SoZSozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Januar 2005, Seite 20

Joseph Finder: Goldjunge, München: Heyne, 2004, 527 S., 12 Euro

Goldjunge

Joseph Finders Roman liegt zur Zeit als eyecatcher in allen Buchhandlungen aus, goldfarbener Einband und düsterblickendes Augenpaar suggerieren: Kauf mich!!
Der Kauf lohnt sich und dies für einen Thriller ohne Mord. Erzählt wird das Abenteuer des Adam Cassidy, der zum Wirtschaftsspion wird. Der Endzwanziger Cassidy ist ein sympathischer Typ, bei Wyatt Telecom reißt er seinen Job lustlos ab, wenn er mal einigermaßen pünktlich zur Arbeit gekommen ist.
Eine gute Tat bringt ihn in eine richtige Bredouille: Zum Abschied eines netten Kollegen von Versand spendiert er ihm — auf Kosten des Hauses — eine saumäßig teure Party, mit allem Pipapo. Das kommt raus, Cassidy erzählt dem Sicherheitsmenschen von Wyatt Telecom eine abenteuerliche Lügengeschichte und sein oberster Boss stellt ihn vor die Alternative: Gefängnis oder Industriespionage beim Konkurrenten Trion. Das Drohszenario wird heftig genug aufgebaut, auch in die Hightechindustrie haben sich die Verhältnisse des US-amerikanischen Rechts- und Knastsystem herumgesprochen: Cassidy nimmt den Job an und erfährt erst mal eine ordentliche Ausbildung zum Spion. Der Einstieg in den gegnerischen Konzern gelingt leichter als erwartet, aber noch ist ihm völlig unklar, um was es sich bei dem geheimgehaltenen Projekt handelt, über das er Informationen besorgen soll. Während er sich immer mehr seiner alten Umgebung entfremdet — keine Zeit für seine Freunde, sein todkranker Vater beschimpft ihn, seine Seele verkauft zu haben —, steigt der unfreiwillige Held immer höher in der Hierarchie auf, umgibt sich mit den Insignien von Macht und Reichtum, erst die angesagte italienische Taucheruhr, dann der Porsche (laut Lost in Translation eher ein Sublimierungsobjekt für männliche Midlifecrisis als Statussymbol für Newcomer), später dann das von Trion finanzierte Luxusapartment. Die anfängliche Angst, erwischt zu werden, weicht immer mehr einem Loyalitätskonflikt gegenüber seinem neuen »Arbeitgeber« Goddard, dem er sich menschlich verbunden fühlt und der so ganz anders ist als sein Auftraggeber Wyatt, der monströsen Körperkult und Machtgeilheit gleichzeitig demonstriert. Dessen Daumenschrauben werden immer mehr angezogen und die Frage, die sich Cassidy zunehmend stellt, lautet: Wie komm ich unbeschadet aus dem Schlamassel raus, ohne das schöne Leben aufs Spiel zu setzen?
Wer will, kann das Buch auch als schönes Beispiel für eine nach wie vor bestehende Variante kapitalistischer Akkumulation ansehen: Enteignung durch Raub und Betrug — und es sind diesmal nicht die bösen Japaner sondern die »eigenen« Leute.

Udo Bonn

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