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Rein zahlenmäßig ist die PT, wie in der letzten SoZ berichtet, als
Siegerin mit einigen Komplikationen aus der ersten Runde der brasilianischen Kommunalwahlen hervor
gegangen. Dieser Befund hat sich nach dem zweiten Wahlgang noch verstärkt: Erfolg und Niederlage sind
kaum zu trennen.
Nach dem ersten Wahlgang am 3.Oktober wurde die PT mit 16,3 Millionen Stimmen stärkste Partei
und gewann 402 Bürgermeistersitze deutlich mehr als die bisherigen 187. In der Stichwahl am
31.Oktober hatte sie die Chance auf Erfolg in weiteren 24 Städten, darunter in neun
Landeshauptstädten. Rein zahlenmäßig ging sie aus der Stichwahl erneut als Siegerin hervor:
Sie erzielte 6,9 Millionen Stimmen (32,6%) und 11 Kommunalregierungen zusätzlich, darunter die
Landeshauptstädte Fortaleza, Vitória und Porto Velho; damit steht sie auf Platz Eins.
Besonders interessant ist die Situation in
Fortaleza. Dort wurde die Kandidatin der PT, Luizianne Lins, im ersten Wahlgang gar nicht vom
Bundesvorstand unterstützt und schaffte es trotzdem, in die Stichwahl zu kommen. Sie erzielte in
dieser wichtigen Stadt des Nordostens einen historischen Sieg.
Dennoch die insgesamt nun 413 von der PT
gehaltenen Kommunalregierungen sind deutlich weniger als die prognostizierten 500. Gleichzeitig geht die
größte Oppositionspartei, die PSDB, ebenfalls gestärkt aus dem Wahlkampf hervor.
Im Bundesstaat Rio de Janeiro, wo 2002 Lula
die besten Wahlergebnisse erzielte, hat die PT zahlenmäßig die größte Niederlage
erlitten. Überhaupt musste sie diesmal im gesamten Süden Brasiliens Niederlagen einstecken. Hinzu
kommen noch bittere Verluste in der ABC-Region, dem Industriegürtel um São Paulo, wo die PT historisch
stark in der Arbeiterschaft verankert ist.
Ihre schwersten Niederlagen erlitt sie jedoch
in Porto Alegre, der Hochburg der PT-Linken, wo die PT seit 16 Jahren die Regierung stellt und das
erfolgreichste und weltweit bekannteste Modell der Beteiligungsdemokratie entwickelt hat; in Belém, wo
die PT seit acht Jahren regiert, und in der Metropole São Paulo, wo die PT mit ihrem Ziel, die Wiederwahl
ihrer Oberbürgermeisterin, Martha Suplicy, gegen den Konkurrenten der PSDB durchzusetzen, scheiterte.
Bundespolitische Einflüsse können
hierbei sicher nicht ausgeschlossen werden, denn große Teile der Bevölkerung sind enttäuscht
vom Regierungskurs, weil sie bisher keine der im Wahlkampf versprochenen strukturellen Veränderungen
realisiert sehen. Gerade in den Regionen, in denen die PT historisch stark war und sich auf ein hohes
politisches Bewusstsein der Bevölkerung stützte, erlitt sie die größten Niederlagen.
Dafür ist Porto Alegre das tragischste Beispiel, denn dort waren die Wahlsiege der PT historisch
mit einer starken gesellschaftlichen Mobilisierung verbunden. Es ist klar, dass in vier
aufeinanderfolgenden Wahlperioden Probleme auftauchen, die bei jeder Wahl an Bedeutung gewinnen. Die
Wahlkampfmobilisierung der PT war diesmal jedoch so gering wie nie zuvor, ein Zeichen für den
verbreiteten Rückzug der freiwilligen und engagierten PT-Aktivisten.
In Porto Alegre kam die Schwierigkeit hinzu,
mit dem Rücktritt von Tarso Genro, dem vorherigen Bürgermeister der PT, umgehen zu müssen.
Genro hatte bei den Kommunalwahlen 2000 versprochen, vier Jahre im Amt zu bleiben, um Gerüchten
entgegenzutreten, er würde die Wahl nur dazu nutzen, um bei den folgenden Gouverneurswahlen
anzutreten.
Genro brach sein Versprechen, bestätigte
damit die Prognosen der Rechten, verlor die Gouverneurswahlen und die PT Vertrauen.
Die Oppositionsparteien in Porto Alegre
nutzten diese Schwäche rücksichtslos aus und bildeten in der Stichwahl eine breite Koalition des
rechten Lagers. Sie versprachen, den Beteiligungshaushalt und das Weltsozialforum als Errungenschaften der
Stadt zu erhalten, und »nur das zu verändern, was verbessert werden muss«.
Mit riesiger finanzieller Unterstützung
großer Konzerne, der Akzeptanz der von der PT enttäuschten Teile der Mittelschicht und einem
populistischen Umgang mit der armen Bevölkerung gelang es dem Kandidaten der PPS, José Fogaça,
den linken PT-Kandidaten und zwischen 1997 und 2000 erfolgreichen Bürgermeister Raul Pont mit 54000
Stimmen Vorsprung (53% gegen 47%) zu schlagen und damit die wichtigste Erfahrung der lateinamerikanischen
Linken der letzen Jahre zu stoppen.
Antônio Inácio Andrioli
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