SoZSozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Januar 2005, Seite 11

Opel

›Noch ein schwerer Kampf‹

Zum Konflikt bei Opel und dem Ausgang der Verhandlungen zwischen dem Opel- Gesamtbetriebsrat und dem GM-Management sprach Rolf Euler für die SoZ mit TURHAN ERSIN, Betriebsrat im Bochumer Opel-Werk 2. Ersin wurde
von der Firma wegen seines Auftretens während des Arbeitskampfs gekündigt.

Inzwischen sind die Ergebnisse des ersten Teils der Verhandlungen von Betriebsrat und GM- Management bekannt. Was bedeutet das für Bochum?

Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaften (BQG) sollen im ersten Schritt über 6500 Arbeitsplätze, davon 2900 in Bochum, übernehmen. Die Transfergesellschaft arbeitet 12 Monate. Der Vermittlungserfolg liegt, wie man hört, bei 12% — für die große Mehrheit der dort geparkten Kollegen heißt dies, dass sie nach zwölf Monaten arbeitslos sind.
Weitere 1200 Arbeitsplätze werden in ein Joint Venture eingebracht, also aus dem Opel-Verbund herausgelöst. Das betrifft Werk 3 und die Achsfertigung. Eine Bestandsgarantie für die Werke gibt es gar nicht. Die Löhne und Gehälter sollen massiv gekürzt werden, das ist das Thema der nächsten Verhandlungen.
Wir haben es mit einer Salamitaktik zu tun. Die Beschäftigungsgesellschaften sind eine Mogelpackung, um den Anschein der »Sozialverträglichkeit« zu erwecken. Dazu kommt für Kollegen ab Jahrgang 1952 und älter eine Abfindungsregelung, die auf den ersten Blick viel Geld verspricht. Aber auch hier geht es um den sozialen Anschein — Arbeitsplätze werden vernichtet.

Also hat sich das Unternehmen durchgesetzt?

In den Verhandlungen hat sich GM im Wesentlichen durchgesetzt, aber das Ende der Fahnenstange ist noch nicht erreicht. General Motors fährt eine knallharte Linie, die wollen die 12000 Arbeitsplätze los werden, und die Werksschließungen sind nicht vom Tisch. Was ist das für ein Sozialplan? Wenn die Kollegen nicht freiwillig in die BQG gehen und die Zahlen nicht erreicht werden, dann wird Druck ausgeübt und die Zahlen werden dann über die Einigungsstelle erreicht. Der Betriebsrat hat damit die Arbeitsplatzvernichtung legalisiert. Wo bleibt in dieser Region die Sozialverträglichkeit? Wir wollen eine Beschäftigungssicherung bis über 2010 hinaus, das ist der Knackpunkt. Wir haben vom Betriebsratsvorsitzenden nach der Arbeitsniederlegung gehört, dass Verhandlungen das gegebene Mittel sind, um Erfolg zu haben. Wo bleiben die Erfolge?

Der Kampf auf der Straße und im Werk, an den Toren, wurde beendet nach einer zweifelhaften Abstimmung. Wird er trotzdem wieder aufgenommen?

GM lässt uns gar keine Alternative. Entweder wir kämpfen, dann können wir was erreichen, oder wir lassen die Arbeitsplatzvernichtung über uns ergehen, dann ist Opel Bochum bald ganz verschwunden. Die Kollegen sind mit der Abstimmung bei der Versammlung nach dem Aktionstag gelinkt worden. Der Betriebsrat hatte am Abend vorher beschlossen, dass die Frage sein sollte: Wollt ihr die »Informationsveranstaltung« unterbrechen oder nicht? Dann wurden am andern Tag die Stimmzettel mit der Frage ausgegeben: Wollt ihr Verhandlungen und arbeiten, ja oder nein? Also eine Änderung ohne uns zu fragen.
Das Ergebnis akzeptieren wir, obwohl bei einer vorherigen Abstimmung in unserem Werk 2 keine 20 Stimmen für Abbruch eintraten — in Werk 2 und 3 stand die Belegschaft für Weitermachen! Vor allem in Werk 1 bröckelte die gemeinsame Haltung der Kollegen, weil viele Betriebsräte hier nicht für den Kampf waren. Aber — wie es in dem Film über unseren Arbeitskampf am Ende heißt: »Die Glut ist unter der Asche noch vorhanden!«

Trotz der vielfältigen Solidarität bei den Aktionen in Bochum war deutlich, dass die Bochumer Opelaner allein kämpften. Eine europaweite Aktion hätte GM weit stärker unter Druck gesetzt. Wie sind da jetzt die Perspektiven?

