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Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Januar 2005, Seite 4

WASG

Schrill und bunt — oder gar nicht

von THIES GLEISS

Wer in der Politik einen von vielen Seiten entgegenschallenden gesellschaftspolitischen Auftrag nicht begreift und erledigt, wird mit Vergessen und Verachtung nicht unter zehn Jahren bestraft.
Als im Frühjahr dieses Jahres die Idee einer »Wahlalternative« zur neoliberalen Einheitspartei in Berlin aufkam, war allen sofort klar: es wird keine »Wahl«-, sondern eine aktive, handlungsfähige Aktionsalternative benötigt und zweitens: das wird die neue Linkspartei sein müssen. Selbst die sonst in jeder Hinsicht beherrschte Bürgerpresse konnte sich die Anerkennung nicht verkneifen, dass hier eine richtige Idee zur richtigen Zeit lanciert wurde: Die neue Linkspartei war, und ist es jeden Tag mehr, eine zwingende Notwendigkeit in der politischen Landschaft Deutschlands.
Dem erfahrenen Linkspolitiker ist völlig klar, dass ein solches Projekt den klassischen Weg gehen wird: die »Basis«, der breite gesellschaftliche Wunsch in Gewerkschafts- und anderen sozialen Bewegungen, bei Erwerbslosen und Beschäftigten ist radikaler als es die Gründerelite aus Gewerkschaftsfunktionären, Ex- Sozialdemokraten und gescheiterten Linken selbst sein mag oder kann. Das einzige Parteibildungsprojekt in der deutschen Geschichte, wo es andersherum war, ist die Partei der Grünen. Das wird für lange Zeit wohl auch die Ausnahme bleiben, und die Grünen-Funktionäre sind ja auch schon lange an ihre rechtere Basis angepasst und zum neoliberalen Vortänzer geworden.
Aber dass maßgebliche Wortführer der WASG das Projekt einer neuen Linkspartei derart verleugnen und die Anfangsstimmung so heftig wegorganisieren, hat schon längst die Stufe erreicht, wo das Projekt insgesamt gefährdet ist. Es gibt bei Klaus Ernst, Thomas Händel und ähnlich denkenden Genossen die Vorstellung, die WASG nach Art eines Gewerkschaftstages zu organisieren: glatt, harmonisch, ohne Gegenrede und der Führung ergeben. Gleichzeitig wird im öffentlichen Auftritt versucht, den Eindruck zu erwecken, die neue Linkspartei tritt geräuschlos und salonfähig an wie die vergreiste Sozialdemokratie.
Das wird nichts geben: Entweder die neue Linkspartei ist laut, schrill, bunt, voller Widersprüche und vor allem rebellisch gegenüber dem Mainstream des Bestehenden, oder sie wird nicht sein.

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