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Zum 1.1.2005 werden in Berlin die Wasserpreise erhöht. Die Berliner
können sich dafür beim Senat bedanken, der die Wasserbetriebe privatisiert hat.
Harald Wolf, Wirtschaftssenator und Vorsitzender des Aufsichtsrats der Berliner Wasserbetriebe,
besichtigte bei seinem Chinabesuch u.a. das Projekt der Berlinwasser International AG in Xian. Sicher ist
ihm dabei nicht entgangen, wie clever die Chinesen mit privaten Investoren umgehen. Ein Erlass der
chinesischen Zentralregierung im Mai 2003 hat nämlich Projekte mit einer garantierten Rendite für
ausländische Investoren für unzulässig erklärt. Die Chinesen haben gelernt! Und
international hat sich längst herumgesprochen: Die Privatisierung der Berliner Wasserbetriebe im Jahr
1999 war ein schwerer Fehler!
Damals wurde die Geschäftsführung
der Wasserbetriebe Privaten übertragen. Das Land Berlin besitzt noch 50,1%. Ein geheimer Vertrag,
geschlossen von der damaligen Finanzsenatorin Anette Fugmann-Heesing (SPD) mit den Konzernen RWE und Veolia
(ehemals Vivendi), garantiert den Konzernen für den einmalig gezahlten Kaufpreis von 1,68 Milliarden
Euro eine jährliche Rendite von etwa 8% auf das »betriebsnotwendige Kapital« für eine
Laufzeit von 28 Jahren. Die staatlich garantierte Rendite ist aber keine feststehende Größe. Sie
wächst von Jahr zu Jahr z.B durch eine Neubewertung der Grundstücke und Immobilien, womit
die Berechnungsgrundlage für die Rendite steigt. Im Jahr 2004 betrug das betriebsnotwendige Kapital
3,3 Milliarden Euro. Jährlich sind Steigerungsstufen von 200 Millionen Euro zu erwarten; im Jahr 2009
werden es dann schon 4,1 Milliarden Euro sein.
Diese Renditegarantie ist die eigentliche
Ursache für die bereits erfolgten Preissteigerungen ab dem 1.1.2004 um 15%. Diese Garantie erfordert
auch, dass die Preise jährlich weiter steigen! Selbst Senator Wolf stellt fest, daß die
Preissteigerung 2009 bei 30% liegen würde.
Nur vor diesem Hintergrund ist die Diskussion
über die neue Tarifstruktur zu verstehen, die Senator Wolf gemeinsam mit den Konzernspitzen von
RWE/Veolia und den Vertretern der IHK Berlin einführen wollte. Da ging es nicht darum, ob es eine
Preiserhöhung gibt, sondern wie sie auf die Berliner Bevölkerung verteilt wird. Ihr Vorschlag:
Die Industrie soll entlastet, alle Ein- oder Zweifamilienhäuser und Kleinfamilien, von denen es in
Berlin besonders viele gibt, sollen dafür doppelt belastet werden. Der verantwortliche
Staatssekretär Strauch (SPD) erklärte das so: »Insgesamt sollte durch das vorgeschlagene
Modell nicht mehr eingenommen werden, sondern die Einnahmen der Wasserbetriebe verteilen sich anders. Zwei
Drittel der Verbraucher würden mehr belastet, ein Drittel weniger.«
Nach den Montagsdemonstrationen und den
Debatten um die Kürzungen bei den Arbeitslosen sah sich der Senat gezwungen, das Vorhaben zu stoppen.
Die Antwort: Die Wasserbetriebe kündigten prompt eine Preissteigerung für alle Berliner ab
1.1.2005 um 5,4% an. Zusammen mit den Preissteigerungen bei Gas und Strom ist das ein dicker Brocken bei
den Mietnebenkosten. Und das bei überwiegend sinkendem Einkommen.
Doch das ist längst nicht die ganze
Wahrheit. Durch den geheim gehaltenen Konsortialvertrag mit all seinen Änderungsverträgen wird
die Landesregierung gezwungen, einen Vertrag zu erfüllen, der das Vermögen des Landes Berlin und
der Berliner Bevölkerung gleich doppelt beschädigt: Um die marktunübliche, völlig
überhöhte Rendite bezahlen zu können, muss Berlin auf Einnahmen verzichten. Im Jahr 2004
waren das 41,2 Millionen Euro, weil die bisherigen Preiserhöhungen nicht ausreichten, die Forderungen
der Investoren zu bedienen.
Angesichts dieser Tatsachen gibt es nur einen
Ausweg: Der Vertrag muss weg. Entweder wird der Verkauf rückgängig gemacht oder die Lasten
Berlins werden marktkonform drastisch nach unten korrigiert, um den Schaden wenigstens zu begrenzen. Hat
dieser Politikwechsel Chancen?
Ausgerechnet hier schiebt sich kein Blatt
zwischen den Regierenden Bürgermeister Wowereit (SPD) und Wirtschaftsenator Wolf (PDS). Wowereit und
die ehemalige Senatorin Fugmann-Heesing, seinerzeit glühende Befürworterin der Privatisierung
stellen sich taub und stumm.
Die Wirtschaft schweigt sich erst recht
über die Folgen der Wasserprivatisierung aus. Auf der internationalen Wasserkonferenz, die in Berlin
vom 4. bis 6.Oktober 2004 stattfand, dachte Staatssekretär Strauch laut darüber nach, ob der
Zugang zu Wasser ein Menschenrecht sei. Zu einer Position konnte er sich nicht durchringen, sprach eher von
einer Überforderung des Staates, wenn man zu viel Teilhabe fordere.
Dafür sprach der Chairman of the Board of
Berlinwasser International, Dieter Ernst (CDU), vor Gästen aus 80 Ländern über
internationale Geschäfte. Angesprochen auf Renditegarantie und Preissteigerungen in Berlin verwies er
darauf, damit habe er überhaupt nichts zu tun, das liege allein in der Verantwortung von Veolia Water
Germany. Allerdings vergaß er zu erwähnen, dass er zum Zeitpunkt der Privatisierung
Staatssekretär in der Berliner Wirtschaftsverwaltung war und von dort direkt in den Vorstand der
Berlinwasser Holding AG wechselte.
Reinhold Hüls, Managing Direktor Veolia
Water Germany, wollte zur Renditegarantie auch überhaupt nichts sagen, verwies jedoch auf die
große europäische Bedeutung des Großprojektes Berlin mit insgesamt 3,7 Millionen Einwohnern.
Hingegen berichtete die stellvertretende Bürgermeisterin aus Paris über Korruption und
einjährige Nachverhandlungen mit den Investoren ihrer Wasserbetriebe und forderte ebenso
öffentliche Kontrolle wie die Möglichkeit der Rückabwicklung von
Privatisierungsverträgen!
Öffentliche Kontrolle ist eine zentrale
Forderung. Doch man muss nicht bis nach China reisen, ein Blick ins Nachbarland Niederlande genügt.
Dort wurde inzwischen ein Gesetz verabschiedet, das die Wasserprivatisierung unter Strafe stellt.
Gerlinde Schermer
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