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»Machen sie weiter in der Gewissheit, dass schon sehr bald wieder freie
Menschen auf den Boulevards unterwegs sein werden, um eine bessere Gesellschaft zu schaffen.« Mit
diesen Worten schließt am 11.September 1973 wenige Minuten nach 9 Uhr der demokratisch gewählte
Präsident Salvador Allende eine letzte Ansprache an die Chilenen. Sechs Stunden später um
15 Uhr ist Allende tot, die letzten seiner Anhänger ergeben sich dem putschenden Militär
unter Führung von General Augusto Pinochet.
Diese sechs Stunden des 11.September 1973
stehen im Mittelpunkt des Films Allende Der letzte Tag des Salvador Allende von Michael Trabitzsch.
In alten Schwarz-Weiß-Aufnahmen sind der Panzerbeschuss der Moneda, des Präsidentenpalasts in
Santiago de Chile, und die Bombardierung des Gebäudes aus der Luft zu sehen. Kontrastierend dazwischen
geschnitten sind immer wieder Farbaufnahmen aus dem heutigen Chile.
In ihnen kommentieren verschiedene Personen
aus dem Umfeld Allendes die Ereignisse des Jahres 1973: Die Journalistin Faride Zeran, der Leibwächter
des Präsidenten Juan Osses, Allendes Presseattaché Carlos Jarquera, Isidra García, der zu
Allendes bewaffneter Eskorte gehörte und der »Kampfgefährte« des Staatschefs, Osvaldo
Puccia.
Von dieser Kontrastierung zwischen dem Gestern
und Heute lebt Trabitzschs Film. Bereits in einer der ersten Szenen werden die Folgen des Putschs deutlich,
wenn Trabitzsch Bilder von gefesselten und geschlagenen Menschen im Fußballstadion von Santiago zeigt,
das nach dem 11.September zum Massengefängnis für zahllose »Oppositionelle« wurde.
Wenige Bilder später urteilt Faride Zeran
über Allendes Präsidentschaft: »Wir waren niemals so frei wie in diesen drei Jahren. Wir
waren niemals so glücklich wie in diesen drei Jahren. Es war, als könnten wir den Himmel mit
unseren Händen berühren.«
Hingegen kommt in Trabitzschs Film zu kurz,
dass diese Zeit der Freiheit nicht durch das chilenische Militär allein beendet wurde, sondern dass
unter anderem auch die USA Allendes Sturz massiv betrieben und unterstützten. »Allende«
fokussiert sich fast ausschließlich auf den letzten Tag, die letzten Stunden des chilenischen
Präsidenten. Dies ist zugleich die große Schwäche des Films. Er ist keine politische Studie
der Gründe, die zum Militärputsch in Chile geführt haben.
Die beinahe komplette Ausrichtung auf die
charismatische Figur des gestürzten Präsidenten lässt nur ansatzweise erahnen, dass aus
Sicht der kapitalistischen Welt hinter Allende ein Geflecht zu stehen schien, das zu einer Bedrohung des
Systems werden könnte und das zu zerschlagen war.
Zwar werden bspw. Auszüge aus Allendes
berühmter Rede vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen gezeigt, in der er die kapitalistische
Welt für ihre Blockadehaltung gegenüber Chile angriff. Für eine tiefergehende Analyse bleibt
jedoch nicht genügend Raum.
Lässt man jedoch diesen Aspekt beiseite,
ist Allende ein Film, in dem die Verzweiflung über das vorläufige Ende der Hoffnung zum Ausdruck
kommt, die in Chile mit dem Namen des gestürzten Präsidenten verbunden war. Die von der
Journalistin Faride Zeran konstatierte glücklichste Zeit der chilenischen Geschichte war am
11.September 1973 um 15 Uhr vorüber. Nicht jedoch die Hoffnung auf eine bessere Zukunft,
versinnbildlicht auch durch die letzten Worte des Präsidenten vor seinem Selbstmord: »Allende
ergibt sich nicht, Scheiße.«
Volker Elste
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