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Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Dezember 2004, Seite 15

Brasiliens PT

Verluste bei Kommunalwahl

Rein zahlenmäßig ist die PT, wie in der letzten SoZ berichtet, als Siegerin mit einigen Komplikationen aus der ersten Runde der brasilianischen Kommunalwahlen hervor gegangen. Dieser Befund hat sich nach dem zweiten Wahlgang noch verstärkt: Erfolg und Niederlage sind kaum zu trennen.

Nach dem ersten Wahlgang am 3.Oktober wurde die PT mit 16,3 Millionen Stimmen stärkste Partei und gewann 402 Bürgermeistersitze — deutlich mehr als die bisherigen 187. In der Stichwahl am 31.Oktober hatte sie die Chance auf Erfolg in weiteren 24 Städten, darunter in neun Landeshauptstädten. Rein zahlenmäßig ging sie aus der Stichwahl erneut als Siegerin hervor: Sie erzielte 6,9 Millionen Stimmen (32,6%) und 11 Kommunalregierungen zusätzlich, darunter die Landeshauptstädte Fortaleza, Vitória und Porto Velho; damit steht sie auf Platz Eins.
Besonders interessant ist die Situation in Fortaleza. Dort wurde die Kandidatin der PT, Luizianne Lins, im ersten Wahlgang gar nicht vom Bundesvorstand unterstützt und schaffte es trotzdem, in die Stichwahl zu kommen. Sie erzielte in dieser wichtigen Stadt des Nordostens einen historischen Sieg.
Dennoch die insgesamt nun 413 von der PT gehaltenen Kommunalregierungen sind deutlich weniger als die prognostizierten 500. Gleichzeitig geht die größte Oppositionspartei, die PSDB, ebenfalls gestärkt aus dem Wahlkampf hervor.
Im Bundesstaat Rio de Janeiro, wo 2002 Lula die besten Wahlergebnisse erzielte, hat die PT zahlenmäßig die größte Niederlage erlitten. Überhaupt musste sie diesmal im gesamten Süden Brasiliens Niederlagen einstecken. Hinzu kommen noch bittere Verluste in der ABC-Region, dem Industriegürtel um São Paulo, wo die PT historisch stark in der Arbeiterschaft verankert ist.
Ihre schwersten Niederlagen erlitt sie jedoch in Porto Alegre, der Hochburg der PT-Linken, wo die PT seit 16 Jahren die Regierung stellt und das erfolgreichste und weltweit bekannteste Modell der Beteiligungsdemokratie entwickelt hat; in Belém, wo die PT seit acht Jahren regiert, und in der Metropole São Paulo, wo die PT mit ihrem Ziel, die Wiederwahl ihrer Oberbürgermeisterin, Martha Suplicy, gegen den Konkurrenten der PSDB durchzusetzen, scheiterte.
Bundespolitische Einflüsse können hierbei sicher nicht ausgeschlossen werden, denn große Teile der Bevölkerung sind enttäuscht vom Regierungskurs, weil sie bisher keine der im Wahlkampf versprochenen strukturellen Veränderungen realisiert sehen. Gerade in den Regionen, in denen die PT historisch stark war und sich auf ein hohes politisches Bewusstsein der Bevölkerung stützte, erlitt sie die größten Niederlagen.

Porto Alegre

Dafür ist Porto Alegre das tragischste Beispiel, denn dort waren die Wahlsiege der PT historisch mit einer starken gesellschaftlichen Mobilisierung verbunden. Es ist klar, dass in vier aufeinanderfolgenden Wahlperioden Probleme auftauchen, die bei jeder Wahl an Bedeutung gewinnen. Die Wahlkampfmobilisierung der PT war diesmal jedoch so gering wie nie zuvor, ein Zeichen für den verbreiteten Rückzug der freiwilligen und engagierten PT-Aktivisten.
In Porto Alegre kam die Schwierigkeit hinzu, mit dem Rücktritt von Tarso Genro, dem vorherigen Bürgermeister der PT, umgehen zu müssen. Genro hatte bei den Kommunalwahlen 2000 versprochen, vier Jahre im Amt zu bleiben, um Gerüchten entgegenzutreten, er würde die Wahl nur dazu nutzen, um bei den folgenden Gouverneurswahlen anzutreten.
Genro brach sein Versprechen, bestätigte damit die Prognosen der Rechten, verlor die Gouverneurswahlen und die PT Vertrauen.
Die Oppositionsparteien in Porto Alegre nutzten diese Schwäche rücksichtslos aus und bildeten in der Stichwahl eine breite Koalition des rechten Lagers. Sie versprachen, den Beteiligungshaushalt und das Weltsozialforum als Errungenschaften der Stadt zu erhalten, und »nur das zu verändern, was verbessert werden muss«.
Mit riesiger finanzieller Unterstützung großer Konzerne, der Akzeptanz der von der PT enttäuschten Teile der Mittelschicht und einem populistischen Umgang mit der armen Bevölkerung gelang es dem Kandidaten der PPS, José Fogaça, den linken PT-Kandidaten und zwischen 1997 und 2000 erfolgreichen Bürgermeister Raul Pont mit 54000 Stimmen Vorsprung (53% gegen 47%) zu schlagen und damit die wichtigste Erfahrung der lateinamerikanischen Linken der letzen Jahre zu stoppen.

Antônio Inácio Andrioli

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