SoZSozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Dezember 2004, Seite 19

Mord & Totschlag

Joe R. Landale: Die Wälder am Fluss, Köln: Dumont, 2004, 367 S., 8,95 Euro.
Scott Phillips: Der Irrgänger, München: Knaur, 2004, 428 S., 7,90 Euro.

Am 12.November fanden in den beiden rheinischen Kulturhochburgen Veranstaltungen zum Thema Kriminalliteratur statt, die den Charakter der alten Konkurrenzen zwischen Köln und Düsseldorf wieder einmal voll bestätigten.
Was in Köln mit noch erträglichen Niveau daher kommt, wird in den jeweiligen Düsseldorfer Parallelaktionen zu »trash«. Wir kennen es vom Karneval, seit diesem Jahr von der CSD-Parade, wir kennen es aus der Politik: Angeführt von einem OB, der schon äußerlich den wiedergeborenen Willy Millowitsch darstellt, leistete sich sowohl die Köln-SPD wie auch die dortige CDU ein solches Maß an krimineller Energie, dass der klassische kölsche Klüngel in die Lehrbücher über mafiöse Beziehungen aufgenommen wurde. Die Düsseldorfer haben Ende September mit ihrem OB Erwin, einer Mischung aus Dieter Thomas Heck und Dirk Bach, bislang nur einen Einzeltäter als Stadtoberhaupt wiedergewählt.
An diesem Freitag fand in der exzellenten Kölner Krimibuchhandlung »Alibi« eine Lesung und Diskussion mit den US-amerikanischen Schriftstellerinnen Sara Paretzky und Valerie Wesley statt. Es ging um die Kunst zu schreiben und den aktuellen Zustand der US-Gesellschaft. In Düsseldorf war ins Polizeipräsidium geladen: Grafit, der Heimatkundeverlag für Gewaltverbrechen, wollte drei seiner Autoren lesen lassen. Statt den Profis eine Chance zu geben, für ihre Werke zu werben, wurde der historische Fall des heimischen Massenmörders Peter Kürten mit lang anhaltenden Lesungen aus den Polizeiberichten und widerlichen Bildprojektionen der verstümmelten Opfer abgehandelt, während Koteletts, Kartoffelsalat und die Polizeikapelle vor sich hin trockneten. Das war dann doch nicht auszuhalten, aber ein solch skurriles Szenarium, das einer literarischen Weiterverarbeitung würdig wäre.
Nun zu den Besprechungen: Der 80-jährige Harry Crane liegt in einem Altersheim, allein gelassen, an einem Dauerkatheter angeschlossen und erinnert sich an zwei Jahre seiner Kindheit in Osttexas. Es ist die Zeit der Großen Depression, in Karawanen verlassen die Farmerfamilien aus dem Corn- und Bible-Belt ihre Heimat in Richtung Kalifornien. Osttexas ist nicht von den Dürrekatastrophen getroffen, aber das Bauernleben am Sabine River auf einem kleinen Stückchen Land, umgeben von versumpften Auenwäldern ist hart. Es reicht gerade zum Überleben, Harry und seine Schwester »Tom« müssen mitarbeiten, der Vater ist zusätzlich noch Hilfspolizist und Friseur, um einigermaßen über die Runden zu kommen. Beim Durchstreifen der Wälder findet Harry die Leiche einer grausam zugerichteten Schwarzen. Sie bleibt nicht das einzige Opfer, aber das Interesse der weißen Gesellschaft an Aufklärung der Morde ist gering. Harrys Vater stößt auf ein Dickicht von Rassismus, Verlogenheit, Ängsten und Mythologien, die ihn in den Suff treiben. Die Wälder am Fluss ist eine grandiose Mischung aus Krimi, Schauerroman und Gesellschaftskritik aus der Perspektive eines Nachfolgers von Tom Sawyer.
Mit Erinnerungen hat es Gunther Fahnstiel schwer. Mit 77 Jahren leidet er an Alzheimer. Von seiner Familie in ein Pflegeheim überwiesen, entflieht er der Einrichtung, als er erfährt, dass Geldknappheit droht. Irgendwo muss doch noch ein Schatz von 250000 Dollar vergraben sein, an den er — obwohl zeitlebens Polizist — irgendwann dran gekommen ist. Der »Irrgänger« schlägt sich durch Wichita, verwirrt, aber immer noch charmant gegenüber Frauen und wehrhaft gegenüber allen, die seine Suche behindern oder an seiner Wiederergreifung profitieren wollen. Rückblenden erzählen von den Zeiten des Beginns des Kalten Krieges, einem rachsüchtigen Ehemann und Soldaten aus dem Koreakrieg, einer Geliebten, die in den Fabriken der boomenden Militärindustie eine Sexlotterie veranstaltete.

Udo Bonn

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