rahmen ist so weit gespannt, dass Ergebnisse neuer Lernprozesse ohne jede
Künstelung darin Platz finden, etwa Aussagen zum Geschlechterverhältnis und zur Ökologie.
Was das Interesse der Arbeiterklasse sei, wird unverschnörkelt gesagt: es ist letzten Endes der
Sozialismus, der nicht reformierend herbeigewartet werden kann, sondern revolutionär erkämpft
werden muss.
Die hier versammelten Texte umfassen einen
interessanten Zeitraum: beginnend 1987 und über die Jahre des Umbruchs in Osteuropa hinweg bis in die
Gegenwart. Bei aller Wachheit dieses Autors fällt eine merkwürdige Unberührtheit von den
Tagessensationen auf. Das ist nicht Kälte das warme Herz hinter dem kühlen Verstand ist
immer spürbar , sondern Ausdruck von Erfahrung und Intelligenz. Jakob Moneta hat vieles schon
lange vorher kommen sehen, und als es dann eintrat, fand er keinen Anlass zur Rechthaberei.
Wer im November 1989 Glück hatte, traf
damals im Gespräch auf Gewerkschafter, die sich von der Oper, die da gerade auf der großen
Weltbühne gegeben wurde, wenig beeindruckt zeigten. Mit einer gewissen Sturheit sprachen sie von der
nächsten Tarifrunde, von schwierigen Klassenauseinandersetzungen in der Bundesrepublik, und es war von
ihnen auch zu hören, dass es ohne Sozialismus letztlich nicht gehen werde. Jakob Moneta war der
Inbegriff dieser Haltung, meinetwegen auch ein organischer Intellektueller dieser so schmalen wie
wertvollen Schicht. Seine Kolumne vom 9.November 1989 trägt den Titel »Sächsisch
lernen«. Er handelt von der 35-Stunden-Woche mit vollem Lohnausgleich, der Freistellung des
Wochenendes von der Regelarbeitszeit, notwendigen Lohnerhöhungen, und der Autor wendet sich gegen
überlange Laufzeiten der Tarifverträge. Jakob Moneta wiegelte auf: »Stärker als die
Stasi können unsere ›Ordnungskräfte‹ doch wohl auch nicht sein!«
Es gibt mehrere Gründe, diese Texte nicht
nur mit intellektuellem Vergnügen und zeitgeschichtlicher Neugier zu lesen, sondern auch mit
Dankbarkeit.
Informationen und Meinungen sollten keine Waren sein. Und Geld ist ein Fetisch.
Dennoch und ganz praktisch: Die Online-SoZ sieht nur umsonst aus. Wir brauchen Eure Euros.
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