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Eine Gesamtbilanz des diesjährigen ESF wird im Endeffekt davon
abhängen, was von der geplanten Zusammenarbeit und Vernetzung der sozialen Bewegungen auf
kontinentaler Ebene in den kommenden Monaten tatsächlich umgesetzt wird und was nicht. Die Erfahrung
mit dem letztjährigen Pariser ESF und seinem Nachspiel mahnt dabei zur Vorsicht. Festzuhalten bleibt,
dass der Verlauf des diesjährigen ESF in London insgesamt in einem Punkt positiver zu werten ist als
jener des ESF von 2003: Die enorme räumliche und deswegen auch inhaltliche Zersplitterung vom vorigen
Jahr wurde nicht wiederholt, sodass man sich vergleichsweise problemlos von einem Themenbereich zum
nächsten begeben oder, sofern man wollte, auch »zappen« konnte.
Die Gesamtmobilisierung fiel mit 19000
eingeschriebenen Teilnehmenden schwächer aus als in Paris (rund 50000) und Florenz im November 2002.
Das hängt wohl unter anderem mit einem Rückgang der gewerkschaftlichen Mobilisierung zusammen.
Präsent waren in London vor allem die jungen TeilnehmerInnen unter 30 und unter 25 Jahren einerseits
und die politischen Aktivisten der Linken plus der NGO- und Initiativenspektren andererseits. Die
moslemische Teilnehmerschaft blieb ihrerseits sehr minoritär, jedenfalls was die Teilnahme an den
Debattenforen betrifft. Der relative Rückgang der Teilnehmerzahlen ist wahrscheinlich und in
bestimmten Grenzen ein unvermeidbarer Prozess, da doch klar sein muss, dass nur eine begrenzte Zahl von
Leuten es sichzeit-, energie- und geldmäßig leisten können, regelmäßig quer durch
die EU in wechselnde Städte zu reisen. Eine »Professionalisierung« genannte
Institutionalisierung und Monopolisierung durch hauptamtliche NGO-Funktionäre ist jedenfalls nicht
damit einhergegangen.
Insgesamt war das Sozialforum in London
ziemlich »jung« und ziemlich »rot«. Das ist atmosphärisch eher angenehm (sieht man
von einigen nervenden Politsekten mal ab), aber reduziert das Spektrum ein wenig. Britische Gewerkschaften
waren aus Großbritannien ziemlich stark vertreten, während aus den anderen Ländern vor allem
Vertreter von alternativen oder Basisgewerkschaften wie den französischen SUD oder den italienischen
COBAS kamen. Die CGT glänzte fast völlig durch Abwesenheit und aus deutschen Landen gab es einen
Block von IG Metallern auf der sonntäglichen Abschlussdemo sowie eine Delegation, die hinter einem
Transparent »Montagsdemonstrationen Leipzig« lief.
Die zwar noch stattliche, aber doch deutlich
gesunkene Teilnehmerzahl ist an sich kein Drama, wenn damit künftig eine größere
Ernsthaftigkeit in der längerfristigen Perspektive einher gehen würde, d.h., wenn aus dem bisher
noch dominierenden Eindruck eines bunt zusammen gewürfelten »Jahrmarkts der
Möglichkeiten« allmählich ein ernsthafter und über den Tag hinausreichender Versuch
einer Zusammenarbeit »von unten her« wird.
Würde man sich zukünftig ohne
freilich deswegen den Austausch zu anderen Themen abzuschneiden oder einzuengen thematisch
stärker konzentrieren, bspw. auf das Thema »Prekarität, Prekarisierung von Arbeit«,
könnte man damit Themen wie die »Einwanderungsgesetze« ebenso in Verbindung bringen wie
viele der internationalistischen Themen. So ließe sich Solidarität mit sozialen Bewegungen
konkreter fassen und eine stark »identitäre«, plakative und mystifizierte Solidarität
mit ganzen Ländern vermeiden, welche oft innergesellschaftliche Widersprüche und Konfliktlinien
ausblendet, so als ob etwa die irakische oder palästinensische Gesellschaft einen homogenen Block ohne
innere Konflikte oder Debatten darstellten. Internationale Solidarität sollte eindeutig als eine mit
progressiven und an einer solidarischen Perspektive ausgerichteten Organisationen oder Bewegungen definiert
werden.
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