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Mitte November widmete sich der UN-Sicherheitsrat auf einer Sondersitzung dem
Bürgerkrieg im westsudanesischen Darfur, einem Gebiet von der Größe Frankreichs und seit
einiger Zeit von politisch interessierter Seite als das »größte Menschenrechtsproblem«
der Gegenwart auserkoren.
Angesichts der Zusammensetzung des Sicherheitsrats war weniger damit zu rechnen, dass hier
bedeutende konkrete Maßnahmen beschlossen werden. So geschah es denn auch. Relevanter ist die
Tatsache, dass US-Präsident Bush mit der Ernennung von Condoleeza Rice zur neuen Außenministerin
und dem Anfang Dezember wider manche Erwartungen verkündeten Festhalten am Verteidigungsminister
Donald Rumsfeld deutliche Zeichen gesetzt hat, dass auch in Zukunft die von ihm und seinen
Hintermännern definierten US-Interessen gegenüber allen anderen unzweifelhaften Vorrang haben.
Was nun den Sudan betrifft, so hat es sich
George W. Bush nicht nehmen lassen, noch unmittelbar vor den Präsidentschaftswahlen zu behaupten:
»Der Sudan stellt weiterhin eine ungewöhnliche und außerordentliche Bedrohung für die
nationale Sicherheit und Außenpolitik der USA dar.«
Im Zusammenhang mit dem seit Anfang 2003
andauernden Bürgerkrieg im Darfur sprechen die USA gerne von Völkermord, weil die
Auseinandersetzung einen rassischen Charakter des Kampfes zwischen einer schwarzafrikanischen lokalen
Bevölkerung und der von lokalen arabischen Stammesmilizen unterstützten arabischen
Zentralregierung in Khartum habe. Im Zuge dieses Bürgerkriegs sind inzwischen rund 1,7 Millionen
Menschen zu Flüchtlingen innerhalb des Sudans oder in den benachbarten Tschad geworden. Der
Weltgesundheitsorganisation (UN-WHO) zufolge sind von diesen allein seit März diesen Jahres 70000 an
Hunger und anderen mittelbaren Folgen der Kämpfe gestorben.
Der wirkliche Konflikt ist jedoch zum einen der zwischen arabisierten Viehzüchtern und weniger
arabisierten sesshaften Ackerbauern und zum anderen einer zwischen dem Herrschaftsanspruch der
Zentralregierung und den regionalistischen Forderungen der in der Vergangenheit in der Tat vor allem auch
wirtschaftlich arg vernachlässigten Bevölkerung dieser Region im »wilden Westen« des
Sudans. So leben im Darfur auch große »arabische« Stämme, die der Zentralregierung in
ihrem Kampf gegen die nichtmuslimische südsudanesische Befreiungsbewegung Milizen zur Verfügung
gestellt hatten, dies aber in der jetzigen Auseinandersetzung mit den zwar nicht arabisch sprechenden, aber
mit ihnen durch Religion und familiäre Bande mannigfach verbundenen Fur, Zaghawa oder Massalit usw.,
nicht tun.
Nach dem relativen Erfolg der
südsudanesischen SPLM, die am Verhandlungstisch und mit Unterstützung ausländischer
Erdölinteressen die Regierung in Khartum, nach zwei Jahrzehnten Bürgerkrieg und über 2
Millionen Toten (v.a. durch Hunger und Krankheit infolge der Auseinandersetzungen), zu allerlei
Zugeständnissen gezwungen hat, sahen vor zwei Jahren auch die regionalistischen Bewegungen im Darfur
die Zeit gekommen, bewaffnet ihren Anteil an der politischen Macht und den wirtschaftlichen Ressourcen des
Landes einzufordern.
Das islamistische Militärregime in
Khartum reagierte wie üblich, schickte die Armee und »arabische« Stämme. Deren
Janjaweed genannten Reitermilizen sind für einen Großteil der flagranten Massaker und
Menschenrechtsverletzungen an der bäuerlichen Bevölkerung der Region verantwortlich. Die unter
Aufsicht der Afrikanischen Union vom 21.Oktober bis zum 10.November in Nigerias Hauptstadt Abuja
geführten Verhandlungen, haben zwar zur Unterzeichnung einiger Abkommen über Sicherheit und den
Zugang humanitärer Organisationen zu den zivilen Bürgerkriegsopfern geführt, aber deren
Umsetzung an Ort und Stelle ist zweifelhaft.
Dabei ist nicht immer klar, ob das nur der
bewussten Politik der Irreführung durch die Regierung in Khartum geschuldet ist. Der jüngste
Bericht des UN-Sonderbeauftragten für Darfur, Jan Pronk, sagt nämlich, dass die Regierung ihre
eigenen Kräfte nicht voll kontrolliere und es innerhalb der Rebellenbewegung in Darfur Spaltungen
gebe.