Die Kollegen in Bochum haben erstens seit langem kämpferische Erfahrungen, und sie wissen, dass nach einigen Tagen die Fabriken in Europa stillstehen, weil aus Bochum die Teile nicht kommen, wenn hier die Bude zugemacht wird. Die Achsfertigung, aber auch die Presswerksteile kommen von hier. Wir hatten die Hoffnung, dass mit einer deutschlandweiten Großaktion nicht nur hier die Kollegen geweckt würden. Das ist so nicht gemacht worden. Die einzelnen Werke und ihre Betriebsräte haben zu viele unterschiedliche Interessen.
Im Augenblick wird die sog. Produktionspipeline wieder gefüllt, die bei den Aktionen leergefahren wurde. Opel hat sogar Sonderschichten beim Betriebsrat beantragt, die aber abgelehnt wurden. Damit sollte die Pipeline so voll werden, dass GM einen tagelangen Ausstand in Bochum überstanden hätte. In ein, zwei Jahren wird es diese Abhängigkeit vom Bochumer Werk so nicht mehr geben. Deswegen sind unsere Chancen nur noch in diesem Zeitraum einigermaßen hoch, Druck auszuüben und auf unsere Forderungen einzugehen.

Wie sieht es aus mit der Forderung nach Arbeitszeitverkürzung zur Sicherung von Arbeitsplätzen?

Die jetzige 37,5-Stunden-Woche soll auf 35 Stunden effektiv heruntergefahren werden. Der Personaleffekt ist allerdings nicht sehr hoch, da bisher auch schon Freizeit gegeben wurde. Eine generelle Arbeitszeitverkürzung z.B. auf 30 Stunden ohne Lohnausgleich ist jetzt für die Kollegen kaum denkbar.

Schneller als gedacht wirkt sich die Osterweiterung zuungunsten der Kollegen aus. Aber die Verlagerung des Zafira und die angeblich neuen Arbeitsplätze im polnischen Werk sind auch eine Folge des Deals mit der US-Rüstungsindustrie. Wie ist die Stimmung in dieser Sache?

Natürlich sehen viele Kollegen die Konkurrenz negativ. Das ist die Rache der Amerikaner wegen des Irakkriegs, heißt es schon mal. Es gibt leider keine Kontakte zum kämpferischen Kollegen im dortigen Werk. Wir wissen aber, dass die Arbeitsplatzverlagerung weiter nach Osten droht, so dass sich keiner auf der jetzigen Situation ausruhen kann. Wir müssen alle zusammen dagegen vorgehen.

Du und ein weiterer Kollege sind als einzige von Opel Bochum nach dem Arbeitskampf gekündigt worden. Wie ist eure Lage?

Ich bin seit 1986 bei Opel, war längere Zeit Jugendvertreter und dann Betriebsrat. Ich gehörte immer zur Opposition im Betriebsrat. Mir wurde gekündigt, weil ich mich angeblich während des Arbeitskampfs falsch verhalten habe. Einzelheiten möchte ich wegen des schwebenden Verfahrens nicht nennen.
Der Betriebsrat hat meiner Kündigung allerdings widersprochen, sodass ich weiter im Betrieb bin und Opel mich rausklagen muss. Im April wird die Arbeitsgerichtsverhandlung sein.
Schlimmer steht es für den anderen Kollegen. Er ist als einziger von Tausenden fristlos entlassen und muss sich wieder hineinklagen. Das Arbeitsamt hat ihm drei Monate Sperrfrist gegeben, der steht vor dem Nichts. Die IG Metall hat ihm 300 Euro Unterstützung gegeben, das ist so gut wie nichts. [Auf der Veranstaltung wurden allein 170 Euro gesammelt.] Seine erste Güteverhandlung ist im Dezember, hoffentlich kommen viele Menschen, um ihm ihre Solidarität zu beweisen und Opel Angst zu machen.

Wie wird es in Bochum weitergehen? Rechnet ihr mit einer Wiederaufnahme der Kämpfe?

Viele Kollegen sind unheimlich enttäuscht. Die Salamitaktik und die bisherigen Ergebnisse der Verhandlungen haben die Spaltung in der Belegschaft vertieft. Da sind die Älteren, die sich mit der Abfindung was ausrechnen. Da sind die anderen, die in die BQG gehen, da wird es ausgelagerte Bereiche geben, und diejenigen, die bleiben, werden mit massiven Lohnkürzungen rechnen müssen — alle werden getrennt behandelt und sollen sich nicht um die anderen kümmern. Das wird ein großes Problem für die Wiederaufnahme des Widerstands.
Der Betriebsrat in Bochum hat mit 21 zu 16 Stimmen dem bisherigen Ergebnis zugestimmt — also war eine große Minderheit dagegen, aber es war die Minderheit.
Vor Weihnachten wird die Belegschaft zwar ausführlich informiert, aber ob es erneut zu den bekannten »Infoveranstaltungen« kommt, wird sich im Januar zeigen. Das wird sehr schwer werden, denn wir werden uns erstmal nur auf unsere eigenen Kräfte stützen können. Wir können nicht erwarten, dass die anderen Werke was machen.
Ich appelliere an die jüngeren Kollegen, die noch Jahre vor sich haben, welche Chancen sie in dieser Region in einer Auffanggesellschaft oder in einer ausgegliederten GmbH haben würden. Wie viele Jahre Schutz vor Kündigungen? Ein Jahr, dann Arbeitslosigkeit, dann Hartz IV? Das kann es nicht sein. Die Kollegen haben aus dieser Auseinandersetzung auch gelernt. Es bleibt uns nur die Wiederaufnahme des Kampfes.

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