SoZSozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Januar 2005, Seite 22

WASG

Parteigründung in Nürnberg

Die sog. neue Linkspartei in Deutschland geht ihren Weg nach wie vor mit beachtlicher Rasanz. Mittlerweile sind in allen Bundesländern Landesorganisationen gebildet worden und Ende November fand in Nürnberg die ordentliche Bundesdelegiertenversammlung des Vereins »Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit« statt. Gut 6000 Mitglieder haben sich bis heute als Vereinsmitglied registrieren lassen und nehmen derzeit an einer Mitgliederurabstimmung auf dem Postweg teil, wo die Frage, ob der WASG-Verein in eine gleichnamige Partei umgewandelt werden soll, mit Ja oder Nein beantwortet werden kann. Das Ergebnis — so viel ist nach der Nürnberger Konferenz klar — wird zwischen eindeutig und einstimmig liegen. Die WASG-Anhängerschaft will eine neue Linkspartei und das so schnell wie möglich.
Es gab auf der Nürnberger Konferenz noch mehr zu erkennen. Die große Mehrheit des WASG-Vereins will eine echte Linkspartei. Eine Partei, die anders ist als die bestehenden Parteien, die sich aktiv in den Widerstand gegen die Agenda 2010 der Bundesregierung einschaltet, die an der Seite von Arbeiterkämpfen wie jüngst im Opelkonzern steht und die sich der weltweiten Bewegung gegen die kapitalistische Globalisierung verbunden fühlt. Gleichzeitig soll diese Partei in ihrem inneren Funktionieren sehr basisorientiert und demokratisch sein und dabei nicht nur die von der Grünen in ihrem radikalen Anfangsstadium thematisierten Fragen erneut aufgreifen wie Ämterhäufung, Rotation, Frauenquotierung, sondern noch darüber hinausgehen und insbesondere die neuen Möglichkeiten einer direkten Basisdemokratie, die sich aus Internet und neuen Medien ergeben, ausnutzen.
In der Aussprache über die Tätigkeit des bisherigen Vorstands wurde in Nürnberg allerdings auch deutlich, dass in dem Verein nicht geringe Kräfte wirken, die das Projekt in eine andere Richtung treiben wollen. Es ist festzustellen, dass die heftige Anfangsbegeisterung für das Projekt einer neuen Linkspartei merklich nachgelassen hat. Die großen Medien haben ihren Anfangsschrecken schnell abgelegt und neigen überwiegend zum Verschweigen der WASG-Vorgänge. Die Eintritte neuer Mitglieder sind nur noch vereinzelt. Sehr viele vom Projekt WASG zunächst aufgerüttelte Interessierte warten erst einmal ab. Ein beträchtlicher Teil der organisierten Linken, ohne den eine neue Linkspartei von Beginn an beinamputiert wäre, hat die Unterstützung eingestellt oder zurückgefahren. Und vor allem: das erfreulich erfrischende Hineinwirken der WASG in die spröde offizielle Gewerkschaftsbewegung hat schon wieder nachgelassen.
Dieses Abklingen der Anfangsbegeisterung ist zu einem wesentlichen Teil bewusst oder unbewusst von führenden WASG-Vertretern herbei organisiert worden. Nicht wenige Führungskräfte versuchen, den Verein und die kommende Partei wie einen Gewerkschaftskongress der alten Art aufzubauen. Die Führungsriege gibt zigfach durchgekaute und langweilige Vorgaben in Sachen Programm, Statut und öffentlichen Erklärungen, und möglichst niemand soll andere Töne anschlagen oder gar widersprechen.
In die Mikrofone der bürgerlichen Medien wird die vor allem von Gewerkschaftsbürokraten bekannte und so viele Aktive in die Verzweiflung treibende staatsmännische Zurückhaltung geübt. Da will man plötzlich nicht mehr »Linkspartei« sein oder platziert solch haarsträubende Floskeln, dass die WASG in »der Mitte des linken Lagers stehe«. Auf mehreren örtlichen und regionalen Schauplätzen spielen sich zusätzlich einzelne WASG-Leute wie kleine Autokraten auf und sehen in der WASG ihr eigenes Fürstentum, das von allen plebejischen Elementen gereinigt werden muss. Der Bundesvorstand sieht sich völlig grundlos genötigt, mittels Kommissaren in Landesverbände hinein zu regieren, wie vor allem in Berlin geschehen.
Der Verein WASG hat in Nürnberg und auf danach folgenden Treffen beschlossen, an den Landtagswahlen im Mai in NRW teilzunehmen. Auch dies geschah gegen den eigentlichen Willen mehrerer der Bundesgrößen. Der Beschluss ist allerdings kaum noch zu kippen. In den NRW-Städten und -Orten laufen die Aktionen schon auf Hochtouren. Das hat zwar etwas von einer »Augen-zu-und-durch-Taktik«, aber es sind sehr viel Begeisterung und Elan zu spüren.

Thies Gleiss

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