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An viel Pappmaché und alten Kulissen musste man vorbei, wollte man
diesmal zum Bundesparteitag der PDS. Er fand im Filmpark Babelsberg in der Caligari-Halle statt. Ein
bisschen viel Symbolik für eine Partei, die sich nach den jüngsten Wahlerfolgen mit neuem
Selbstbewusstsein präsentieren wollte.
Es galt, einen Leitantrag zu verabschieden und einen neuen Vorstand zu wählen. Beides wurde
pflichtgemäß und ohne größere Aufregung über die Bühne gebracht. Schon bei
der Debatte um den Leitantrag verbreitete sich eher lähmende Langeweile. Bisky und andere
Vorständler waren sichtlich bemüht, Optimismus hinsichtlich der Bundestagswahl 2006 zu
verbreiten, die PDS immer wieder als soziales Gewissen zu bemühen und doch hübsch auf der
Euphoriebremse stehen zu bleiben.
Entsprechend fiel der Entwurf des Leitantrags
aus. Eigentlich sollte er die Strategie der PDS bis zum Jahre 2006 beschreiben. Herausgekommen ist ein
dünnes »Sowohl als auch«. »Für sozialistische Politik nach unserem
Verständnis bilden Widerstand und Protest, der Anspruch auf Mit- und Umgestaltung sowie über den
Kapitalismus hinausweisende Alternativen ein unauflösbares strategisches Dreieck«, heißt es
im Entwurf des Vorstands.
Zwar finden sich im Antrag, wie meist bei der
PDS, viele sinnvolle Forderungen etwa im Bereich Soziales, Bildung, und Frieden. Wichtig ist auch die
nachträglich aufgenommene antifaschistische Position der Parteitag verabschiedete hier
einmütig eine brauchbare Resolution. Strategisch bietet der Antrag aber wenig neues. Jenes
strategische Dreieck, das die ungebrochene Regierungspraxis in den Ländern zum strategischen
Bestandteil erhebt und auf eine entsprechende Option auf Bundesebene zumindest schielt, könnte sich
bis 2006 als Bermudadreieck erweisen, in dem die bundespolitische Bedeutung der Partei verschwindet.
»Unter den derzeitigen Bedingungen
schließen wir auf Bundesebene eine Koalition mit SPD und Grünen aus«, hieß es im
Entwurf des Leitantrags des Parteivorstands. Gesellschaftliche Opposition klingt anders. Die Debatten
verliefen denn auch eher lahm. Mahnende oder nachdenklich Stimmen blieben die Ausnahme.
Ellen Brombacher, die den alternativen
Leitantrag begründete, machte die Stimmungslage der Parteilinken deutlich: man dürfe sich
hinsichtlich der Erfolgsaussichten des alternativen Leitantrags »keinerlei Illusionen machen«.
Diese Einschätzung traf zu. Der von Mitgliedern der Kommunistischen Plattform, des Marxistischen
Forums und des Geraer Dialogs/Sozialistischer Dialog erstmals gemeinsam erarbeitete alternative Leitantrag
erhielt nicht einmal 10% der Delegiertenstimmen.
Ein so vernichtendes Abstimmungsergebnis für die Linke ist in dieser Partei bisher einmalig. Das
hat viel mit ihrem Zustand selbst zu tun. Sie ist in den Auseinandersetzungen der Jahre 2002/03
zahlenmäßig arg geschwächt worden. Das Referat Parteientwicklung der
Bundesgeschäftstelle gibt in einem Papier vom 16.Juni 2004 die Zahl der Austritte allein für das
Jahr 2003 mit 2011 an. Es dürfte gänzlich unstrittig sein, dass zum überwiegenden Teil
kritische, linke und marxistische Genossinnen und Genossen die Partei verlassen haben. Im Land Berlin
übertraf die Zahl der Austritte (445) sogar die des Ausscheidens durch Tod um fast zwei Drittel.
Vor allem aber ist das politische Wirken der
Parteilinken in der PDS perspektivlos geworden. War es ihr letztmalig im Jahre 2002 im Zuge der Krise der
Partei nach der verlorenen Bundestagswahl gelungen, auch inhaltlich weite Teile der Basis zu erreichen und
eine (nicht unerhebliche) Minderheit zu mobilisieren, verlor sie in der Folge deutlich an Einfluss.
Das lag vor allem daran, dass sie,
untereinander nur mangelhaft bündnisfähig, sich einem klaren Bruch mit der sog. Reformmehrheit
und damit mit der Partei selbst verweigerte. Auch wenn es ihr im Bündnis mit linkszentristischen
Kräften bis zum Januar 2004 gelang, die Zustimmung zur EU-Verfassung zu kassieren und die
Reformerliste für die Wahlen zum Europäischen Parlament zu kippen sowie einen z.T. alternativen
EU-Wahlkampf zu führen, konnte dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass es für
antikapitalistische und marxistische Linke in der PDS zunehmend an praktischen Handlungsperspektiven
mangelt.
Die Marginalisierung der marxistischen Linken
in der Partei ist weitgehend abgeschlossen. Dies und vor allem dies hat der 9.Parteitag eindrucksvoll
dokumentiert. Die zu 40% ausgetauschten Delegierten stimmten denn auch brav fast alle
Änderungsanträge am Leitantrag nieder. Stefan Liebich, Berliner Landesvorsitzender der PDS und
Nachwuchsliberaler, durfte denn auch widerspruchslos Hans Modrow anpöbeln, weil der Ehrenvorsitzende
gewagt hatte zu beantragen, dass sein kritisches Exposé zum Zustand der Partei zu den offiziellen
Materialien des Parteitags gelegt werde.
Einzig Gregor Gysi gelang es wieder, den
Parteitag in Stimmung zu versetzen. Er referierte, leidlich unterhaltsam, aus der Abteilung
Standardprogramm. Den Delegierten war es rhythmisches Klatschen wert. So schön kann man ein Weiter so!
verpacken.
Ob es der PDS indes hilft, weiter zu machen
wie bisher, wird sich zeigen. Der Unwägbarkeiten sind viele. Hatte die PDS zunächst in der
Wählergunst von den Protesten gegen Hartz IV profitiert, an denen sie maßgeblich mitwirkte, so
zeigt der Umfragetrend gegenwärtig in die andere Richtung. Forsa sah sie Mitte Oktober erstmals wieder
unter 5%. Und auch in Berlin ist nicht sicher, ob das Konzept von Liebich & Co aufgeht. Es setzt
darauf, dass die Menschen in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode vergessen, wer in der ersten
Hälfte die sozialen Grausamkeiten begangen hat.
Bisher abstrahieren noch alle Prognosen von
der möglichen wahlpolitischen Alternative, die ihren Gründungskongress Ende November in
Nürnberg haben wird. Die PDS mit ihrem Profil als vage Linkspartei bleibt in mehrerlei Hinsicht ein
Wackelkandidat.
Michael Mäde
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