Die US-Menschenrechtsorganisation Human Rights
Watch forderte Anfang Dezember zwar den UN-Sicherheitsrat auf, sofortige Maßnahmen zu ergreifen, um
die fortgesetzten »ethnischen Säuberungen« insbesondere in Süd-Darfur zu stoppen, wies
aber auch darauf hin, dass die beiden Rebellengruppen, die Sudanesische Befreiungsarmee (SLA) und die
Bewegung für Gerechtigkeit und Gleichheit (JEM) das Waffenstillstandsabkommen vom April des Jahres
regelmäßig brächen.
Die jüngsten Kämpfe um die Stadt
Tawila am Fuße des bis auf 3024 Meter ansteigenden Bergmassivs des Jebel Marra, eines der
Hauptrückzugsgebiete der Rebellen, gingen denn auch offensichtlich von diesen aus. Die SLA hatte die
Stadt in einer Aktion erobert, die Jan Pronk »eine klare Verletzung der Waffenstillstands- und
Sicherheitsabkommen mit der sudanesischen Regierung« nannte.
Es scheint sogar, dass mancherorts die Spannungen in dem Maße wieder zunehmen, denn der 31.Dezember
rückt näher. Bis dahin nämlich, darauf hatten sich die Verhandlungspartner zuvor
verpflichtet, solle das endgültige Friedensabkommen zwischen der SPLM und der Regierung in Khartum
unterzeichnet werden. Die entsprechenden Verhandlungen begannen vor zwei Jahren unter Ägide der USA in
Nairobi.
Führende SPLM-Vertreter jedoch
äußerten sich auch nach der Unterzeichnung eines »Memorandum of Understanding« am
19.11. skeptisch darüber, ob Khartum seine Verpflichtungen wirklich erfüllen werde. Seit Anfang
November haben die verschiedenen Parteien, dieses Mal in der an Äthiopien angrenzenden Provinz Upper
Nile, neue Kräfte in Position gebracht, wohl, um noch vor dem Stichtag vollendete Tatsachen in ihrem
jeweiligen Sinn zu schaffen. Es kam bereits zu Kämpfen im Gualguk-Gebiet 130 km nordöstlich von
Nasir nahe dem Erdölgebiet von Adar und in der Gegend von Mandeang am Sobat-Fluss.
Die Lage im Süden ist von
überragender Bedeutung. Der leitende Sudan-Beamte des US-Außenministeriums, Charlie Snyder, sagte
am 29.November, dass »die politische Lösung für das ganze Land wirklich im Nord-Süd-
Prozess enthalten ist. Die Wahrheit ist, dass die Probleme des Norden und Südens exakt solche zwischen
dem Zentrum und der Peripherie sind. Und das Problem im Darfur ist, dass es eine ebenso marginalisierte
periphere Region ist wie der Osten und der Süden.«
Das ist immerhin eine Aussage, die sich in
ihrem Realitätssinn von der zu Beginn zitierten Propaganda seines Chefs und einer Vielzahl von
Menschenrechtsimperialisten auch außerhalb der USA abhebt. Snyder betonte bei gleicher Gelegenheit
weiter: »In Nairobi habe ich zwei Stunden mit einigen der Führer der Darfur-Bewegung gesprochen
und die Rebellen darauf hingewiesen, dass sie im Begriff seien, zum Problem zu werden, weil ihre
jüngsten Angriffe auf von der Regierung zur Stabilisierung entsandte Polizisten, der Regierung den
Vorwand für neue militärische Schläge liefert.«
Konkrete Maßnahmen wurden auf der UN-
Sitzung in Nairobi erwartungsgemäß u.a. von den Sicherheitsratsmitgliedern China, Russland und
Frankreich torpediert. Diese liefern, wie Amnesty International feststellte, auch Waffen an Khartum. Gerade
China versucht damit offenbar, seine bedeutenden Erdölinteressen im Sudan insbesondere gegen den
Zugriff durch die USA zu verteidigen.
Der Bürgerkrieg im Darfur dient diesen
unverkennbar als Brecheisen in den Sudan, dem einzigen noch fehlenden Stück des strategischen
Gürtels der Sahel-Zone von Westafrika bis nach Eritrea, einer Region, die insbesondere nach den
Erdölfunden der letzten Jahre unverkennbar die Begierde der USA auf sich gezogen hat. Die Aussagen von
Snyder deuten jedoch darauf hin, dass die USA, auf unabsehbare Zeit im Irak festsitzend, bereit sind, ihr
Ziel in diesem Fall weitaus weniger konfrontativ zu verfolgen, als manche Fensterreden ihres
Präsidenten erwarten lassen.
Im November hat sich auch die bundesdeutsche
Regierung offiziell entschieden, die Gunst der Stunde zu nutzen, um ihrerseits unter dem Deckmantel der
humanitären Hilfe ihre Armee, zunächst nur auf eine Einheit von 200 Mann begrenzt, in der
begehrten Region in Stellung zu bringen langfristig natürlich durchaus auch in Konkurrenz zu
den USA.
Anton Holberg
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