SoZSozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Dezember 2004, Seite 20

Lila Downs

One Blood — Una Sangre

Entdeckt habe ich Lila Downs für mich erst durch den Film Frida. So unterschiedlich der Film aufgenommen wurde, so begeistert waren doch die meisten von der Filmmusik zu der Lila Downs erheblich beigetragen hat. Zu sehen ist sie im Film als die singende Freundin von Frida Kahlo und an dieser Attitude hat sich auch auf ihrer aktuellen CD nichts geändert.
»Als Tochter einer mixtec-indianischen Sängerin und eines schottisch-amerikanischen Filmemachers und Malers, wuchs Lila Downs in der südmexikanischen Provinz Oaxaca auf.« So steht es im Presseinfo des Labels, und allein dieser Satz sagt eigentlich mehr über den Blick auf die Künstlerin aus als über sie selbst. Amerika, das sind die USA und Oaxaca bringt ein wenig Exotik ins Bild. Lila Downs wuchs allerdings auch in Minneapolis auf, wo ihr Vater Kunstprofessor war. Dort und in Los Angeles studierte sie Musik und Anthropologie. Zum Gesang kam sie später, als sie wieder in Oaxaca lebte: »Es hat sehr lange gedauert, bis ich mich entschloss zu singen. Etwas musste mich motivieren. Die Motivation waren die Lieder der Menschen aus Oaxaca.«
Zum Glück hat es diese Motivation gegeben. Ihre ausdrucksstarke Stimme, mit der sie scheinbar mühelos zwischen Oktaven, Genres und Stimmungen in einer oft Gänsehaut erzeugenden Klarheit wandelt, würde fehlen. Fehlen würde eine musikalische Größe, die als Crossover verschiedener Kulturen daherkommt, historisches aufnimmt, ohne im Gestern steckenzubleiben und mit Humor ein felsenfestes Selbstbewusstsein ausstrahlt.
Da ist zum Beispiel auf ihrer neuen Produktion La Cucaracha. Die Kennzeichnungen dieses Liedes reichen immer von »mexikanischer Schlager« bis zum »Lied über die armen Anhänger Pancho Villas, die nur mit dem süßen Kraut in der Zigarette in den Kampf ziehen wollten«. Letzteres ist ähnlich selbst im Pressinfo vom Pegrina Label zu lesen. Doch einem Text, der im Hier und Heute steht und als Unterstützung für die Zapatistas gelten kann, schickt sie die Erklärung voraus, dass die vom Diktator Porfirio Díaz rekrutierten US Soldaten — die Kakerlaken — nur gedopt bereit waren, gegen die Revolution zu marschieren. Diesen Corrido beginnt sie mit einer verzerrten Gitarre und reichert ihn später durch Rap-Elemente an, doch getragen wird er von der traditionellen Melodie.
Ihr letztes Album La Linea, benannt nach der über 3000 km langen Grenze zwischen Mexiko und den USA, war gewidmet den mexikanischen Migrantinnen und Migranten, die beim Versuch, in die USA zu gelangen, ihr Leben verloren. La sangre ist persönlicher und gleichzeitig hochpolitisch. Es ist feministisch im Sinne der politischen Relevanz von Privatem. Die Musik des gleichnamigen Liedes selbst inspiriert von einer chilenischen Cumbia und der Text beeinflusst von José Martí betonen dieses auf versöhnliche Weise. So ergeht sich das Album auch nicht im Weltschmerz, selbst wenn dieser im Blues »Mother Jones« einmal anklingt.
Die Spannung der Themen finden sich bei Lila Downs in der Spannung ihrer Stimme wieder, die Verbindung von Gegenwart und Historischem nicht nur im Text. Deutlich wird sie in »Brown Paper People«: »Sieh einen verborgenen Kontinent / Sieh ein verrücktes Paradies / Sieh die Götter, die Fremde in flüssigen Goldstädten sind / Sieh die Menschen aus braunem Papier / Sieh den Fußstapfen und das Geld / Sieh den lustigen Vogelschlangenmann / Sieh das Gold in seinem Garten.« Es geht nicht nur um die Kolonialisierung im 16.Jahrhundert. Es geht genauso um »den Freihandel und den Hunger«, und es geht letztendlich um »alles um dich herum«.
Die Spannung entwickelt sich vor allem auch in dem Bogen zwischen der Lokalität im Globalen. Diesem Bogen entspricht die Zusammensetzung der Band. Die Musiker kommen aus den USA, Mexiko, Kuba, Brasilien, Paraguay, Chile und Japan. Vor allem musikalisch, aber auch in den gewählten Sprachen wird der Bogen gespannt: So singt sie — wenn auch selten — in Mixtec, Zapotec, Maya und Nahuatl, überwiegend in Spanisch oder Englisch. Vor allem ist es die Entsprechung von inhaltlichem Anliegen und künstlerischem Ausdruck, der Lila Downs zu einer Ausnahmemusikerin macht.
Zu guter Letzt sei noch angemerkt, dass Lila Downs für diese CD mit dem Vierteljahrespreis der Deutschen Schallplattenkritik ausgezeichnet wurde. Wer jetzt über Geschenke nachdenkt: Ja, diese Kritik ist sicherlich auch als uneingeschränkter Tip zu betrachten.

Thomas Schroedter

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