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Am 12.November fanden in den beiden rheinischen Kulturhochburgen
Veranstaltungen zum Thema Kriminalliteratur statt, die den Charakter der alten Konkurrenzen zwischen
Köln und Düsseldorf wieder einmal voll bestätigten.
Was in Köln mit noch erträglichen
Niveau daher kommt, wird in den jeweiligen Düsseldorfer Parallelaktionen zu »trash«. Wir
kennen es vom Karneval, seit diesem Jahr von der CSD-Parade, wir kennen es aus der Politik: Angeführt
von einem OB, der schon äußerlich den wiedergeborenen Willy Millowitsch darstellt, leistete sich
sowohl die Köln-SPD wie auch die dortige CDU ein solches Maß an krimineller Energie, dass der
klassische kölsche Klüngel in die Lehrbücher über mafiöse Beziehungen aufgenommen
wurde. Die Düsseldorfer haben Ende September mit ihrem OB Erwin, einer Mischung aus Dieter Thomas Heck
und Dirk Bach, bislang nur einen Einzeltäter als Stadtoberhaupt wiedergewählt.
An diesem Freitag fand in der exzellenten
Kölner Krimibuchhandlung »Alibi« eine Lesung und Diskussion mit den US-amerikanischen
Schriftstellerinnen Sara Paretzky und Valerie Wesley statt. Es ging um die Kunst zu schreiben und den
aktuellen Zustand der US-Gesellschaft. In Düsseldorf war ins Polizeipräsidium geladen: Grafit,
der Heimatkundeverlag für Gewaltverbrechen, wollte drei seiner Autoren lesen lassen. Statt den Profis
eine Chance zu geben, für ihre Werke zu werben, wurde der historische Fall des heimischen
Massenmörders Peter Kürten mit lang anhaltenden Lesungen aus den Polizeiberichten und
widerlichen Bildprojektionen der verstümmelten Opfer abgehandelt, während Koteletts,
Kartoffelsalat und die Polizeikapelle vor sich hin trockneten. Das war dann doch nicht auszuhalten, aber
ein solch skurriles Szenarium, das einer literarischen Weiterverarbeitung würdig wäre.
Nun zu den Besprechungen: Der 80-jährige
Harry Crane liegt in einem Altersheim, allein gelassen, an einem Dauerkatheter angeschlossen und erinnert
sich an zwei Jahre seiner Kindheit in Osttexas. Es ist die Zeit der Großen Depression, in Karawanen
verlassen die Farmerfamilien aus dem Corn- und Bible-Belt ihre Heimat in Richtung Kalifornien. Osttexas ist
nicht von den Dürrekatastrophen getroffen, aber das Bauernleben am Sabine River auf einem kleinen
Stückchen Land, umgeben von versumpften Auenwäldern ist hart. Es reicht gerade zum
Überleben, Harry und seine Schwester »Tom« müssen mitarbeiten, der Vater ist
zusätzlich noch Hilfspolizist und Friseur, um einigermaßen über die Runden zu kommen. Beim
Durchstreifen der Wälder findet Harry die Leiche einer grausam zugerichteten Schwarzen. Sie bleibt
nicht das einzige Opfer, aber das Interesse der weißen Gesellschaft an Aufklärung der Morde ist
gering. Harrys Vater stößt auf ein Dickicht von Rassismus, Verlogenheit, Ängsten und
Mythologien, die ihn in den Suff treiben. Die Wälder am Fluss ist eine grandiose Mischung aus Krimi,
Schauerroman und Gesellschaftskritik aus der Perspektive eines Nachfolgers von Tom Sawyer.
Mit Erinnerungen hat es Gunther Fahnstiel
schwer. Mit 77 Jahren leidet er an Alzheimer. Von seiner Familie in ein Pflegeheim überwiesen,
entflieht er der Einrichtung, als er erfährt, dass Geldknappheit droht. Irgendwo muss doch noch ein
Schatz von 250000 Dollar vergraben sein, an den er obwohl zeitlebens Polizist irgendwann dran
gekommen ist. Der »Irrgänger« schlägt sich durch Wichita, verwirrt, aber immer noch
charmant gegenüber Frauen und wehrhaft gegenüber allen, die seine Suche behindern oder an seiner
Wiederergreifung profitieren wollen. Rückblenden erzählen von den Zeiten des Beginns des Kalten
Krieges, einem rachsüchtigen Ehemann und Soldaten aus dem Koreakrieg, einer Geliebten, die in den
Fabriken der boomenden Militärindustie eine Sexlotterie veranstaltete.
Udo Bonn
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