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Die Zeit der Demonstrationen gegen den Irakkrieg ist einer bleiernen, stillen
Verzweiflung gewichen, die auch den Beschluss im Bundestag ermöglichte, wonach künftig
Kleinsteinsätze der Bundeswehr bei »unstrittigen Mandaten« gegebenenfalls ohne
Parlamentsdebatte stattfinden können. Dass »Kleinsteinsätze« bei der heutigen Effizienz
der Waffensysteme niemals eine Kleinigkeit darstellen und nun schneller möglich sind diese
Gefahr wird billigend in Kauf genommen.
Die Folterspiele in der Bundeswehr zeigen
überdies, dass man sich dort offenbar seit geraumer Zeit Gedanken um die für
Auslandseinsätze notwendige Stählung der Soldaten macht. Daran ist besonders beunruhigend, dass
die Öffentlichkeit nicht geklärt wissen will, wofür überhaupt geübt wird ob
gelernt werden soll, Folter zu ertragen oder selbst auszuüben. Dabei wird der Krieg gegen den Islam
nicht nur nach außen, sondern zusehends auch nach innen auf eine Weise geführt, die man nur
tollkühn nennen kann.
Eine Regierung muss sich bei verbalen Attacken
gegen einen Teil ihrer Bevölkerung naturgemäß zurückhalten. Schon nach dem Ersten
Weltkrieg widmete sich in Deutschland die Rechte der vornehmeren Aufgabe des Kulturkampfs, während die
Sozialdemokratie über Jahre hinweg für die exekutive Schmutzarbeit zuständig war. So ist es
heute wieder. Nachdem der Sozialismus als innerer und äußerer Feind besiegt ist, wird ein
weiterer Sündenbock ausgemacht, dessen Sitten und Instinkte angeblich undeutsch sind und welch
merkwürdiger Zufall erneut als orientalisch diffamiert werden. Damals war es der jüdische
Weltbolschewismus, heute ist es ein nebulös als Al Qaeda umschriebener Weltbund des Islam. Ihm
heimlich nahe zu stehen, wird plötzlich auch der größten in Deutschland lebenden Gruppe der
Muslime unterstellt, den Türken nämlich. Und das geschieht, obwohl in der Türkei sogar unter
muslimischer Regierung eine striktere Trennung zwischen Staat und Religion herrscht als hierzulande.
Sollte es tatsächlich terroristische
Netzwerke in Deutschland geben, müsste das die CDU/CSU zur Selbstkritik veranlassen unter ihrer
Regierungsverantwortung wurde Deutschland zum Ruheraum derartiger Strukturen. Stattdessen schürt die
christdemokratische Opposition den Generalverdacht gegen Muslime schlechthin, die an ihrer kulturellen und
sozialen Ausgrenzung nun auch noch selber schuld sein sollen.
Noch infamer als die rassistische
Instrumentalisierung mangelnder Sprachkenntnisse ist der erneute Gebrauch einer Keule namens Leitkultur.
Selbst wenn man einmal versucht, in diese Richtung mitzudenken, fällt es schwer zu begreifen, was das
überhaupt sein soll. Seit Jahren können wir uns angeblich gerade die Institutionen nicht mehr
leisten, die eine Voraussetzung sein müssten, wenn es sie gäbe: die Kinderbibliotheken, das
Jugendzentrum im Dorf, das Theater in der nahe gelegenen Stadt. Die großen Stadtbibliotheken
wären der ideale Kommunikationsraum der Zivilgesellschaft, gerade auch, wenn die sich aus
verschiedenen Kulturen zusammensetzt. Ausgerechnet hier regiert ein gnadenloser Rotstift.
So gut oder so schlecht der Wunsch gemeint
sein mag, Muslime in eine wie auch immer gedachte deutsche Leitkultur zu integrieren, er greift zu kurz und
dient nur dazu, die Gewaltinstinkte beleidigter Menschen zu wecken: marginalisierter Deutscher und
Ausländer gleichermaßen. So hat der 11.September, auf den der Westen auch deeskalierend
hätte reagieren können, in überraschendem Tempo zum Verfall zivilisatorischer Werte
geführt. Hier die Schuldfrage zu stellen, wer denn angefangen habe, ist blauäugig. In den sich
durchsetzenden gewaltsamen Formen der Konfrontation besteht kein Verhältnis mehr zwischen der Schuld
des vermuteten Auslösers und der entfesselten Gewalt des Stärkeren. Höchste Zeit also, dass
die zivilgesellschaftlichen Potenziale zu internationalen Aktionsformen finden, um die von der Menschheit
bereits angetretene Höllenfahrt zu beenden.
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