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Im Jahre 2002 erschütterte der seinerzeit ziemlich spektakuläre
Bankrott des Oberhausener Babcock-Konzerns insbesondere das von der SPD beherrschte Land Nordrhein-
Westfalen und die Westdeutsche Landesbank. Nun ist im Kölner Neuen ISP Verlag ein Buch über diese
Vorgänge erschienen. Autor des Buches ist unser langjähriger Mitstreiter bei vielen Aktionen
Peter »Pit« Berens. Er war selbst von 1981 bis 1997 als Schlosser bei Babcock
beschäftigt und lange Jahre Betriebsrat und schreibt deshalb aus und mit einer erfrischend
parteilichen Perspektive, ohne dabei allzu sehr in subjektivistische Spekulationen zu verfallen.
Über die wesentliche Ursache der Babcock-
Pleite heißt es kurz und knapp: »Die jahrzehntelang aufgebauten Überkapazitäten auf dem
Weltkraftwerksmarkt hatte die schwierige Lage Babcocks verursacht. Unter den Bedingungen kapitalistischer
Konkurrenzwirtschaft war es für den Konzern kaum möglich zu bestehen, wie auch die spätere
Krise des erheblich größeren und kapitalkräftigeren Alstom-Konzerns zeigen sollte.
Hätte sich Babcock gegenüber der Konkurrenz durchgesetzt, dann wäre ein anderer
Kraftwerkbauer aus dem Markt gedrängt worden und dort hätten die Lohnabhängigen ihre
Arbeitsplätze verloren. Das Problem der Überkapazitäten konnte mit unternehmerischen
Entscheidungen nicht gelöst werden.
Mit anderen Worten: die Ursache für die
Babcock-Krise lagen im Kapitalismus begründet und nicht in den Fehlern des Managements. Falsche
Unternehmensentscheidungen konnten das Ausscheiden des Konzerns aus dem Wettlauf der Konkurrenten
höchstens beschleunigen. Dies sollte bei der Beurteilung der Politik und Verantwortung des Managements
beachtet werden.«
Auf die interessante Frage, wie
gewerkschaftliche oder gar sozialistische Politik und die konkrete Interessensvertretung der Arbeiterschaft
im Betrieb auf einen solchen tödlichen Sachzwang reagieren könnte und müsste, geht das Buch
leider nicht ein.
Stattdessen widmet es sich fast
ausschließlich den eben als »Nebenursachen« des Bankrotts charakterisierten Dingen, den
Managementfehlern, der Korruption der sozialdemokratischen Mafia aus IG-Metall-«Sozialpartnern«,
Landesbankchef und Wirtschaftsministerium. Doch auch dieser Teil der Geschichte lohnt das Lesen und bietet
einen spannenden Ausschnitt aus dem realen rheinischen Kapitalismus.
Die Namen der Akteure sind nicht nur in SPD-
und IG-Metall-Kreisen wohlbekannt. Sie reichen von den SPD-Paten Wolfgang Clement, Heinz Schleußer,
Harald Schartau und bis zum in linken IG-Metall-Kreisen wohlgelittenen Horst Schmitthenner. Dazwischen
tummelt sich eine Schar von Provinz- und Stadtgrößen der SPD, von denen eine gruseliger und von
Ämterhäufung gebeutelter ist als die andere. Und über allen waltet und schaltet eine der
sozialdemokratischen Überfiguren in Nordrhein-Westfalen, der vor wenigen Wochen verstorbene Friedel
Neuber, »dem einzigen Bankchef ohne Abitur und Studium in Deutschland«.
Er begleitete als Vorstandsvorsitzender den
Aufstieg der Westdeutschen Landesbank zu einem der mächtigsten Bankhäuser und zu einem tragenden
Instrument der Industriepolitik der Regierung in Düsseldorf. Mehrere Straf- und Untersuchungsverfahren
zwangen ihn ein Jahr nach der Babcock-Pleite zum Rücktritt und sein Tod bewahrte ihn womöglich
vor einer Verurteilung wegen Konkursverschleppung und anderer Delikte.
Peter Berens wertet den Filz aus SPD- und
Babcock-Unternehmenpolitik, die kleinen Bereicherungsorgien von Aufsichts- und freigestellten
Betriebsräten und die großen Schiebereien der Topmanager, als Paradebeispiel sozialdemokratischer
Verratspolitik. Überzeugte und linke Sozialdemokraten werden ihm entgegen halten, dass es dabei vor
allem um Verrat und Abweichung von sozialdemokratischen Prinzipien geht.
Wir halten uns aus der Debatte, ob das Glas
halbvoll oder halbleer ist, heraus Tatsache bleibt aber, dass die alte Phrase vom (Sozialdemokraten,
auch wenn es keiner mehr glaubt) Kanzler Gerhard Schröder, dass es keine christdemokratische oder
sozialdemokratische, sondern nur moderne Wirtschaftspolitik gibt, für alle die richtig ist, die ihren
bedingungslosen Frieden mit der kapitalistischen Gesellschaftsordnung geschlossen haben. Insofern waren die
Sozis von Rhein und Ruhr brave Vollstrecker kapitalistischer, marktwirtschaftlicher Zwänge. Dass sie
sich dabei noch ordentlich selbst bereichern konnten, macht das Elend für den einzelnen Akteur
erträglicher.
Verlierer waren auf jeden Fall die Babcock-
Beschäftigten und ihre Familien. Sie haben vereinzelt auch zu tapferen Widerstandsaktionen gefunden.
Solche Aktionen werden von Peter Berens leider etwas schematisch als authentischer proletarischer Kampf dem
Sozialdemokratismus entgegengestellt. Dass es in Wahrheit verwickelter, dialektischer zugegangen ist,
blendet er aus: Auch dieser Widerstand hat sozialdemokratisches Bewusstsein selten überschritten.
Krisenverantwortliche, Krisenmanagement und Krisenopfer unter ein einem ideologischen Zirkuszelt das
hätte schon ein paar tiefer gehende Gedanken verdient.
Aber dennoch ist hier eine gut zu lesende,
faktenreiche und jedem an kapitalistischer Wirtschaftspolitik, SPD-Unfähigkeit und IG-Metall-
Hilflosigkeit Interessierten zum Lesen empfohlene Studie vorgelegt worden.
Thies Gleiss
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